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Interview mit GdP-Justiziar Thore Tippe

„Das Problem des aktuellen Beurteilungssystems ist unter anderem dessen Anwendung“

Sreenshot
Sreenshot

Während der aktuellen Beurteilungsrunde ist die Zahl der Rechtsschutzanträge, die bei der GdP Niedersachsen gestellt wurden, erneut in die Höhe gegangen. Der Unmut und die Unzufriedenheit bei den Beurteilten, aber auch bei den Beurteilern sind groß. Justiziar Thore Tippe benennt im Interview die Knackpunkte.

Was konkret löst den Unmut über das Beurteilungssystem aus?
Viele Beamtinnen und Beamte, die sich an uns wenden, fühlen sich nicht leistungsgerecht, sondern willkürlich bewertet. Sie bekommen zum Beispiel gesagt, dass sie mit „C oben“ beurteilt werden sollen, dann bekommen sie aber das Gesamturteil „C Mitte“ – und ahnen dann ganz genau, dass dies nur passiert, um eine Begründung für die Entscheidung im späteren Beförderungsverfahren zu erleichtern. Das Problem dabei ist also die unzulässige Verknüpfung von Beurteilung und Beförderung. Eigentlich müsste es so sein, dass die Beamtinnen und Beamten eine leistungsgerechte Beurteilung bekommen. Und später kommt dann das Auswahlverfahren für die Beförderung. Aber es ist häufig so, dass schon im Beurteilungsverfahren auf die zur Verfügung stehenden Beförderungsplätze geschaut wird – und entsprechend beurteilt wird.

Wo genau sehen Sie die Probleme des Beurteilungssystems?
Das System bindet einen erheblichen Teil der Arbeitszeit über einen langen Zeitraum. Insofern gibt es einige Aspekte, die zu verbessern sind. Die GdP fordert in ihrem Attraktivitätsprogramm ein System, das den Kriterien „Eignung“, „Befähigung“ und „Leistung“ bei Beförderungen gerecht wird und gleichzeitig ein ehrliches Feedback ermöglicht. Grundsätzlich aber liegt das Problem nicht so sehr im System selbst, sondern in dessen Anwendung. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass die Zu-Beurteilenden von den Erst-Beurteilern, die sie über den Zeitraum von drei Jahren im Dienst erleben, häufig falsche Versprechungen gemacht bekommen. Ihnen wird zum Beispiel eine bestimmte Beurteilung angekündigt, die aber später häufig nicht realisierbar ist, weil der sogenannte Maßstab nicht eingehalten werden kann. Dieser Maßstab wird durch die Behördenleiter bzw. die Behördenleiterkonferenz erstellt, um die Beurteilungen vergleichbar zu machen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Die Aussagen für eine bessere Beurteilung sind rechtlich nicht bindend. Maßgebend ist die ausgehändigte Beurteilung mit der endgültigen Beurteilung durch den Zweit-Beurteiler. Ein weiteres Problem ist, dass mir bei den Gesprächen mitgeteilt wurde, dass den Zu-Beurteilenden teilweise suggeriert wird, dass eine gute, beanstandungsfreie Leistung im Dienst besser sein müsste als „C Mitte“. Aber „C Mitte“ bedeutet nicht Mittelmaß im eigentlichen Sinne, sondern eben genau das: eine gute, beanstandungsfreie Leistung. Meines Erachtens werden die Erst-Beurteiler jedoch auch "alleingelassen" und am Ende in Maßstäbe "gedrängt".

Wie kann die GdP diejenigen Mitglieder unterstützen, die sich ungerecht beurteilt fühlen und sich deshalb an die GdP wenden?
Wer mit seiner oder ihrer Beurteilung nicht einverstanden ist, hat eine Woche nach Aushändigung die Möglichkeit, Einwendungen zu erheben. Dies sollte schriftlich erfolgen. Dann wird das sogenannte dialogische Verfahren eingeleitet. Es sieht vor, dass der Erst-Beurteiler zu der Einwendung Stellung nimmt und diese – samt der Einwendung – an den Zweit-Beurteiler gibt. Dieser kann dann die Beurteilung abändern oder beibehalten. Danach gibt es zwei Möglichkeiten, wobei man wissen muss, dass die dienstliche Beurteilung kein „Verwaltungsakt“ ist, sondern ein „Akt wertender Erkenntnis“. Trotzdem ist dafür ein Widerspruchsverfahren anerkannt. Wenn das dialogische Verfahren also nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat, kann ein Antrag auf Abänderung der Beurteilung gestellt werden. Der Bescheid darüber wiederum ist ein „Verwaltungsakt“, gegen den Widerspruch möglich ist. Die zweite Möglichkeit ist, direkt Widerspruch gegen das Ergebnis des dialogischen Verfahrens zu erheben. Erst im Anschluss folgt ein Klageverfahren beim Verwaltungsgericht. Hier ist allerdings die eingeschränkte Prüfungskompetenz des Gerichts ein Problem. Die Überprüfung der Beurteilung ist auf die Frage beschränkt, ob der Beurteiler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen verkannt, allgemeine Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder das vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten hat. Das heißt auch: selbst, wenn die Klage zum Erfolg führt und das Gericht verfügt, dass neu beurteilt werden muss, heißt das noch nicht, dass der Kläger eine bessere Beurteilung bekommt. Bei den Fällen, die wir hatten, war es in der Regel so, dass die Behörde dieselbe Beurteilung ausgehändigt hat, aber eben die vom Gericht angemerkten Fehler unterlässt.
Deshalb hat aus unserer Sicht das dialogische Verfahren meistens größere Aussicht auf Erfolg: Ich unterstütze unsere Mitglieder dabei, helfe, die Einwendungen zu formulieren. Zu dem Erörterungsgespräch empfehle ich, ein Mitglied des Personalrats dazu zu bitten, um einen objektiven Dritten dabei zu haben. Nach der Rückmeldung, die danach erfolgt, überlegen wir, wie es weitergeht. Aber auch ein eventuelles Klageverfahren begleite ich. In jedem Einzelfall wägen wir genau ab, was die beste Aussicht auf Erfolg hat.

Was muss sich ändern, damit Beurteilungen gerechter empfunden werden und das System akzeptiert wird?

Ein von der GdP vorgeschlagenes völlig neues Verfahren würde die berechtigte Unzufriedenheit erheblich reduzieren. Wenn dem aber seitens der Politik nicht gefolgt werden sollte, dann ist aus meiner Sicht aber wichtig, dass die Beurteilungen endlich losgelöst von anstehenden Beförderungsrunden erstellt werden müssen. Nur so ist es möglich, die Beamtinnen und Beamten leistungsgerecht zu beurteilen. Das heißt konkret: es darf bei den Beurteilungen nicht von den zur Verfügung stehenden Beförderungsstellen ausgegangen werden. Wobei eine höhere Anzahl von Beförderungsmöglichkeiten, die die GdP ja dringend fordert, hier für eine gewisse Entlastung sorgen könnte. Im Übrigen hat es keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der Beurteilung, wenn die in den Richtlinien vorgesehenen regelmäßigen Mitarbeitergespräche nicht stattgefunden haben. Ich meine, sie sollten in jedem Fall genutzt werden, um den Beamtinnen und Beamten ein ehrliches Feedback über ihre Leistung zu geben, ohne irgendwelche Noten in Aussicht zu stellen, die dann nicht eingehalten werden können.

Interview aufgezeichnet von Angela Hübsch

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