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Landesjournal Niedersachsen Oktober 2018 - Leitartikel -NPOG - öffentliche Sicherheit und Garantie von Freiheitsrechten

Hannover, 26.09.2018. Der Entwurf für das neue Gefahrenabwehrgesetz für Niedersachsen, der derzeit in den Gremien des Landes beraten wird, hat hohe Wellen geschlagen: Unter dem Hashtag „noNPOG“ haben die Gegnerinnen und Gegner des „Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz“ - wie es heißen soll - mobil gemacht und zu Gegendemonstrationen aufgerufen. Am 8. September 2018 demonstrierten nach Polizeiangaben rund 8.300 Menschen in Hannover friedlich gegen das NPOG. Neben FDP und Grünen waren unterschiedlichste Organisationen und Interessengruppen - auch Fangruppierungen von Fußballvereinen - auf die Straße gegangen.

Die GdP sieht neben vielen begrüßenswerten Änderungen und Ergänzungen in einigen Bereichen noch Verbesserungsbedarf. Das haben wir am 9. August 2018 bei der Anhörung zum NPOG im Innenausschuss auch deutlich gemacht.


GdP-Landesvorsitzender Dietmar Schilff. Foto: GdP

Es ist eine Gratwanderung, die das NPOG vollziehen muss: Es gilt, Handlungs- und Rechtssicherheit für Polizei und Ordnungsbehörden herzustellen und gleichzeitig die Vorgaben des Datenschutzes und der Verfassung einzuhalten. Es muss also zwischen dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und den Grund- und Freiheitsrechten jedes Einzelnen abgewogen werden. Ebenso muss die Nutzung technischer Mittel (Videoüberwachung, Bodycams) verfassungsrechtlich abgesichert sein. Hier äußern zum Beispiel auch Datenschützerinnen und Datenschützer Bedenken.

Eigenständige Regelungen für bewährte Maßnahmen
Der Name des Gesetzes macht deutlich, dass nicht nur die Polizei, sondern auch die Ordnungsbehörden für die öffentliche Sicherheit in Niedersachsen zuständig sind. Wir begrüßen insbesondere, dass einzelne Maßnahmen, die sich im Zuge der Gefahrenabwehr bewährt haben, nun in eigenständigen Regelungen verankert werden (Gefährderansprache, Meldeauflage, Wegweisung, Aufenthalts- und Kontaktverbot). Diese Normen werden jetzt einzeln und klarer geregelt, was zu mehr Rechtssicherheit führt.
Die Gegnerinnen und Gegner, die kritisieren, dass der Polizei im Vorfeld einer Straftat Handlungsmöglichkeiten eingeräumt werden, verkennen den Sinn und Zweck der Gefahrenabwehr in Form präventiver Maßnahmen im Vergleich zum Strafrecht in Form repressiver Maßnahmen. Es gehört zu den originären Aufgaben der Polizei, Gefahren einzuschätzen und Straftaten zu verhindern. Insofern spielt sich das ganze Gesetz grundsätzlich „im Vorfeld“ ab, es kann also per se nur präventiv sein.

Sachlichkeit wahren!
Leider ist es so, dass Begrifflichkeiten und Positionen verwendet werden, die es an Sachlichkeit vermissen lassen und zu Unrecht emotionalisieren. So haben die Grünen im Niedersächsischen Landtag zum Beispiel getwittert (zwischenzeitlich gelöscht), dass mit dem NPOG „[…] Bürgerrechte unter den Tisch fallen. Niedersachsen läuft Gefahr, zu einem Polizeistaat zu werden!“ Andere konstatieren, dass „Die Polizei auf dem Weg von der Strafverfolgungsbehörde zum präventiven Verfolgungs- und Repressionsapparat für ‚Gedankenverbrecher‘“ sei.

Etliche haben sich mit dem Gesetzentwurf offenkundig nicht einmal auseinandergesetzt und beachten auch keine sachlichen Darstellungen, sonst könnten irrwitzige Statements, wie „Wir haben keinen Bock auf Elektrotaser auf Großveranstaltungen“, wie von Fußballgruppierungen öffentlich gemacht, nicht zustande kommen. Durch solche „Fakenews“ werden Menschen vorsätzlich in die Irre geführt und emotionalisiert.
Andere, wie die Göttinger Rechtsanwälte Kahlen und Adam, sprechen auf öffentlichen Veranstaltungen davon, dass die Polizisten mit diesem Gesetz „nach Willkür und eigenem Ermessen zu viel entscheiden können.“ (Salzgitter-Zeitung vom 04.09.18).

