Zum Inhalt wechseln

"Zeig' Dein Ehrenamt"

Interview zum Flüchtlingsprojekt „Faires Kämpfen“

Osnabrück.

Sebastian Häfker hat im November 2015 das Projekt „Faires Kämpfen“, ein Sportprojekt mit geflüchteten Jugendlichen und deutschen Jugendlichen, ins Leben gerufen.


 

Zur Person:

Sebastian Häfker

38 Jahre alt, verheiratet, ein fünfjähriger Sohn.
Polizeioberkommissar bei der Polizeiinspektion Osnabrück, Wache ESD 2.
GdP-Mitglied
Träger des 2. DAN im Judo, 1998 Deutscher Polizeimeister im Judo, 1999 5. Platzierter der Polizeieuropameisterschaft, zahlreiche Medaillengewinne auf weiteren Polizei- und offenen nationalen Turnieren, Athlet von den Judo Crocodiles Osnabrück,
Bundesligastarter bei Koriouchi Gelsenkirchen

 


Fotos (3): NOZ

Frage:

Herr Häfker, wie ist die Idee dazu entstanden?

Antwort:

Im vergangenen Jahr sind ca. eine Millionen Flüchtlinge nach Deutschland gekommen und es ist sehr wahrscheinlich, dass eine große Anzahl dieser Menschen im Land bleibt.

In meinen Augen ist die Integration eine der größten und wichtigsten Aufgaben unserer Gesellschaft in den nächsten Jahren.

Es muss verhindert werden, dass wir nicht ähnliche Fehler wie in der Vergangenheit machen, wie zum Beispiel in den 1960er Jahren.

Zu der damaligen Zeit sind viele Migranten als Gastarbeiter in die Bundesrepublik eingereist.

Die damals versäumte Integrationspolitik spürt man noch heute.

In den meisten Großstädten gibt es Viertel, die größtenteils von Migranten bewohnt werden und wo sich zum Teil Parallelgesellschaften gebildet haben.

Natürlich ist es in erster Linie Aufgabe der Politik, Voraussetzungen für eine gute Integration zu schaffen.

Ich denke aber, dass es auch meine Pflicht ist, zumindest einen kleinen Teil zur Integration zu leisten.

Frage:

Welche Vorteile sehen Sie darin, das Thema Integration durch den Sport anzugehen?

Antwort:

Ich bin seit jahrelanger Judo-Leistungssportler und betreibe seit drei Jahren Kickboxen.

Des Weiteren bin ich Judotrainer und nebenamtlich Ausbilder für Kollegen im Bereich Abwehr- und Zugriffstechniken.

Es bot sich an, diese Eigenschaften einzusetzen.

Außerdem bin ich der Meinung, dass der Sport es sehr vereinfacht, Menschen auf unkomplizierte Art zusammen zu bringen, insbesondere weil Sprachbarrieren beim Sport kein großes Hindernis sind.


Frage:

Ist Ihr Beruf als Polizeibeamter für diese Aufgabe auch hilfreich?

Antwort:

Auf jeden Fall. Beruflich habe ich durch meine Tätigkeit in der „Spezialisierten Tatortaufnahme“ mit der Bearbeitung von u. a. Todesermittlungssachen und Sexualdelikten zu tun.

Der sensible und emphatische Umgang mit Menschen, insbesondere auch traumatisierten Personen ist elementar für diese Aufgabe.

Außerdem habe ich auch jahrelange Erfahrung im Einsatz- und Streifendienst, der den Umgang mit Menschen unterschiedlicher Sozialisation und Intellekt in verschiedenen Situationen schult.

Ich denke, dass man in unserem Beruf ein Feingefühl dafür entwickelt, in welchen Momenten Autorität und in welchen Rücksichtnahme angebracht ist.

Ich denke, all diese Eigenschaften haben mich als Trainer geprägt.

Frage:

Aus welchen Personen setzt sich der Teilnehmerkreis ihres Projekts zusammen?

Antwort:

Es war sehr kompliziert und zeitintensiv den jetzigen Teilnehmerkreis zu rekrutieren.

Ich hatte im November durch persönliche Kontakte versucht, Flüchtlinge aus Wohngruppen sozialer Institutionen für das Projekt zu gewinnen und auch deutsche Jugendliche durch persönliche Kontakte einzubinden.

Das ist mir nur bedingt gelungen.

Ich habe danach diverse Schulen aufgesucht, um Interesse zu wecken und mögliche Ansprechpartner zu finden.

Viele potentielle Ansprechpartner haben mir gesagt, dass sie das Projekt für eine gute Idee halten.

Leider ist es in den meisten Fällen bei dieser Aussage geblieben.

