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GdP-Fachtagung 2018

7. Fachtagung höherer Dienst: Chancen und Risiken der Digitalisierung

Hannover.

Rund 60 Führungskräfte aus der niedersächsischen Polizei haben sich am Freitag, 15. Juni 2018, auf Einladung der GdP zu ihrer nunmehr 7. Fachtagung Höherer Dienst getroffen. Ziel der Veranstaltungen ist, sich über aktuelle Herausforderungen für die Polizei austauschen. Thema der diesjährigen Tagung war „Digitalisierung“.

Der GdP-Landesvorsitzende Dietmar Schilff begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Freizeitheim Ricklingen in Hannover und ging einleitend zunächst auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen ein. Warum das Schwerpunktthema der Tagung – unter anderem – eine große Bedeutung für die Polizei hat, verdeutlichte Schilff am Beispiel Gewalt gegen Polizisten: „Wir wissen nicht erst seit dem G20-Gipfel, wie sehr die Gewalt zugenommen hat. Wir erleben es im täglichen Geschäft. Mit der Bedrohung eines Polizisten in Hitzacker wurde zudem eine neue Qualität psychischer Gewalt erreicht. So etwas gab es zwar immer schon, zum Beispiel in Göttingen in den 1980er Jahren, als Fotos von Polizisten in Kneipen aufgehängt wurden, aber über die Sozialen Medien ist hier eine neue Dimension erreicht worden. Da lesen Sie viele regelrechte Hasskommentare.“ Nicht nur deshalb sei es wichtig, dass sich die Polizei der Herausforderung Digitalisierung stelle.

Situation der Verwaltung

Anschließend gab die stellv. Kassiererin und Vertreterin der Verwaltungsbeamtinnen und -beamten, Petra Franzen, einen Überblick über die Situation der Verwaltung. Die Attraktivität der Laufbahn spiegele sich immer noch nicht ausreichend in entsprechenden beruflichen Perspektiven wider, betonte sie. Die in der Polizei qualifizierten Kolleginnen und Kollegen wanderten in den kommunalen Bereich oder in die allgemeine Verwaltung ab, daher brauche die Polizei bessere Chancen und Aufstiegsmöglichkeiten. Diese Problematik könne nicht oft genug wieder auf die Agenda gesetzt werden. Franzen lobte die Freisitzungen der letzten Jahre (175 neue Stellen und Beschäftigungsmöglichkeiten und das 250er Programm für Verwaltung und Tarifbeschäftigte) als einen Anfang und Weg in die richtige Richtung.

Neue Sprecherin mahnt zu Besonnenheit und Sachlichkeit

Zur neuen Sprecherin des Arbeitkreises h.D. wurde Gwendolin von der Osten gewählt. Die Polizeidirektorin und Leiterin der PI Mitte in Hannover vertritt nun gemeinsam mit Volker Feige den Arbeitskreis nach außen. In ihrer Rede umriss sie die Herausforderungen, vor denen das Führungspersonal in der niedersächsischen Polizei stehe. Angesichts zusätzlicher Einstellungen gelte es, auf die Personalstruktur insgesamt zu schauen und über Stellenbewertungen nachzudenken. Sie machte deutlich, dass mehr Personal auch zusätzliche Ausstattung bedeute und forderte, gerade auch in Sachen Liegenschaften „dranzubleiben“. Grundsätzlich mahnte von der Osten zu Besonnenheit und Sachlichkeit, zum Beispiel auch bei der Forderung nach „Tasern“ oder bei der Forderung nach Strafverschärfung und mehr Befugnissen für die Polizei. Sie appellierte, über das eigene Selbstverständnis nachzudenken, sich ein positives Menschenbild zu erhalten und eine gute Führungs- und Fehlerkultur zu leben, in der der Wert der Gerechtigkeit eine wesentliche Bedeutung habe. Beim Thema Digitalisierung forderte sie die Führungskräfte auf, mit gutem Beispiel voranzugehen, auch mal nicht erreichbar zu sein und nicht sofort zu reagieren.

