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GdP-News vom 22.3.2019

Diskussion über den Umgang mit Extremismus in der Polizei

Diskussion in der Volkshochschule - von links: Moderatorin Ulrika Engler, Astrid Jacobsen (PA Nds), Dietmar Schilff (GdP-Landesvorsitzender), Gwendolin von der Osten (Leiterin PI Mitte), Tanjev Schultz (Uni Mainz). Foto: ASf
Diskussion in der Volkshochschule - von links: Moderatorin Ulrika Engler, Astrid Jacobsen (PA Nds), Dietmar Schilff (GdP-Landesvorsitzender), Gwendolin von der Osten (Leiterin PI Mitte), Tanjev Schultz (Uni Mainz). Foto: ASf
Hannover.

Unter der bewusst provozierenden Überschrift "Hat die Polizei ein Extremismusproblem?" hat die Volkshochschule Hannover am 21. März 2019 eine Podiumsdiskussion veranstaltet, an der auch GdP-Vertreter/-innen teilnahmen. Neben dem Landesvorsitzenden Dietmar Schilff war auch die Sprecherin des AK höherer Dienst, Gwendolin von der Osten, in ihrer Funktion als Leiterin der PI Mitte in Hannover eingeladen.

Der Saal der Volkshochschule in Hannover war gut gefüllt. Viele Besucher/-innen diskutierten mit. Foto: ASf
Der Saal der Volkshochschule in Hannover war gut gefüllt. Viele Besucher/-innen diskutierten mit. Foto: ASf
Sie berichteten von praktischen Erfahrungen aus dem Polizeialltag bzw. der Gewerkschaftsarbeit. Wissenschaftliche Aspekte brachten Dr. Astrid Jacobsen von der Polizeiakademie Niedersachsen und Prof. Dr. Tanjev Schultz vom Journalistischen Seminar der Uni Mainz in die Diskussion ein, die von Direktorin der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Ulrika Engler, moderiert wurde. Beide erklärten, dass es zu der Frage nach dem Extremismus in der Polizei nur wenig Forschung gibt. "Wir können das Problem wissenschaftlich nicht greifen", so Jacobsen, die sich ebenso wie Schultz mehr Möglichkeiten zur Forschung innerhalb der Polizei wünscht.

Auf dem Podium ging es durchaus kontrovers zu: Der GdP-Landesvorsitzende Schilff widersprach in aller Deutlichkeit der von Prof. Schultz aufgestellten These, wonach die Polizei ein Rechtsextremismus-Problem unbekannter Dimension habe und es dafür viele Einzelbeispiele gebe. Die meisten Polizistinnen und Polizisten gehörten der GdP an, und diese wiederum bekenne sich klar gegen Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und -populismus wie auch gegen Rassismus. Schilff betonte, dass es sich bei den Vorfällen in den vergangenen Monaten um Einzelfälle gehandelt habe. "Aber jeder Einzelfall ist einer zuviel. Und Polizisten, die sich rechtsextrem oder gar rechtsradikal äußern, haben in der Polizei nichts verloren", sagte er.

Den Vorwurf, dass Dinge "unter den Teppich gekehrt" würden, ließ Schilff ebenfalls nicht gelten. Schultz hatte der Polizei zuvor eine "Schildkrötentaktik" vorgeworfen, doch mit der Methode "Deckel drauf" sei das Problem nicht zu lösen. Im Gegenteil: Man setze sich sehr intensiv damit auseinander und stimme die Aus- und Fortbildung entsprechend darauf ab, entgegnete Schilff:. "Wir arbeiten dauerhaft an der Kultur in der Polizei". Diese werde selbst - wie die Gesellschaft auch - immer vielfältiger. Bereits 12 Prozent der jüngst eingestellten Anwärterinnen und Anwärter hätten einen Migrationshintergrund. Tendenz steigend. Er widersprach auch der Aussage von Schultz, dass er sich als Gewerkschaftsvorsitzender "vor seine Kollegen werfen müsse". Schilff entgegnete, dass er lediglich ungerechtfertigten pauschalen Vorhaltungen begegne. "Die GdP und die Polizei setzen sich seit Jahren intensiv mit dem Thema auseinander - und dies wird künftig noch intensiviert." Allerdings fehle es an Zeit und Personal, um die Strukturen zu hinterfragen und regelmäßig über Einsätze zu reflektieren, so wie es in der Bereitschaftspolizei bereits verstärkt getan werde. "Das müsste institutionalisiert werden", so der GdP-Landesvorsitzende.
'Jeder Einzelfall ist einer zuviel', sagte der GdP-Landesvorsitzende Dietmar Schilff in der Diskussion. Foto: ASf
'Jeder Einzelfall ist einer zuviel', sagte der GdP-Landesvorsitzende Dietmar Schilff in der Diskussion. Foto: ASf
Dr. Jacobsen berichtete, sie habe in einer Studie zur Bedeutung der kulturellen Herkunft im Einsatz- und Streifendienst beobachtet, dass es Unterschiede zwischen dem "Tun" und dem "Darüberreden" gebe: "Bei den polizeilichen Maßnahmen ist das nicht ausschlaggebend, aber wenn hinterher drüber geredet wird, wird plötzlich über eine ethnische Gruppe 'gelästert' - und das wirkt identitätsstiftend", so Jacobsen. Ihrer Ansicht nach sollte die Supervision der Führungskäfte gestärkt und die Anwärter/-innen sollten noch besser vorbereitet werden, wobei bereits jetzt schon in den Kursen an der Polizeiakademie soziale Kompetenz intensiv trainiert und über Stereotype, Vorurteile, Rechts- und Linksextremismus reflektiert werde und auch Szenarien dazu durchgespielt würden.


Aus Sicht der Führungskräfte erläuterte Polizeidirektorin von der Osten, dass der tägliche Umgang mit Randgruppen, Menschen mit Migrationshintergrund oder Drogenabhängigen das Menschenbild der Polizistinnen und Polizisten durchaus prägen und dies eventuell dazu führen könne, dass sie schneller Vorurteile bilden. Damit umzugehen, sei auch eine Aufgabe der Führungskräfte. Außerdem gebe es sicherlich eine ungewollte Diskriminierung durch bestimmte Routinen. "Die Formalisierung einer Amtshandlung kann stigmatisierend wirken - und den Polizistinnen und Polizisten ist das nicht bewusst". Hier gelte es zu sensibilisieren.

Teil des Ankündigungsplakats der VHS. (Sreenshot)
Teil des Ankündigungsplakats der VHS. (Sreenshot)
Auch viele der rund 150 Zuhörer beteiligten sich noch an der Debatte. "Rechtspopulismus und Rechtsextremismus geht uns alle an. Das spaltet unsere Gesellschaft und muss überall, natürlich auch in der Polizei, thematisiert werden", resümierte der GdP-Landesvorsitzende. Abschließend sagte er, dass die Polizei eine wichtige, wertstiftende Rolle hat. Besonders erfreut sei er, dass die Polizei bei den Bürgerinnen und Bürgern über Jahre das höchste Vertrauen genieße. Das sei zwar berechtigt, diese Vertrauen müsse aber auch weiterhin durch die hervorragende und vorurteilsfreie Arbeit der Polizei tagtäglich bestätigt werden.


Der Fernsehsender H1 hat die Diskussion aufgezeichnet und am 2. April 2019 um 19 Uhr ausgestrahlt.

Red.
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