Eine Ansprechpartnerin der Stadt Osnabrück hat die Augen verdreht, als ich ihr das Projekt vorstellen wollte.

Sie teilte mir mit, dass sie von vielen Leuten Ideen höre und keine Zeit habe, sich meine Projektbeschreibung durchzulesen.

Sie meinte, sie werde meine Unterlagen ungelesen abheften.

Seit Januar 2016 kooperiere ich mit dem Graf-Staufenberg-Gymnasium Osnabrück.

Die Schule hatte für das 2. Halbjahr einen Oberstufenkurs „Kämpfen“ angeboten.

Dieser Oberstufenkurs trainiert nun zusammen mit den Flüchtlingen, die zum großen Teil aus Schülern der Sprachlernklassen der Berufsbildenden Schulen Westerberg/Osnabrück kommen.

Mittlerweile haben wir jede Woche zwischen 12 bis 16 Teilnehmer, davon sind ungefähr die Hälfte Flüchtlinge.


Frage:

Wie muss man sich eine Trainingseinheit vorstellen?

Antwort:

Wir sind in der Regel drei Trainer.

Dabei handelt es sich um Miriam Garmatter, Lehrerin des Graf-Staufenberg-Gymnasiums und ebenfalls jahrelange Judoleistungssportlerin, sowie Bastian Faul.

Bastian ist mein Kollege und Trainingspartner beim gemeinsamen Kickboxtraining.

Im Vordergrund der Trainingseinheiten steht die Integration und der Abbau von Berührungsängsten.

Dafür eignen sich viele Trainingsmethoden, die ich schon als Kind beim Judo selbst praktiziert habe, insbesondere Partnerübungen zur Förderung der Motorik und Kräftigung.

Natürlich werden in jedem Training Judoelemente, wie Würfe oder Bodenkampftechniken eingebaut.

Am Erde der Übungseinheit kommen die Teilnehmer durch Partnerübungen bei einem Zirkeltraining mit mir als Motivator noch einmal richtig aus der Puste und zu einem gemeinsamen Erfolgserlebnis.

Frage:

Wie gehen die Teilnehmer miteinander um?

Antwort:

Man merkt, dass es schon die Tendenz bei den Teilnehmern gab, die Übungen mit einem Partner durchzuführen, den man näher kennt.

Wir Übungsleiter teilen dann grundsätzlich einem deutschen Jugendlichen einen Flüchtling zu.

Die Einteilung hat noch nie zu Problemen geführt und die Bereitschaft gemeinsam zu trainieren wurde zur Selbstverständlichkeit.

In den vergangenen Wochen haben sich Teilnehmer herauskristallisiert, bei denen man merkt, dass sie am Projekt und am Thema Integration auch aktiv mitwirken wollen.

Aufgrund dessen habe ich Kontakt zum Stadtsportbund Osnabrück aufgenommen und nun eine schriftliche Zusage, dass Teilnehmer meines Kurses eine kostenlose Trainer-C-Schein-Ausbildung im Tandem-Verfahren absolvieren können.

Tandem-Verfahren heißt in diesem Fall, dass ein Deutscher und ein Migrant die Ausbildung gemeinsam durchlaufen und sich gegenseitig unterstützen werden.

Ich denke, dass sich auf diese Weise eine gute Möglichkeit bietet, Integration durch den Sport zu multiplizieren und Werte gemeinsam zu vermitteln.

Frage:

Haben sich bereits Kontakte zur Polizei ergeben?

Antwort:

Ich stehe im regen Kontakt zu unserem örtlichen Personalrat Ralf Vosgröne von der GdP.

Durch einen Zeitungsartikel in der Neuen Osnabrücker Zeitung sind weitere Kollegen auf meine Arbeit aufmerksam geworden.

Sehr erfolgversprechend ist der neue Kontakt zu Sabina Ide, Dialogbeauftragte der Polizeidirektion Osnabrück.

Wir haben bereits zahlreiche Gespräche geführt und neue Ideen entwickelt, welche Möglichkeiten sich bieten, die Integration in Osnabrück voranzutreiben.

Ich bin mir sicher, dass wir noch einiges auf die Beine stellen werden.

Von Cüneyt Altintas und Marcel Szpadzinski von der Jungen Gruppe der GdP kam die Idee zu diesem Interview.

Dafür bin ich sehr dankbar, weil die Vergangenheit gezeigt hat, dass die Öffentlichkeitsarbeit mir wichtige Kontakte beschert.

Vielleicht führt dieser Beitrag zu einer Zusammenarbeit mit anderen Kollegen.

Außerdem bin ich auf der Suche nach Judomatten und würde mich über eine Kontaktaufnahme freuen, wenn mir jemand helfen kann.

This link is for the Robots and should not be seen.