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WSP aktuell vom 27.11.2009

Die Leitstelle der Wasserschutzpolizei in Cuxhaven - ein Modell mit Zukunft?

Cuxhaven.

Am 25. Oktober 1998 lief vor der Insel Amrum der Holzfrachter „Pallas“ auf Grund und verlor in stürmischer See ca. 90 Tonnen Schweröl, die einen erheblichen Schaden für die Umwelt verursachten. Bei der Aufarbeitung dieses Schiffsunglücks wurde in mehreren Untersuchungskommissionen versucht, die vielfach umstrittenen Angaben zum Hergang und Umfang der Havarie zu klären. Nach dem Unglück begannen intensive Diskussionen über die Sicherheit der Schifffahrt in der Nordsee und anderen Gewässern.

Die mangelnde Koordination der Sicherheitskräfte wurde ebenso kritisiert wie allgemein unzureichende Sicherheitsrichtlinien, insbesondere für den Schiffsverkehr im sensiblen Ökosystem des Wattenmeeres. Dabei war den gefertigten Stellungnahmen zu entnehmen, dass die Regelungen des Grundgesetzes zu den Zuständigkeiten im Katastrophenschutz auf See erschwerende Wirkung auf die Koordination des Hilfseinsatzes hatten.

2003: Gründung des Havariekommandos

Als Konsequenz aus diesem Unglück wurde in 2003 das Havariekommando gegründet. Dieses sollte als Bund-Länder- Einrichtung ein gemeinsames Unfallmanagement auf Nord- und Ostsee ermöglichen.

2007: operativer Betriebsstart des GLZ-See im MSZ

Vor dem Hintergrund der Terroranschläge am 11. September 2001 wurde zur Verbesserung der Zusammenarbeit der maritimen Sicherheitsbehörden im September 2005 eine Verwaltungsvereinbarung über die Einrichtung eines Maritimen Sicherheitszentrums (MSZ) zwischen dem Bund und den fünf Küstenländern Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein unterzeichnet.

Seit Anfang 2007 arbeitet das Gemeinsame Lagezentrum See (GLZ-See) als operativer Kern des MSZ.

GdP-Interview in Cuxhaven

Am 02.10.2009 war die GdP zu Gast in Cuxhaven. Als Partner für ein Interview stand Erster Polizeihauptkommissar Hartmut Neumann zur Verfügung. Mit ihm sprach Michael Kock, Bezirksgruppe ZPD.

GdP: Herr Neumann, in der Presse wird teils vom Maritimen Sicherheitszentrum, teils vom GLZ-See geschrieben. Wie ist denn die richtige Bezeichnung Ihrer Dienststelle?

Neumann: Für den Bereich Polizei ist die richtige Bezeichnung "WSP-Leitstelle ". Als Wasserschutzpolizei sind wir ein Teil des GLZ-See, das wiederum den operativen Kern des MSZ darstellt. Nach einem roulierenden System entsenden alle fünf Küstenländer zwei bzw. drei Beamte zur WSP-Leitstelle. Die Mitarbeiter versehen im Schichtdienst mit einem Kommissar vom Lagedienst sowie einem Sachbearbeiter Lage und Einsatz rund um die Uhr Dienst. Da die WSP-Leitstelle eine Organisationseinheit der Wasserschutzpolizei Niedersachsen ist, wird von dort auch der Leiter der Leitstelle gestellt.

GdP: Sie arbeiten alle zusammen in einem Großraumbüro. Verträgt man sich - bei so unterschiedlichen Aufgaben?

Neumann: Trotz unterschiedlicher Aufgaben haben wir viele Gemeinsamkeiten und Schnittstellen. Das reicht von der Einsatzkoordinierung für die Führungs- und Einsatzmittel der beteiligten Küstenländer über Analyse, Bewertung und Steuerung von Informationen im Bereich der maritimen Sicherheit bis zur Lagebilderstellung. Gerade die Bündelung der Aufgaben hier im GLZ-See führt zu einer schnellen und effektiven Abarbeitung von Lagen.

GdP: Haben Sie ein Beispiel dafür?

