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Landesjournal Niedersachsen Leitartikel August 2003; SPARPOLITIK - Sparen - Sparen -Sparen

Der 7. und 8. Juli 2003 werden in die Geschichte des Landes Niedersachsen eingehen. An diesen beiden Tagen beriet das Kabinett den Haushalt des Jahres 2004, der mit einem Defizit von 4 Mrd. Euro aufgestellt war.

Der 7. und 8. Juli 2003 werden in die Geschichte des Landes Niedersachsen eingehen. An diesen beiden Tagen beriet das Kabinett den Haushalt des Jahres 2004, der mit einem Defizit von 4 Mrd. Euro aufgestellt war.

Dieses Defizit soll mit 2,55 Mrd. Euro durch Neuverschuldung und mit 1,45 Mrd. Euro durch Einsparungen in allen Ressorts erbracht werden. Einschneidende Maßnahmen sind besonders im Bereich des Ministeriums für Soziales beschlossen worden.

So sollen im Bereich der sozialpädagogischen Betreuung jugendlicher Straftäter Projekte bei häuslicher Gewalt, Frauenhäuser, Sachbetreuung von Drogenabhängigen, Förderung vorpflegerischer Maßnahmen, Bekämpfung von Aids usw. die Mittel in einer Größenordnung von mehr als 10 Mio. Euro gekürzt werden. Gerade diese Mittelkürzung wird dazu beitragen, dass Menschen, die jetzt nicht mehr von unserem sozialen Netz betreut werden, sich ihren Lebensunterhalt auf andere Weise "verdienen". Beschaffungskriminalität, Prostitution aber auch andere Deliktsbereiche werden in den statistischen Werten eine besondere Steigerung erleben. Und wir die Polizeibeschäftigten werden zuerst die Auswirkungen spüren. Die Belastungen steigen und die Innere Sicherheit wird dann vielleicht nur noch verwaltet, präventive Maßnahmen werden zwangsläufig zurückgefahren.

Der Innenminister sah sich in dieser Klausurtagung in Warberg nicht im Stande, die geforderten Millionen abzuliefern. Deshalb wurde der 15. Juli als Tag der Wahrheit im Kabinett festgelegt. Für diesen Tag wurde von der Regierung folgender Zeitplan festgelegt: 10.00 - 12.00 Kabinettsitzung mit entsprechender Beschlussfassung, 14.30 Information der Medien auf der Landespressekonferenz über die Beschlüsse durch den Finanzminister, erst um 16.30 Information der Vorsitzenden der Gewerkschaft und der Berufsverbände durch den Innenminister.

Gegen diese Missachtung der Gewerkschaften und den Bruch der Zusage des Ministerpräsidenten auf größtmögliche Offenheit und Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften hat Bernhard Witthaut bereits im Vorfeld des 15. Juli mehrfach protestiert.

Noch in Warberg hat der Ministerpräsident und der Finanzminister erklärt, dass für den Innenminister am 15. Juli Showdown sei und er bis dahin 17 Mio. Euro als Einsparsumme seines Ressorts noch erbringen müsste. Weder eine Beförderungssperre noch ein Eingriff in die zweigeteilte Laufbahn wollten Wulff und Möllring ausschließen.

Bis Freitagvormittag hatten wir noch keine Informationen über die Einsparpläne des Innenministers. Daher beschloss der geschäftsführende Landesbezirksvorstand am Freitagvormittag, am 15. Juli vor dem Gästehaus der Landesregierung - Tagungsort des Kabinetts - eine Demonstration durchzuführen. Am gleichen Tag wurden die Bezirks- und Kreisgruppen und unsere Kolleginnen und Kollegen zur Teilnahme an der Demonstration aufgerufen.
Trotz der Kurzfristigkeit und des Beginns der Ferien folgten ca. 400 Kolleginnen und Kollegen, zu großen Teilen in Uniform der GdP und kamen in die Lüerstraße. Dort haben wir gegen die Streichung des Urlaubsgeldes, die Kürzung des Weihnachtsgeldes sowie gegen die Kündigung der entsprechenden Tarifverträge protestiert. Unser Protest war auch als Unterstützung unseres Innenministers gedacht, der bis zu diesem Zeitpunkt immer noch kein komplettes Streichprogramm mittragen wollte.

