Zum Inhalt wechseln

Landesjournal Niedersachsen November 2004 - DER PROTEST GEHT WEITER: 5.500 vor Niedersächsischem Landtag

Am 15. September haben erneut die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Niedersachsen gegen die einseitige und unsoziale Sparpolitik der Niedersächsischen Landesregierung protestiert. Zur gemeinsamen Demonstration von ver.di, GEW und GdP kamen mehr Teilnehmer als erwartet. Die GdP war mit über 1.000 Demonstranten dabei!

Sternmarsch durch Hannover

GEW, GdP und ver.di hatten für die Teilnahme an dieser Demonstration landesweit geworben und mobilisiert. Entsprechend kamen auch aus ganz Niedersachsen die Teilnehmer.
Über 60 Busse haben unsere für uns anwesenden Einsatzkräfte der PD Hannover und der Bepo Hannover gezählt. In einem Sternmarsch, der in drei Zügen durch Hannover führte und an dem sich Kolleginnen und Kollegen aus allen Bereichen des öffentlichen Dienstes beteiligten, wurden dann bereits über 5.000 Teilnehmer gezählt.
Die GdP-Kolleginnen und –Kollegen trafen sich am Georgsplatz und zogen nach einer kurzen Begrüßung und Ansprache von Bernhard Witthaut in einer langen Demonstrationskolonne durch die Innenstadt von Hannover bis vor das Wirtschaftsministerium gegenüber dem Landtag. Wie immer, wenn uniformierte Polizisten demonstrieren, gab es erstaunte und fragende Gesichter bei den Passanten. Die GdP hatte Handzettel verteilt, auf dem kurz und knapp die Gründe des Protestes beschrieben waren:

Streichung des Weihnachtsgeldes
Streichung des Urlaubsgeldes
Kündigung der Arbeits-zeitverträge
Streichung von Stellen in der Polizeiverwaltung
Keine Weiterbeschäftigung von Zeitarbeitnehmer/innen
Drohung mit betriebsbedingten Kündigungen
Abschaffung der zweigeteilten Laufbahn bei der Polizei

Jedes Jahr neue Sparbeschlüsse gegen die Beschäftigten

Diese, zum Teil vom Kabinett schon am 29. und 30.06.2004 anlässlich einer Klausurtagung beschlossenen 1) Grausamkeiten gegen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und damit auch wieder gegen Polizeibeschäftigte und Pensionäre, sind nur zusätzliche Schritte auf die schon vollzogenen Kürzungen dieser Landesregierung aus den Jahren 2003/2004.

Trotz heftiger Kritik und Proteste setzt damit die Landesregierung ihre Haushaltskonsolidierung auf Kosten der Beschäftigten fort. Die teilweise schriftlich gemachten Zusagen und Versprechen vor den Landtagswahlen sind unter den Herren Wulff und Möllring nur noch Makulatur. Die gebetsmühlenartig vorgebrachte Begründung, dass diese Landesregierung nicht wissen konnte, wie desolat die Haushaltslage in Niedersachsen ist, kann getrost in der Rubrik „lahme Ausrede“ abgelegt werden. Oder konnten die haushaltspolitisch Verantwortlichen dieser Regierung die Haushaltspläne ihrer Vorgänger nicht lesen und nachvollziehen? Jeder Zeitungskommentator hat lange vor der Landtagswahl auf die niedersächsische Schuldenfalle hingewiesen. Und ausgerechnet der heutige Supersparminister hatte keine Ahnung? – Alles Ausreden, alles Märchen.

Öffentliches Dienstrecht 2004 – wie unter absoluten Monarchen

Wie diese Landesregierung mit ihren Beschäftigten umspringt, ist nicht zu beschreiben. Oder doch? Ein Plakat auf der Demonstration brachte es auf den Punkt: „Wir halten den Arsch nicht hin, damit er getreten werden kann!“. Offensichtlich glaubt diese Landesregierung, genau das ungestraft tun zu können. Ihr ist die Motivation ihrer Beschäftigten offensichtlich gleichgültig. Es wird alles auf dem Altar der Sparpolitik geopfert!