Ein zentraler Kritikpunkt am NPOG ist die Möglichkeit, zur Verhinderung von terroristischen Straftaten bis zu 74 Tagen Präventivgewahrsam zu verhängen, wofür insgesamt drei richterliche Entscheidungen notwendig sind (30+30+14 Tage). Auch hier wird oftmals wegelassen, für welche Personen diese Präventivhaft erfolgen soll und dass diese unter Richtervorbehalt steht. Hier gibt es offensichtlich verfassungsrechtliche Bedenken von Oppositionsseite, die schon eine Prüfung durch Gerichte in den Raum gestellt hat. Die GdP hat in ihrer Stellungnahme angeführt, dass geklärt werden muss, auf welche Weise der „Präventivgewahrsam“ ‑ rein praktisch ‑ umgesetzt werden soll, da die zurzeit dafür genutzten Gewahrsamseinrichtungen der Polizei jedenfalls nicht darauf ausgelegt sind.

Die geplante Einführung einer Rechtsgrundlage für den Einsatz von sogenannten Bodycams entspricht der Forderung der GdP. Es erschließt sich uns allerdings nicht, warum in „nicht öffentlichen Räumen“ die Aufzeichnung verboten sein soll. Wenn eine Situation einen gewalttätigen Verlauf zu nehmen droht beziehungsweise eine gewalttätige Eskalation möglich erscheint und Leib und Leben von Polizeibeamtinnen und -beamten oder Dritten in Gefahr sind, müssen Ton- und Bildaufnahmen auch in nicht öffentlichen Räumen eingesetzt werden dürfen.

Wir begrüßen zudem die Rechtsgrundlage für den Einsatz elektronischer Fußfesseln. Es sollte jedoch immer wieder wiederholt werden, dass sich Straftaten durch deren Anwendung niemals sicher verhindern lassen. Hier sollte durchaus überlegt werden, den Richtervorbehalt einzuführen, der derzeit im Gesetzesentwurf nicht vorgesehen ist.

Bei der rechtlichen Verankerung zur Nutzung von Distanzelektroimpulsgeräten (DEIG) sowie bei der vorgesehenen Überprüfung der Einsatzmöglichkeiten, sehen wir noch Bedarf bei der waffenrechtlichen Bewertung und plädieren für eine Sonderstellung zwischen Waffe und Hilfsmittel der körperlichen Gewalt. Derzeit ist seitens des Innenministeriums nicht geplant, das DEIG über die bestehende Nutzung durch das SEK für andere Dienstbereiche anzuschaffen.

Als GdP sind wir also weitgehend einverstanden mit dem Entwurf des NPOG. Die Rot-Schwarze Landesregierung hat den Entwurf eingebracht, sodass eine Verabschiedung noch in diesem Jahr möglich erscheint.
Die Gegnerinnen und Gegner haben am 8. September 2018 in Hannover demonstriert, teilweise mit beleidigenden Schildern, Sprüchen und Gesängen gegen die Polizei. Die Grünen gingen hinter einem Banner „Freiheit statt Polizeistaat“. Bis zur Verabschiedung des Gesetzes wird sicherlich weiter diskutiert und es sollen wohl auch noch Demonstrationen folgen. Diskussionen sind sinnvoll, so wie es auch bei Gesetzesnovellierungen in anderen Bundesländern der Fall war, aber nach der dreitägigen Anhörung durch den Innenausschuss, bei der unterschiedlichste Organisationen, Verbände, Vereine, Datenschützer sowie Polizeifachleute zu Worte kamen und nach der kritischen Betrachtung durch den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages, ist es dann auch Zeit für die Neuregelungen und die Angleichung an Bundesrecht, um der veränderten Sicherheitslage, insbesondere der Gefahr durch den islamistischen Terrorismus, mit Handlungs- und Rechtssicherheit noch besser begegnen zu können.

Dietmar Schilff, Landesvorsitzender

Bei der Einsatzlage anlässlich der Demonstration gegen das NPOG am 8. September 2018 in Hannover war die GdP wieder mit einem Team zur Einsatzbetreuung vor Ort. Bei den Einsatzkräften kam diese Aktion sehr gut an. Foto: GdP

 

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