Wie sich während der Landespressekonferenz und des Gesprächs beim Innenminister feststellen ließ, bleiben folgende polizeirelevante Positionen bis zur Landtagsentscheidung im Herbst als Beschluss der Landesregierung bestehen:
  • Wegfall des Bekleidungsgeldes gem § 224 Abs 2 NBG (Beamte im Kriminaldienst),
  • Globale Minderausgaben in Höhe von 1,5 Mio. Euro,
  • Einsparungen bei der allgemeinen Beschaffung 2,7 Mio. Euro,
  • Kürzung bzw. Wegfall des Weihnachts- und Urlaubsgeldes,
  • Leasing von Polizeifahrzeugen 3,0 Mio. Euro.

Nicht berührt werden, sowohl durch unseren Protest als auch durch die Position des Innenminister im Kabinett:
  • 250 geplante Neueinstellungen in 2004,
  • keine Einschränkungen bei der zweigeteilten Laufbahn (Umwandlungen bleiben in voller Höhe erhalten),
  • keine Beförderungssperre,
  • keine Einschränkung bei NIVADIS,
  • Erhalt des Schutzprogramms für Polizeibeamte (Schutzwesten usw.).

Wir sind sicher, dass auch durch den Einsatz unserer Kolleginnen und Kollegen vor und während der Kabinettsitzung weitere schmerzhafte Sparmaßnahmen für die Polizei verhindert wurden.
Jetzt sind das Niedersächsische Parlament, die Abgeordneten, gefordert, die unsozialen und unausgewogenen restlichen Sparmaßnahmen zu kippen.
Die GdP wird sie dabei unterstützen!
rf
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KOMMENTAR

Showdown ist am 15.07.2003, 10.30 Uhr ...



Mit diesen markigen Worten beendete Ministerpräsident Christian Wulff die Kabinettsklausur am 07./08. Juli 2003 auf der Burg Warberg in Richtung des Innenministers Uwe Schünemann, der nicht die erforderliche Einsparsumme von mehr als 29 Millionen Euro aus seinem Haus herausgequetscht hatte. Es fehlten beinahe 17 Millionen Euro. Wo sie her kommen sollen, wissen nur einige wenige Menschen in diesem Lande. Sie halten sich vermutlich im näheren Umfeld des Finanzministers auf.
Auch deshalb haben wir am 15.07.2003 unsere Demo vor dem Gästehaus der Landesregierung an der Lüerstraße angesetzt. Nicht der Innenminister mit seinem Ressort entscheidet über uns, sondern der Finanzminister und sein Finanzministerium und das, ohne uns zu beteiligen. Wir begleiten die Kabinettssitzung, um einerseits gegen die bisher verabschiedeten Sparbeschlüsse (die Streichung des Urlaubsgeldes und Kürzung des Weihnachtsgeldes in 2004 bringen 210 Millionen) zu protestieren und andererseits den Innenminister auf seinem Weg zu dem Duellplatz zu begleiten, denn anders kann ich die Ankündigung des MP Wulff nicht verstehen. Sind wir eigentlich im Wilden Westen oder ist das vielmehr ein gewisser Galgenhumor?
Ich halte diese Sparorgie für absolut falsch. Mehr als 109 Millionen Euro im Jahre 2003, mehr als 210 Millionen Euro im Jahre 2004 werden dem Wirtschaftskreislauf in Niedersachsen allein durch die Kürzungen des Weihnachtsgeldes und der Streichung des Urlaubsgeldes in 2004 entzogen. Auch wesentliche Bausteine in unserer Gesellschaft werden zertrümmert, die die Menschen zwingen, diesen Sozialstaat weiter auszubeuten bzw. sich auf anderen Wegen ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Spirale der Straftaten wird ein Indiz dafür sein. Und wir, die Polizei, werden die ersten sein, die die sozialen Einbrüche in unserer Gesellschaft erleben und ausbaden. Der gesellschaftliche Frieden wird mehr als nur gefährdet und immer wieder wird die Polizei einschreiten müssen. Hält unsere Gesellschaft das aus oder gerät sie nicht endgültig aus den Fugen, wenn die Gesundheitsreform und die übrigen jeden Tag aufs neue durch die Gazetten gejagten Reformen greifen?
Wir als Gewerkschaft der Polizei betrachten die Entwicklung mit großer Sorge. Deshalb versuchen wir alles, um die Vernunft wieder einkehren zu lassen. Langfristige Perspektiven müssen her auf deren Vereinbarungen wir uns alle verlassen können müssen. Das Vertrauen in die Politik muss wiederhergestellt werden. Es reicht nicht aus, wenn jetzt der schlaue Satz formuliert wird: „Es ist unvernünftig, 1,45 Milliarden Euro zu sparen, aber es ist vernünftig, dass wir sparen.“
Ich glaube dieses Ergebnis kann ich nur als Armutszeugnis einstufen......
Bernhard Witthaut
Landesbezirksvorsitzender

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