Hinter der freundlich lächelnden Maske: blanker Zynismus

Die bisherigen Proteste der Gewerkschaften, erstmals auch gemeinsam GdP, DPolG und BDK, gegen die immer einschneidendere Sparpolitik gegen die Beschäftigten verleitete Herrn Möllring zu zwei entlarvenden Aussagen zu den Protesten:

•„So etwas muss eine Gewerkschaft hin und wieder machen, so wie Schützenvereine jedes Jahr Schützenfeste feiern müssen.“

und nach dem 15.09.04 gegenüber dem NDR:

•„Wir hatten schon größere Demonstrationen.“

Resignation, Wut, Frust usw., ausgetragen im täglichen Dienst, könnte und wird gerade in der Polizei auf Dauer mehr Schaden und Wirkungen auf die innere Sicherheit haben als eine einmalige Demonstration von 10 oder 20.000 Menschen. Die Verantwortlichen können bereits heute namentlich von jedem bezeichnet werden.

Vor dem Wirtschaftsministerium fand nach dem Sternmarsch die Abschlusskundgebung statt. Die verantwortlichen Veranstalter waren von der großen Teilnehmerzahl selbst überrascht. Mit 5.500 Kolleginnen und Kollegen der Feuerwehr, Krankenpfleger, Erziehern, Lehrern, Polizisten und vielen anderen Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes, waren auch die Beschäftigten vieler Landesdienststellen, aber auch aus dem Bereich der Kirchen, dem Aufruf ihrer Gewerkschaften gefolgt.

Drei Vorsitzende, drei Reden und drei klare, unmissverständliche Aussagen

Die Landesvorsitzenden der drei Gewerkschaften ver.di, GEW und GdP wandten sich in ihren Reden gegen die Sparbeschlüsse der Landesregierung und ihre blinde Übernahme in den Mehrheitsfraktionen des Landtages. Sie gingen aber auch auf die Kürzung im Bildungsbereich ein, die die Zukunftschancen unseres Landes weit hinter den Durchschnitt der anderen Bundesländer zurückwirft. Da kann auch eine medienwirksam vorgetragene Kündigung der Kultusminister-Konferenz nicht ablenken. Die Einschnitte in den Sozialbereich, die in Niedersachsen die Ärmsten der Armen treffen, war genauso Thema. Aber auch hier handelt dieser Ministerpräsident nach dem Motto: Dieses Klientel hat mich und meine Partei sowieso noch nie gewählt, also kürze ich bei ihnen besonders rigoros.

Bernhard Witthaut ging in seiner Rede 2) auf das Innenverhältnis dieser Regierung zu den Beschäftigten der Polizei ein. Mehrfach konnte er dem Ministerpräsidenten und seiner Regierung Wortbruch und im übertragenen Sinne sogar Betrug nachweisen.

Brandherd Niedersachsen

In Niedersachsen ist durch diese Landesregierung ein Brand gelegt worden, der sich über unsere Grenzen hinweg ausdehnen kann und wird. 3) Darauf setzen die Herren Möllring und Wulff, denn sie wissen, dass ihnen andere Finanzminister und Ministerpräsidenten gespannt zuschauen. Wenn in Niedersachsen die Härte gegen die Beschäftigten durchgehalten und umgesetzt wird, dann werden auch andere Bundesländer nachziehen. Dieses ist keine Frage des Wenn und Wie, sondern allein eine Frage der Wahlarithmetik. Schmerzen müssen in den ersten zwei Jahren nach der Wahl verabreicht werden, damit sie in den darauf folgenden Monaten langsam vergessen werden. Kurz vor der Wahl können wieder einige Trostpflaster verteilt und Versprechen gemacht werden, die von vornherein nicht beabsichtigt sind, eingehalten zu werden. Das dumme Wahlvolk wird es schon nicht merken.
Dieses Denken schadet diesem Land, seiner Bevölkerung, der inneren Sicherheit und den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Die Abgehobenheit einer Regierung, die sich kaum je so deutlich gezeigt hat wie in den letzten zwei Jahren, zeigt, dass Demokratie nur noch am Wahltag erwünscht ist. Dann kann man fünf Jahre nach Gutsherrenart regieren. Dieses „demokratische“ Verständnis funktioniert jedoch nicht so, wie es sich manche Politiker vorstellen. Die Wahlen in Sachsen und Brandenburg haben dies deutlich aufgezeigt. Die Wahlbeteiligung geht dort noch weiter in den Keller und die rechtsradikalen Parteien feierten fröhliche Widerauferstehung. Dies kann doch nicht ernsthaft gewollt sein – und trotzdem: Lehren werden aus diesen bitteren Quittungen nicht gezogen.

