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Landesjournal Niedersachsen August 2017 - Leitartikel: Arbeitsbelastung bei der Polizei!

Hannover, Juli 2017.Das Thema „Arbeitsbelastung“ ist nicht neu, aber derzeit wieder höchst aktuell. Der Einsatz der 20 000 Kolleginnen und Kollegen beim G20-Gipfel in Hamburg verdient allergrößten Respekt. Alle, auch die ca. 2000 Kräfte aus Niedersachsen, haben bis zur Erschöpfung gearbeitet. Davon habe ich mir vor Ort zwei Tage lang selbst ein Bild gemacht und habe auch im Schanzenviertel Ausschreitungen beobachtet. Die Gewaltexzesse haben mich sehr erschüttert.

Für den Einsatz der niedersächsischen Beamtinnen und Beamten habe ich sofort gegenüber der Politik mindestens zwei Tage dienstfrei zusätzlich bzw. Sonderurlaub gefordert, um den Schlafmangel auszugleichen und die Zeit, die mit Kindern, der Familie und Partnern verpasst wurde, wenigstens ein bisschen nachzuholen. Dieser Forderung ist das niedersächsische Innenministerium nachgekommen und hat drei Tage Sonderurlaub gewährt. Den verletzten Polizistinnen und Polizisten wünschen wir von der GdP schnelle und gute Genesung. Außerdem gebührt den Polizeikräften, die in der Zwischenzeit mit reduziertem Personal die Arbeit in Niedersachsen gemacht haben, große Anerkennung.

Die GdP wird sich weiterhin für bessere Rahmenbedingungen, unter anderem für eine gerechtere Bewertung polizeilicher Arbeit, schnellere Beförderungen, die Erhöhung der Zahlung für Dienste zu ungünstigen Zeiten und die Wiedereinführung der Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) stark machen!

Unter dem Eindruck dieses Einsatzes in Hamburg ist auch ein Flyer von 2003, der mir bei der Recherche zu diesem Themenkomplex in die Hände gefallen ist, so aktuell wie nie zuvor.
Damals war ich Vorsitzender des Polizeihauptpersonalrates und alle niedersächsischen Polizeipersonalräte haben auf einer Tagung am 4. Dezember 2003 beschlossen, einen „Polizeilichen Notruf“ abzusetzen. Auch in der Presse wurde darüber berichtet:
„Personalräte schlagen Alarm – Polizeilicher Notruf
Am 4. Dezember 2003 haben die Personalvertretungen der Polizei, die rund 22 000 Beschäftigte vertreten, beschlossen, die verantwortlich handelnden Politiker in Niedersachsen in Form einer Protestnote aufzufordern, Information und Beteiligung ernst zu nehmen und die Belastung zu reduzieren.“

Was ist seitdem passiert? Damals regierte eine CDU/FDP-Landesregierung. Trotz eines geplanten 1000er- Verstärkungsprogramms – welches am Ende der Regierungszeit 2013 aber leider keine Verstärkung um 1000 Beschäftigte gebracht hat – ist die Belastung für die Polizeikräfte stetig gestiegen. Etliche Aufgaben sind hinzugekommen, die Arbeitsintensität hat zugenommen, Einsatzanlässe haben ebenso wie die Gewalt gegen die Polizei erheblich zugenommen, aber es wurde nicht mit ausreichend zusätzlichem Personal darauf reagiert.

Mehr Personal bis 2015 für Politik kein Thema

Die GdP hat dauerhaft darauf hingewiesen, sowohl bei der alten Landesregierung als auch bei der neuen aus SPD/Grünen, die seit 2013 in Niedersachsen die Verantwortung hat. Bis zu den Anschlägen in Paris im Januar und November 2015 und anschließend in Belgien, Nizza, der Türkei und letztlich in Deutschland mit mehreren Hundert Toten und Verletzten (darunter auch Polizeiangehörige) hieß es aber immer, dass die Haushaltskonsolidierung, „die Schwarze Null“ sowie die Schuldenbremse im Vordergrund stehen würden und die Polizei kein zusätzliches Personal benötige.


