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Beurteilungen: Die Gauß‘sche Kurve oder das Märchen von der nicht vorhandenen Quote

Ist die Polizei Niedersachsen nur Mittelmaß?

Eine Anregung für eine längst überfällige Diskussion von Detlef Martin, Vorsitzender KG Northeim

Der Leitsatz der Strategie 2020 heißt: „Im Mittelpunkt steht der Mensch!“.
Die Mitarbeiterbefragung hat klare Handlungsfelder für einen akzeptierten und gerechten Beurteilungserlass benannt. Doch wir machen mit dem alten Erlass einfach weiter. Im Gegenteil, die jetzt vorgegebenen Werte werden strikt eingefordert. Ungeachtet dem Umstand, dass je kleiner die Gruppe ist, das Verschieben einer Note nach oben, oder eher nach unten, einen Prozentual großen Sprung über den Zielwert oder unter den Zielwert bedeutet.

Eine Festlegung von Höchstgrenzen oder Quoten für den Anteil von „sehr gut“ bis „gut“ beurteilten Beamten sind nach Rechtsprechung durchaus zu akzeptieren. (BVerwG vom 24.11.2005; 15 v. H. Bestnote und 35 v. H. zweithöchste Note). Es stellt sich nur die Frage, ob wir dies auch richtig bemessen.

Es gibt keinen gesetzlich normierten Wert, wie groß eine Vergleichsgruppe sein muss. Nach Herrn Gauß ist die Wahrscheinlichkeit der Normalverteilung und gelingt deren Nachweis umso genauer, je größer die Vergleichsgruppe ist. In der Literatur findet man Hinweise, dass es mindestens 30 Personen sein müssen, um die Gauß‘sche Kurve anwenden zu können. Wir brechen dieses Prinzip der Berechnung auch auf kleinere Dienststellen herunter. Diese haben oftmals keine ausreichend große Vergleichsgruppe. Ungerechtigkeiten sind hier vorprogrammiert.

Maßstabskonferenz, Beurteilungskonferenz, Rankingliste, Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigten und natürlich der Frauen, Plausibilität. Wie muss ich die Kollegin/den Kollegen „Mustermann/Musterfrau“ beurteilen damit er beförderungsfähig wird? Wie muss ich beurteilen, wenn ich jemanden in die Förderung bekommen möchte? Dies alles sind Aspekte die im Vorfeld abzuwägen sind.

Maßstabskonferenzen. Was machen wir dort? Dort werden lediglich die Zielwerte (Quoten) für die einzelnen Wertungsstufen festgelegt. Den Maßstab für den Inhalt der Beurteilung gibt die BRLPol in der Anlage 1 vor. Dieser Maßstab ist festgelegt.

Ist die niedersächsische Polizei nur Mittelmaß? Die Notenstufen A und B werden verschwindend gering vergeben, wie auch die Noten D und E. Es bleib eigentlich nur das C, die Mitte, also quasi die Schulnote Drei. Und das C wird durch die Binnendifferenzierung nicht besser. Ein C oben bleibt auch nur Mittelmaß, wenn auch ein etwas besseres Mittelmaß. Und ein C unten? Da die Notenstufen D und E kaum oder gar nicht vergeben werden, ist das C unten faktisch schon das Schlechteste, was die Polizei Niedersachsen zu bieten hat! Einer Kollegin oder einem Kollegen diese Note zu geben, bedeutet für diesen: „Du spielst in meiner Personalplanung keine Rolle!“

Wie in allen anderen Berufsfeldern gibt es auch bei der Polizei ein unterschiedliches Leistungsniveau. Und ich will nicht die Vergabe der Notenstufen D und E propagieren. Zu irgendeinem Zeitpunkt haben auch die „weniger guten“ Kolleginnen und Kollegen eine Prüfung abgelegt und die Befähigung für die gehobene Laufbahn erworben. Sind die über viele Jahre erworbene Berufserfahrung und die Lebensarbeitsleistung nicht auch Kriterien, die es diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglichen sollten, in den Genuss einer Beförderung zu kommen? Warum muss ich diese erst mit einer Beurteilung auf die gleiche Stufe stellen, wie einen anerkannt guten und zu fördernden Mitarbeiter? Es würde dem Maßstab nicht entsprechen, aber, wenn ich die Kollegin oder den Kollegen die Möglichkeit einer Beförderung eröffnen möchte, muss ich so handeln.

Welchen Wert hat die Einschätzung des Erstbeurteilers noch? Wie steht dieser gegenüber seinen Mitarbeitern dar, die er im täglichen Dienst sieht und die Leistungen auch aus eigenem Erleben bewerten kann, wenn er eine Beurteilung begründen muss, hinter deren Inhalt er nicht steht?

„Die dienstliche Beurteilung ist ein Instrument und wesentlicher Bestandteil moderner Personalführung und ergänzt sinnvoll angewandte Methoden der Personalauswahl, Personalförderung und Potentialermittlung.“ Dies ist der Erste Satz der BRLPol unter Pkt. 1.1, Ziele der dienstlichen Beurteilung. Warum handeln wir nicht danach? Warum schreiben wir Beurteilungen nicht nur dann als Anlass-Beurteilung wenn es erforderlich ist?

Wir brauchen, wie von der GdP seit Jahren gefordert, ein Laufbahnverlaufsmodell (oder wie man es auch immer nennen mag) für die Besoldungsstufen A9 – A11. Es würde unseren Beruf attraktiver machen, wenn unsere Bewerber von Anfang an wüssten, wann sie die Möglichkeit haben, in die nächste Besoldungsstufe zu gelangen. Als objektiver Wert könnte hier die Abschlussnote des Studiums als Maßstab genommen werden. Anlassbeurteilungen könnten dann im ein oder anderen Fall vielleicht für eine Verkürzung (oder Verlängerung) genutzt werden. Hier würde sich dann Leistung auszahlen.

Was erreichen wir mit unserem derzeitigen System? Wir verbrauchen ein großes Potential an Arbeitsleistung durch den Aufwand, den wir für diese Beurteilungen betreiben müssen! Das Ergebnis sind wenige Zufriedene und weitaus mehr gefrustete Kolleginnen und Kollegen. Gerecht oder objektiv werden Beurteilungen, die auf subjektiven Wahrnehmungen beruhen, nie werden. Das ganze System schadet der Polizei Niedersachsen mehr als es ihr nützt.

Warum stecken wir so viel Ressourcen in ein Projekt, dass uns nur negativen Ertrag liefert?

Detlef Martin, Vorsitzender KG Northeim

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