Die Bewertung der Polizei – ein hohes Gut, das verteidigt werden muss

Wir haben gerade in Niedersachsen mehr als 10 Jahre für eine gerechte Bewertung des Polizeidienstes geworben und gekämpft. 1992 war es soweit. Mit Unterstützung aller im Parlament vertretenen Parteien wurde die zweigeteilte Laufbahn verwirklicht. 2005 sollte sie vollendet sein. Ein großer Schritt zu einer gerechteren Bewertung des Polizeiberufes war erreicht.

Nach den derzeitigen Plänen der Landesregierung wird die zweigeteilte Laufbahn 2005 nicht vollendet. Im Gegenteil! Der Innenminister hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die noch in diesem Jahr Vorschläge erarbeiten soll, wie wieder im mittleren Dienst eingestellt werden kann und wie sich die Aus- und Fortbildung bündeln lässt, kurz, wie die zweigeteilte Laufbahn am geräuschlosesten beerdigt werden kann.

Wenn diese Landesregierung ihre Pläne mit ihrer Mehrheit im Landtag umsetzt und glaubt, dann hätte es sich, so unterliegt sie einem fatalen Irrtum. Resignation im Bereich der Polizei wird sich unmittelbar auf die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger auswirken.
Sie wird zu einem Rückgang der Aufklärungsquote führen, zur inneren Kündigung, mehr Krankmeldungen und dem ganzen bekannten Repertoire, über den auch Arbeitnehmer in der Polizei verfügen.
Warum sollen unsere Kolleginnen und Kollegen eigentlich einseitig ihre mit dem Land abgeschlossenen Verträge, Eide usw. erfüllen, wenn das gleiche Land seine Zusagen nicht einhält?! Oder kann diese Regierung einen CASTOR-Transport sicher in das Zwischenlager bringen? Unsere Kolleginnen und Kollegen können dieses – immer noch!
Wann begreift es diese Regierung endlich? Wir werden unsere Proteste fortsetzen, denn: Unsere Arbeit ist Mehr-Wert!
r. f.
Fußnoten:
1) Klausurtagung der Landesregierung am 29./30.06.2004 im Akzent Hotel Heide Kröpke in Essel, OT Ostenholzer Moor , Samtgemeinde Schwarmstedt

2) Die Rede von Bernhard Witthaut ist auf unserer Website unter dem Datum 16.09.2004 mit dem Titel „Protest vor dem Landtag“ eingestellt

3) Vgl. Bericht von Bernhard Witthaut: „Brandherd Niedersachsen, der Flächenbrand greift über: Hauptsache sparen - koste es, was es wolle“, Leitartikel DP 10/2004 Bundesteil, Titel und Seite 6ff.



