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BG Göttingen

Polizei als Werkzeug der Politik?

GdP bei Diskussionsrunde im Rathaus Bad Pyrmont

Bad Pyrmont.

Der Pyrmonter Arbeitskreis zum Gedenken an die Befreiung des KZ Auschwitz hatte am 27.01.2014 in das Rathaus Bad Pyrmont geladen, um im Rahmen der Ausstellung "Ordnung und Vernichtung - die Polizei im NS-Staat" eine aktuelle Polizeidiskussion zu führen.

Klaus Titze als Sprecher des Arbeitskreises begrüßte die ca. 70 Gäste im gut
gefüllten Sitzungssaal und verwies auf die Veranstaltungstradition. Nach der
Betrachtung der Rolle der Kirche und der Mediziner hätten sich die lokal
Verantwortlichen in diesem Jahr mit der Ausstellung der Polizei deren
Geschichtsaufarbeitung gewidmet.
Mit der Diskussionsrunde sollte nun der Transfer in die Gegenwart und die
Frage: "Was wäre wenn?" behandelt werden. Daher der provokante Titel: "Polizei
als Werkzeug der Politik?" oder anders ausgedrückt: „Wie rechtsstaatlich
gesichert und selbstbewusst ist die Polizei heute?“

Dazu waren als Gesprächspartner geladen:
a) Herr Seltmann, Amnesty International: "Polizei Macht Menschen Rechte" oder
"Menschenrechtsbildung ist für die Polizei nicht alles, aber ohne ist alles
nichts"
b) Klaus Dierker, GdP Nds: "Gewerkschaften sind die Eckpfeiler einer
demokratischen Polizei"
c) Herr Wüppesahl, BAG kritische Polizisten: "Die Polizei braucht kritische
Stimmen, wenn andere Organisationen verstummen"
d) Landespolizeipräsident Knut Lindenau: "Die moderne Bürgerpolizei ist fest im
demokratischen Rechtsstaat eingebettet"
e) ev. Polizeiseelsorger Frank Waterstraat: "Man muss Gott mehr gehorchen als
den Menschen! Was ist zu tun, was ist zu lassen? Woran orientiere ich mich?

Die Diskussionsleitung und Fragestellung übernahm der Leiter des Hamelner
Schillergymnasiums, Andreas Jungnitz. Dieser fragte die Podiumsteilnehmer als
erstes zur Zustimmung oder zur Ablehnung der These "Polizei ist Werkzeug der
Politik" ab. Wüppesahl betonte, dass Politik nicht wertfrei sei und jede Macht
ohne Kontrolle zwangsläufig zum Missbrauch führe. Gewissen aber könne man nicht
delegieren und es müsse auch ein Nein geben.
Lindenau unterstrich, dass Polizeibeamte/innen keine Werkzeuge, sondern
lebende, denkende und vor allem auch nachdenkende Menschen seien.
Waterstraat formulierte zur Instrumentalisierungsthese ein klares Nein und
verwies auf den Rechtsrahmen im Grundgesetz und die Gewaltenteilung.
Seltmann vertrat die These, dass die Polizei nicht besser sei, als der Rest der
Gesellschaft und sich als Menschenrechtsorganisation verstehen solle.
Dierker verwies auf die geänderte Ausbildung mit dem Weg zum Studium in der
Polizei und dem Selbstverständnis der Beamten/innen als Bürgerpolizei unter
rechtsstaatlicher Kontrolle mit der Pflicht zu remonstrieren.

Es folgte eine hochkarätig und niveauvoll moderierte Diskussion zur
demokratischen Verantwortung der heutigen Polizei mit diversen, auch kritischen
und konträren Statements, z.B. zur Frage der Kennzeichnungspflicht von
Polizeibeamten/innen. Insgesamt gab es viele Anregungen zum Weiterdenken.
Gerade Polizeipastor Waterstraat gelang es, mit der Erinnerung an die Ethik den
Bezug zum Gedenktag des 27. Januar nicht aus dem Fokus zu verlieren. Man dürfe
nicht müde werden und die Lehren der Vergangenheit nicht vergessen.

Ralf Hermes

Persönlicher Kommentar:

Es gilt, mehrfach "Danke" zu sagen! Zum einen den ehrenamtlich tätigen
Veranstaltern des Arbeitskreises 27.01. für die Organisation der Ausstellung
und des Rahmenprogramms in Bad Pyrmont.
Herr Jungnitz, übrigens der Sohn eines unserer Ende der 80er Jahre viel zu früh
verstorbenen Hamelner Kollegen, überzeugte durch eine gut vorbereitete
Moderation und Ansprache.
Den fünf Gästen gebührt Anerkennung für die Zeit und auch die lange Anfahrt
nach Bad Pyrmont. Sie ermöglichten eine Lehrstunde in Demokratie und
Verantwortung für die Gesellschaft.
Einzig Herr Wüppesahl grenzte sich zum Ende der Diskussion durch etwas
exzentrisches Auftreten ab.
Fünf jungen Menschen des Humboldtgymnasiums wurden zu Recht für ihre Betreuung
der Ausstellung und ihr Engagement belobigt. Insgesamt waren ca. 10 junge Leute
im Raum. Jeder Einzelne war wertvoll, gerade weil die eher kleine Zahl junger
Menschen im insgesamt eher älteren Publikum einen Schatten auf die
Veranstaltung wirft. War das Thema in unserer eher freizeitorientierten Welt zu
abstrakt, zu sperrig? Ein aktueller Blick nach Ägypten oder die Ukraine zeigt,
wie gut es uns geht. Können wir es uns erlauben, solche Diskussionsrunden nur
im kleinen Kreis zu erleben? Hoffen wir mal, dass die scheinbare
Gleichgültigkeit mit der die anderen unseren Rechtsstaat und seine, wie ich
meine, qualifiziert und menschlich agierende Polizei erleben, so
selbstverständlich bleibt.
Wir genießen zur Zeit die Nachkriegserrungenschaften, die von unseren
Großeltern teuer bezahlt wurden. Demokratie aber braucht in schlechteren Zeiten
Verteidiger! Diese rekrutiert man nur bei Menschen, die sich mit ihr und den
gesellschaftlichen Themen beschäftigen und auseinandersetzten. Daher dürfen wir
nicht müde werden, solche Veranstaltungen zu besuchen bzw. für sie Werbung zu
machen.

Einen radio aktiv Beitrag mit Bildern von der Diskussionsrunde findet sich
unter http://www.youtube-nocookie.com/user/GdPHameln
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