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Wenn Paragrafen auf Realität treffen – Kongress zum Verhältnis von Arbeitszeitrecht und Führungsverantwortung 

Sascha Göritz und Kevin Komolka, Foto: Philipp Mantke
Sascha Göritz und Kevin Komolka, Foto: Philipp Mantke
Hannover.

Die GdP bleibt dran am Thema Arbeitszeit in der Polizei und knüpfte mit dem zweiten Arbeitszeitkongress thematisch an die erste Veranstaltung 2021 an. Vor über 100 interessierten Teilnehmenden – eingeladen waren insbesondere Führungskräfte des ehemals höheren Dienstes und Personalräte - wurde unter anderem ein Verständnis von EU-Arbeitszeitrichtlinie geschaffen, alternative Ansatzpunkte aus dem Feld des medizinischen und Pflegepersonals vorgestellt sowie ein Blick auf den Stand der Dinge in Sachen Arbeitszeitrecht und ZEUS X geworfen.

Richterin VG Cornelia Alberts, Foto: Philipp Mantke
Richterin VG Cornelia Alberts, Foto: Philipp Mantke
Den Aufschlag bei der von Andrea Timmermann moderierten Veranstaltung machte Cornelia Albers, Richterin am Verwaltungsgericht, die einen Einblick in die europäische Arbeitszeitrichtlinie gab und herausstellte, dass die darin formulierten Mindestvorschriften für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmenden in der EU auch für Beamte gelten.  
Aus ihrer Zeit als Dozentin an der Deutschen Hochschule Polizei konnte Frau Albers mitteilen: „Die EU-Arbeitszeitrichtlinie hat sich im Masterstudiengang als Dauerbrenner bewiesen. Über die Anwendbarkeit bei der Polizei wurde viel diskutiert, aber das ist inzwischen geklärt und völlig unstreitig!“. Ausnahmen seien auch bei der Polizei nur in ganz besonderen Fällen zu machen. Während Polizeibeschäftigte ihr Recht in Bezug auf Arbeitszeit immer öfter auch gerichtlich mit Erfolg einforderten, erklärte Alberts gleichzeitig wie schwierig es sei, europarechtskonforme Schichtdienstmodelle zu entwickeln. Die Führungskräfte mit den daraus resultierenden Herausforderungen alleine zu lassen, sei ihrer Meinung nach nicht die ideale Lösung. Es bedürfe hier eine zentrale Lösung, die mit dem Innenministerium entwickelt werden müsste. Im Zweifel sei es für Führungskräfte ratsam, sich eine Weisung zu holen, bevor wissend eine Anordnung gemacht würde, die gegen geltendes Arbeitsrecht verstößt. 
Jörg Stühmeier, Foto: Philipp Mantke
Jörg Stühmeier, Foto: Philipp Mantke
Die Problematik, die sich ergibt, wenn „Recht auf Realität trifft“, betonte auch Jörg Stühmeier, Leiter der Abteilung Personal und Organisation der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Situation beim medizinischen und Pflegepersonal ist in vielen Bereichen mit der der Polizei vergleichbar. Stühmeier vertritt insgesamt einen Führungsstil, der auf Kooperation vertraue. Er betonte in seinem Vortrag, wie wichtig es sei, dass Führung und Mitarbeitende miteinander kommunizierten. Seiner Ansicht nach ist auch bei Fragen der Dienstplanung eine Mischung aus Führungsstärke und Eigenverantwortung gefragt, wenngleich sich daraus ein schwieriger Spagat ergebe, der einen Paradigmenwechsel bedeute. Während er insgesamt auf die hohe Motivation der Beschäftigten setze und im Rahmen dessen auch die Bereitschaft innerhalb des Personalkörpers wahrnehme, in Sachen Arbeitszeit flexibler zu werden, erklärt er auch, dass das Ausnutzen von Graubereichen immer zulasten der aktuellen Ressourcen in Sachen Arbeitskraft, also der Menschen, gehe. 

Landespolizei Axel Brockmann und Landespolizeidirektor Ralf Leopold lenkten anschließend den Blick in die eigene Organisation. Brockmann betonte die hohe Relevanz der Gestaltung der Arbeitszeit auch für die Attraktivität des Polizeiberufes in der Nachwuchsgewinnung. Weiterhin wichtig sei eine verlässliche und einheitliche Regelung und Erfassung von Arbeitszeiten. Bei einer einheitlichen Umsetzung habe man dabei mit schwierigen Rahmenbedingungen zu kämpfen, Ziel sei es aber weiterhin, dass technische Prozesse die Umsetzung der rechtlichen Rahmenbedingungen unterstützen. Herausfordernd sei dabei vor allem die hohe Komplexität der Technik, die umfassenden rechtlichen Regelungen und die unterschiedlichen Interessenlagen der Beteiligten. Eine Einführung der neuen Zeiterfassung sei in Anbetracht dessen entgegen der eigentlichen Planung auch dann möglich, wenn die neuen Arbeitszeitregelungen noch nicht in Kraft seien. Im letzten Jahr seien  Entwürfe für Erlass und Dienstvereinbarung zum Thema Arbeitszeit entworfen worden. Aktuelle Gerichtsentscheidungen entfalteten nun aber ihre Wirkkraft und müssten entsprechend berücksichtigt werden. Ebenso wie Brockmann bedauerte auch Leopold, dass sich die Einführung des neuen Systems ZEUS X länger hinauszögert als erwartet. Der Landespolizeidirektor verwies aber auf die Notwendigkeit, die Ergebnisse der aktuellen Pilotphase des Systems in Rotenburg abzuwarten und umzusetzen. Weiterhin zeigte er sich angetan von dem Voranschreiten des Kulturwandels innerhalb der Polizei. 
 
Den Abschluss der Veranstaltung bildeten der GdP-Landesvorsitzende Kevin Komolka und Sascha Göritz als stellvertretender Vorsitzender des PHPR, die die Rolle von Gewerkschaften und Personalrat bei der Begleitung des Themas diskutierten und die wichtige Rolle der GdP betonten, die das Thema bereits seit Jahren kritisch und konstruktiv begleitet. Gemeinsam formulierten die beiden abschließend: „Wir brauchen in der Polizei Rechtssicherheit und Handlungsklarheit, auch in arbeitszeitrechtlichen Fragestellungen. Weder Führungskräfte noch Mitarbeitende dürfen dabei allein gelassen werden. Entscheidend wird sein, dass wir gemeinsam Lösungen entwickeln, unter Beachtung des Rechts flexibel im Sinne unserer Auftragslage sowie der jeweiligen persönlichen Erforderlichkeiten zu sein.“ 
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