Widerstand 2004: Die Protestreihe ebbt nicht ab
Der heiße Herbst 2003 mit zahlreichen Protesten (Aktion „Rote Karte“ gegen den Sozialabbau bei der Polizei(www.gdp.de/gdp/gdpcms.nsf/id/RotKart?open) reichte noch nicht. Die Landesregierung betrieb und betreibt weiter ihre knallharte Demontagepolitik im Haushalt, in der Tarifpolitik und im Beamtenrecht in 2004 und für 2005. Also machten wir als GdP weiter Ernst.
Der Widerstand 2004 lief im Frühjahr an. Hier die bisherige Chronik:
26.03.2004: Protest in Hannover gegen die Kündigung des Arbeitszeit-Tarifvertrages durch die TdL (DP LandesJournal 5/2004, Seite 2f)
29./30.06.2004: Auch in Essel zur Klausurtagung der Regierung war der Protest präsent. Etwa 250 Beschäftigte der Landesverwaltung protestierten gegen den drohenden Wegfall des Weihnachtsgeldes und die Einführung der 42-Stunden-Woche. Auftrag an die Polizei: Objekt- und Personenschutz für die Regenten.
06.08.2004: Protestaktion „Motivationskiste“ in Hannover (DP LandesJournal 9/2004, Seite 1ff)
21.08.2004: landesweite Protestaktionen in den Fußgänger- und Einkaufszonen u.a. in Gifhorn, Wolfsburg und Peine (Gemeinsam GdP, DpolG, BDK)
24.08.2004: Protestaktion „Schweigespalier“ beim CDU-Sommerfest in Hannover (DP LandesJournal 10/2004, Seite 1ff)
27.08.2004: Protestaktion „Weihnachtsgeschenk“ beim CDU-Landesparteitag in Hannover (DP LandesJournal 10/2004, Seite 1ff)
07.09.2004: Protestaktion in Lüneburg (DPolG mit Teilnahme GdP)
08.09.2004: Protest mit 600 Teilnehmenden auf dem Osnabrücker Marktplatz (DPolG mit Teilnahme GdP) 13.09.2004: Protestaktion in Oldenburg auf den Rathausplatz (DPolG mit Teilnahme GdP)
14.09.2004: Protestaktion in Hannover (DPolG mit Teilnahme GdP)
15.09.2004: Protestaktion ver.di, GEW und GdP „5.500 vor Niedersächsischem Landtag“ (s.o.)
01.11.2004: Die nächste Protestaktion fand inzwischen in Hannover (nach Redaktionsschluss) statt. Anlässlich der Amtseinführung der Polizeipräsidenten wurde erneut gegen „die Sanierung auf dem Rücken der Polizeibeschäftigten“ protestiert. GdP, DPolG und BDK demonstrierten am Eingang der ZPD Hannover mit ihrer vierten gemeinsamen Aktion, die sich gegen weitere Kürzungen bei Urlaubs- / Weihnachtsgeld und gegen Entlassungen von Tarifbeschäftigten richtete und für gerechte Bewertung in der Polizei und den Erhalt der zweigeteilten Laufbahn stritt.
Red.
Mal verzweifelt, mal sarkastisch – Transparente dokumentieren die Fantasie der Protestierenden

„Lebst Du noch oder kürzen sie Dich schon?“

„Nach der Kürzung ist vor der Kürzung!“

„Polizeiwache 2004 – bitte ziehen Sie eine Wartemarke!“

„Wir trauern um unsere am 'sicheren Arbeitsplatz' getöteten Kolleginnen und Kollegen...“

„Ich habe Freude an meinem Beruf – aber er hat sich in den letzten 70 Jahren geändert“

„Schluss mit Besoldung nach Haushaltslage“

„Ich habe die Schnauze voll“

„Vom Streifenwagen direkt ins Altersheim – oder gleich Dienst bis zum Krepieren?“

„Beamte im SSV“

„Widerstand wird zur Pflicht, wo Unrecht zur Regel wird“

„Erst Land, dann Bund. Nicht mit uns - jetzt geht es rund!“

„Weihnachten 2004: Keine Kerzen! Keine Kekse! ... Und am Abend erzähle ich meinen Kindern die Geschichte vom bösen Wulff“
Red.

Falls Sie einen Leserbrief zu einem Artikel in DEUTSCHE POLIZEI schreiben möchten, klicken Sie bitte auf das jeweilige Mail-Zeichen.
Bitte vergessen Sie nicht, den Artikel zu nennen, zu dem Sie sich äußern möchten.
.
Zu einem Artikel des LandesJournals Niedersachsen:Zu einem Artikel des Bundesteils:
.
redaktion@gdpniedersachsen.de
.
.
leserbrief-dp@gdp-online.de
.
..
.
.
.
This link is for the Robots and should not be seen.