Diese Sichtweise war ein Trugschluss, und zwar auch vor den Anschlägen. Die öffentlichkeitswirksame und bundesweite GdP-Aktion „Wir brauchen Verstärkung“, die ab Ende 2015 in allen Bundesländern und somit auch in Niedersachsen an den Start ging, wurde bereits 2014 konzipiert, ohne Wissen der zusätzlichen Belastung durch den islamistischen Terrorismus. Schon ohne diese zusätzliche Aufgabe war die Arbeitsbelastung erheblich. Rund 16 000 Stellen im Vollzug, bei den Verwaltungsbeamten/- innen und Tarifbeschäftigten bei der Polizei wurden in den letzten Jahren bei den Ländern und im Bund abgebaut.
Mit dem Nachtragshaushalt 2015 haben die Landesregierung und die Regierungsfraktionen SPD und Grüne dann mit zusätzlichen Personaleinstellungen reagiert, ausreichend war das allerdings nicht. Auch die Opposition aus CDU und FDP hat Forderungen erhoben, die über die eingeleiteten und umgesetzten Maßnahmen der SPD und Grünen hinausgingen.
Derweil steigt die Belastung weiter, die Krankenquote nimmt zu. Erst kürzlich haben Personalräte und Berufsvertretungen aus der Polizeidirektion Lüneburg per öffentlicher Forderung die Politik und die Polizeiführung zum Handeln aufgefordert. Der dortige Polizeipräsident vertrat nach der Darstellung der Interessenvertretungen allerdings weiterhin die Auffassung, dass genug Personal vorhanden sei; offenbar auch eine Falscheinschätzung.

Arbeitsbelastung geht an die Substanz

Schlägt man bei Wikipedia nach, so kann man Folgendes lesen: „Nach DIN EN ISO 6385:2004, Grundsätze der Ergonomie für die Gestaltung von Arbeitssystemen, versteht man unter Arbeitsbelastung die ‚Gesamtheit der äußeren Bedingungen und Anforderungen im Arbeitssystem, die auf den physiologischen und/oder psychologischen Zustand einer Person einwirken‘. Belastungen wirken ausgehend von einer Situation auf den Menschen. Sie beanspruchen seine Ressourcen.“
Und beim Weiterlesen kann man entdecken, dass „… das ,Doping am Arbeitsplatz‘, also die deutliche Zunahme der Selbstmedikation am oder für den Arbeitsplatz, deutlich angestiegen ist. Etwa 400 000 bis 800 000 Betroffene werden als ‚echte Doper‘ angesehen. Nicht die absoluten Zahlen, aber die Entwicklung des Medikamentenmissbrauches sei besorgniserregend. Besonders betroffen seien Menschen, die in einer sehr deregulierten Arbeitssituation stecken – also alle, die sehr viele Überstunden machen, nachts arbeiten müssen oder anders stark beansprucht werden“.

Das trifft bei der Polizei allemal zu. Es ist also nicht verwunderlich, dass immer mehr Arbeit mit dem gleichen oder reduzierten Personal durchgeführt werden muss, was unweigerlich zu erhöhtem Arbeitsdruck und letztendlich zu Krankheiten führt.

Gesundheitsvorsorge: GdP schaut Parteien auf die Finger

In Deutschland ergibt sich aus dem Arbeitsschutzgesetz eine Pflicht des Arbeitgebers zur Gefährdungsbeurteilung von Arbeitsprozessen. Mit angemessener Prävention, Wirksamkeitskontrolle und Dokumentation ist sicherzustellen, dass Belastung durch Arbeit keine körperlichen und psychischen Schäden verursacht. Die Personalvertretungen sowie die Gewerkschafter der Polizei fordern die Dienststellen und die Politik auf, sich dieser Problematik intensiver anzunehmen. Neben dem von der GdP durchgesetzten Gesundheitsmanagement bei der Polizei ist aber die Verstärkung der Polizei in allen Bereichen unausweichlich.

Das GdP-Attraktivitätsprogramm mit der Überschrift „Richtungsweisend. Mit Sicherheit“, das wir auf der Landespressekonferenz am 9. Juni 2017 der Öffentlichkeit vorgestellt haben, spricht ganz konkret Notwendigkeiten an, die umgehend angegangen werden müssen, um die Belastung zu reduzieren und die Attraktivität innerhalb der Polizei zu verbessern – am besten mit einem Nachtragshaushalt schon in diesem Jahr.

Die GdP wird sehr genau darauf achten, welche Parteien im Vorfeld der Landtagswahlen am 14. Januar 2018 diese wichtigen und richtigen Forderungen in ihre Wahl- und Parteiprogramme mit aufnehmen.

Dietmar Schilff, Landesvorsitzender


Weitere Informationen:

  • Pressemitteilung zum GdP-Attraktivitätsprogramm 2018 - 2022 anlässlich der Landespressekonferenz am 09.06.2017 mehr >>>
  • Leitartikel aus DEUTSCHE POLIZEI, LandesJournal Niedersachsen Ausgabe 7/2017 zum GdP-Attraktivitätsprogramm 2018 - 2022 mehr >>>
  • Themenseite GdP-Attraktivitätsprogramm >>>



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