Digitalisierung bei der Polizei Niedersachsen: Wechselbeziehung von Technik und Taktik

Im Anschluss stellte Dirk Pejril, der neue Leiter des Referats 23 (Kriminalitätsbekämpfung) im Innenministerium, dar, wie im Einzelnen sich Digitalisierung in der Polizei gestaltet. Er zeigte auf, dass die technische Ausstattung immer kürzeren Innovationszyklen unterliege und somit immer häufiger erneuert werden müsse. Mobile technische Lösungen im privaten und geschäftlichen Umfeld setzten Trends, denen sich die Polizei nicht entziehen könne. Doch längst nicht alles, was technisch verfügbar ist, sei auch für die polizeiliche Arbeit sinnvoll, so Pejril. Politik und Führung müssten hier für den entsprechenden Rahmen sorgen. Als Beispiele für Lösungen nannte er NiMes und PreMap. Man stelle sich nun innerhalb einer Arbeitsgruppe die Frage, ob Digitalisierung im strategischen Kontext der Polizeiarbeit auf der gleichen Ebene stehe wie die Bereich Sicherheit, Technologie, Finanzen und Arbeitsumfeld. Laut Pejril werden sich die Arbeitsabläufe in einer „Wechselbeziehung“ zwischen Technik und Taktik grundlegend verändern.

Vorteile und Gefahren der Digitalisierung am Beispiel von VW

Einen „Blick über den Tellerrand“ bot Uwe Fritsch, der Betriebsratsvorsitzende von VW Braunschweig, indem er referierte, wie die Digitalisierung sich bei VW auswirkt. Er erläuterte zunächst, die Hoffnungen, die auf der sogenannten Industrie 4.0 ruhen, wie z.B. mehr Effizienz, Rationalisierung und Automatisierung, individualisierte Kundenbeziehungen und dezentrale Steuerung. Anschließend stellte er dem die Risiken gegenüber: Zum Beispiel sorge ständige Erreichbarkeit für Stress und eine digitale Überforderung der Mitarbeiter-/innen; zu Hause oder mobil zu arbeiten bedeute eine „Entbetrieblichung“. Es bestehe zudem die Gefahr, dass Persönlichkeitsrechte missachtet und Beschäftigte überwacht werden könnten. Letztlich sieht Fritsch auch die Mitbestimmung und die Stärke der Gewerkschaften in Gefahr. Der BR-Vorsitzende rief daher dazu auf, Beschäftigung trotz und mit Digitalisierung zu sichern, für ausreichend Qualifikation zu sorgen, verantwortungsvoll mit Beschäftigten-Daten umzugehen und die Gesundheit der Mitarbeiter/-innen entsprechend zu schützen.

Intensiver Austausch mit dem Innenminister

Der zweite Teil der Tagung stand ganz im Zeichen des Besuchs von Innenminister Boris Pistorius (SPD). In seiner Rede ging auch er auf die Chancen und Herausforderungen durch den technischen Wandel ein. Die Beschaffung der Tablets solle nun „mit Vollgas“ weiter vorangetrieben werden, sagte er und betonte, dass der Messengerdienst NiMes nicht dazu da sei, dass alle Polizeibeschäftigten 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche erreichbar seien, sondern dass sie rechtlich abgesichert dienstlich kommunizieren können. Pistorius kündigte zudem ein polizeiinternes soziales Netzwerk an, das 2019 in den „Wirkbetrieb“ gehen soll.

Dass sich auch die Täter immer intensiver die Möglichkeiten der Digitalisierung zunutze machen, verdeutliche die Herausforderungen für die Polizei. Das Land werde daher eine „Landesanalyse- und Serviceeinheit Terrorismus“ einrichten und das „Predictive Policing“ basierend auf den Ergebnissen des Pilotprojekts „PreMap“ landesweit ausrollen. Der Nutzung von Videotechnik gegenüber sei das Land offen; die neue Form mit Gesichtserkennung müssen aber genauer geprüft werden. Auch auf aktuelle Forderungen der GdP ging Pistorius ein: Er werde sich für einen Wiedereinstieg ins Weihnachtsgeld einsetzen, versprach er, ebenso wie die Anhebung der Zulagen und Stellenhebungsprogramm, die die Wartezeit auf eine Beförderung „deutlich verkürzen“. Im Hinblick auf die dafür nötigen finanziellen Mittel und auch im Hinblick auf zusätzliche Einstellungen erwartet Pistorius „harte Verhandlungen in den kommenden Jahren“.

Zum Abschluss der Tagung stellten sich der Innenminister und GdP-Landesvorsitzender Dietmar Schilff weiteren Fragen zum Thema Chancen und Risiken der Digitalisierung und insbesondere auch der Frage, wie populistischen Tendenzen und Polarisierungen zu begegnen sei, die durch die Digitalisierung gefördert werden bzw. sich schneller und weiterverbreiten. Zudem konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dem Minister noch ihre Befürchtungen mit auf den Weg geben, z.B. die Sorge, dass die Präsenz der Polizei in der Fläche nachgelassen hat und dies Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl der dort lebenden Menschen hat.


Angela Hübsch, Redaktion

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