Neumann: Da kann ich Ihnen einen Einsatz vom November 2008 in der Elbmündung nennen:
Gegen 15:00 Uhr wird von einem seewärts gehenden Massengutfrachter "Mann über Bord" gemeldet. Die sachlich zuständige WSP fährt mit dem Küstenboot „Bürgermeister Brauer“ zu dem lebensrettenden Einsatz. Bereits auf der Anfahrt läuft eine zweite Meldung auf: "Gewässerverunreinigung in der Elbmündung". Hierfür ist die WSP Cuxhaven ebenfalls sachlich und örtlich zuständig. Was tun? Nach Abstimmung mit der WSP Cuxhaven wird folgendes veranlasst:
Ein günstiger stehendes Boot der Bundespolizei fährt zum weiter seewärts gehenden Frachter, von dem der Seemann außenbords gefallen war.
Das Gewässerschutzschiff "Neuwerk" fährt zur Gewässerverunreinigung und entnimmt Proben, während die "Bürgermeister Brauer" zum tatverdächtigen Schiff fährt.
Die für Seenotrettung zuständige Leitstelle in Bremen (MRCC) und das Havariekommando werden verständigt. Der Seenotrettungskreuzer "Hermann Helms" wird entsandt.
Nur durch das permanent geführte Lagebild im GLZ-See konnten sehr schnell beide Sachverhalte durch lagegerechte Einbindung der Partnerbehörden im Rahmen der Amtshilfe optimal abgearbeitet werden.
Ergebnis: Person gerettet – Übergabe an Notarzt auf Seenotrettungskreuzer „Hermann Helms“ – Verbringung ins Krankenhaus, Ermittlung des tatverdächtigen Schiffes - Sicherheitsleistung bei Gewässerverunreinigung rd. 8500,- Euro.



Abbildung 2: Frühbesprechung im GLZ-See Fotos: Hartmut Neumann


Abbildung 3: Arbeitsplatz im GLZ-See

GdP: Welche Gewässer werden in Ihrem Lagebild berücksichtigt?

Neumann: Wir beobachten die Hoheitsgewässer der Nord- und Ostsee sowie die Seeschifffahrtsstraßen Elbe (mit Ausnahme des Delegationsgebietes Hamburgs), Nord-Ostsee-Kanal, Trave, Warnow, Weser und Ems.
Dazu können wir uns weltweit die aktuelle Position jedes Schiffes und seinen bisherigen Kurs darstellen lassen. So können wir insbesondere auch die Dienststellen vor Ort bei Ermittlungen, wie eben bei der Gewässerverunreinigung in der Elbmündung, unterstützen.

GdP: Könnten Sie vor dem Hintergrund der zunehmenden Pirateriefälle vor Somalia im Golf von Aden auch Positionen von entführten Handelsschiffen ermitteln?

Neumann: Bei Piratenüberfällen auf deutsche Handelsschiffe nimmt die WSP-Leitstelle für die Küstenländer nach einem abgestimmten Konzept die notwendigen Informationssteuerungen wahr. Wenn deutsche Interessen berührt sind, werden regelmäßig die Landeskriminalämter bzw. das Bundeskriminalamt beteiligt. Die WSP-Leitstelle berät und unterstützt die jeweilige BAO. Dabei sind natürlich auch Angaben zu den Schiffen relevant.

GdP: Das MSZ stand zeitweise in der Kritik. Der maritime Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Hans-Michael Goldmann, sprach von einem Kompetenz-Wirrwarr und plädierte für die Einführung einer nationalen Küstenwache. Ist diese Kritik mit Ihren bisherigen Erfahrungen heute noch berechtigt?

Neumann: Sowohl MSZ als auch GLZ-See sind optimal zugeschnitten auf unsere von der Verfassung vorgegebene föderale Struktur, d.h. alle gesetzlichen Zuständigkeiten und damit auch Fachkompetenzen bleiben erhalten und werden in Cuxhaven gebündelt.
Mit dem Maritimen Sicherheitszentrum wurde eine Einrichtung geschaffen, die hinsichtlich der vernetzten Aufgabenbandbreite, Kompetenzbündelung und Funktionalität über die im europäischen Vergleich bestehenden sogenannten Küstenwachen weit hinausgeht.
Die Innenminister der norddeutschen Küstenländer vertraten im November 2008 in Bremen die Auffassung, dass "den sicherheitspolitischen Herausforderungen auf See - einschließlich der Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus und des Klimawandels - mit Hilfe des im Maritimen Sicherheitszentrum optimierten Behördennetzwerks und verstärkter Verwaltungskooperation gut begegnet werden kann". Sie fügten hinzu, dass es keiner Änderung der verfassungsrechtlichen Grundlagen bedürfe.



Dienstgebäude des GLZ-See, Polizeiboot „Bürgermeister Brauer“, Schadstoffunfallbekämpfungsschiff „Neuwerk“

MK

(Upd. 27.02.2010)

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