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Strategie 2027

„WIR leben Digitalisierung...“

Von Kevin Komolka & Philipp Mantke, gekürzte Version erschienen in der DP 03/21

Bild: Justus Menke / unsplash
Bild: Justus Menke / unsplash

Mit diesen markigen Worten gibt die Strategie 2027 ein Ziel für die kommenden Jahre vor. Viele Weichen sind bereits in die richtige Richtung gestellt, an einigen Stellen sind jedoch Änderungen erforderlich.

In der Strategie 2027 wurde die grundsätzliche Ausrichtung der Polizei Niedersachsen festgeschrieben. In der Fachstrategie „IT der Polizei Niedersachsen“ wurden darüber hinaus auch die Leitlinien für unsere IT formuliert. Wir haben uns die Zielsätze der Fachstrategie angeschaut und werfen einen kritischen Blick auf den Status quo.

„WIR verfügen über eine moderne, innovative und flexible Organisation, die die Anwenderinnen und Anwender stärker in IT-Prozesse einbindet […]“

Auch ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie mangelt es an Laptops, um allen infrage kommenden Beschäftigten Homeoffice zu ermöglichen. Dort, wo Geräte vorhanden sind, muss zum Teil über mehrere Monate auf die Zulieferung einer SignaturCard oder die Freischaltung eines VPN-Zugangs gewartet werden. Von einer flexiblen Polizei müssen die Beschäftigten erwarten können, dass sie auf die Lage besser reagiert. Der Hardwaretausch, bei dem viele stationäre PCs durch Laptops ersetzt werden sollen, hätte daher längst stattfinden müssen.
Für Anwenderinnen und Anwender ergeben sich aus nicht klar geregelten Zuständigkeiten Probleme. Wenn beispielsweise NIVADIS auf einem PoC nicht läuft, weil ein Windows-Sicherheitsupdate erforderlich ist, dann muss durch den Anwender zunächst IT.N kontaktiert werden, damit diese das Sicherheitsupdate aufspielen. Anschließend liegt die Verantwortung weiter beim Anwendenden, der sich beim UHD der ZPD nach erneuter Ticket-Aufgabe bei seinem NIVADIS-Problem helfen lassen kann. Teilweise müssen sich Kolleginnen und Kollegen einen halben Vormittag in Wartschleifen befinden, ohne ihrer originären Tätigkeit nachkommen zu können. So darf eine „Einbindung“ der Anwenderinnen und Anwender nicht verstanden werden!

„WIR nutzen zeitgemäße, intuitive, leistungsfähige und sichere IT-Systeme sowie Anwendungen, und sind Motor bei der Digitalisierung von (Arbeits-)prozessen.“

In den vergangenen Jahren fehlte es an Investitionen in die bestehende IT. Zwar sind in den meisten Fällen Hardware und Software regelmäßig ersetzt worden, jedoch wurden technische Neuerungen kaum berücksichtigt. Auf der in die Jahre gekommenen Server- und Netzstruktur nun Neues aufzubauen, entspräche dem Versuch, bei einem Haus mit moderndem Fundament ein neues Dachgeschoss zu installieren. Das zuvor durch fehlende Innovation eingesparte Geld muss nun in einer aufgrund der Corona-Situation ohnehin angespannten Zeit trotzdem ausgegeben werden. Ein Auftürmen neuer Programme und Projekte auf ein sowieso schon zu kleines Fundament kann nicht die Lösung sein.

„WIR nutzen unsere finanziellen Möglichkeiten bestmöglich und streben dabei sinnvolle Kooperationsansätze an.“

Von nichts kommt nichts! Aktuelle, moderne Hard- und Software hat ihren Preis. Ohne zusätzliche Finanzmittel, welche die Politik der Polizei bereitstellen muss, droht nicht nur die Gefahr „den Anschluss zu verpassen“. Viel wichtiger sollte es sein, auch bei der Sicherheitsarchitektur Schritt zu halten, damit polizeiliche Daten nur dort genutzt werden, wo es vorgesehen ist.
Es bedarf einer Investitionsoffensive in die IT der Polizei Niedersachsen um diese technisch auf zukunftsfähige Beine zu stellen und als attraktiver, moderner Arbeitgeber mit- und schritthalten zu können.

„WIR qualifizieren und entwickeln unser IT-Fachpersonal und agieren als attraktiver, moderner Arbeitgeber bei der Rekrutierung externer Mitarbeiter.“

Während es bereits jetzt vielerorts an Fachpersonal mangelt, droht sich das Problem in den kommenden Jahren noch zu verschärfen. Diejenigen, welche die IT der Polizei Niedersachsen in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut haben, gehen zu einem nicht unerheblichen Teil in den kommenden fünf Jahren in den Ruhestand. Das Fachwissen dieser Kolleginnen und Kollegen droht verloren zu gehen, wenn Nachfolgerinnen und Nachfolger nicht rechtzeitig eingearbeitet werden. Es muss somit vor allem Perspektiven im Tarifbereich geben, damit gute Leute auch gutes Geld für ihre Arbeit erhalten und nicht beim Blick nach rechts und links in andere Unternehmen, die IT-Personal wertschätzen und entsprechend bezahlen, abwandern.

„WIR entwickeln, beschaffen, betreiben und nutzen unsere IT rechtskonform.“

Es klingt wie eine Selbstverständlichkeit, doch aufgrund der teilweise hochkomplexen Rechtslage ist es für Beschaffende sowie Programmiererinnen und Programmierer eine echte Herausforderung sämtliche Richtlinien und Gesetze immer im Blick zu behalten. Die Zeit für Aus- und Fortbildung muss den Betroffenen daher eingeräumt werden. Andernfalls droht das Risiko, diese Zeit zum Beispiel durch erneute Ausschreibungen Fehlersuche oder sogar Gerichtsverfahren zu verlieren.

Das unbefriedigende Fazit lautet somit leider derzeit:
  • Die Wartezeiten bei unseren IT-Dienstleistern, insbesondere bei IT.N sind zu lang
  • Die „Einbindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“ läuft vermutlich anders als gedacht
  • Welcher IT-Dienstleister für was zuständig ist, ist für Anwenderinnen und Anwender nicht ersichtlich
  • Die Kassen sind leer, der Investitionsbedarf in IT ist erheblich, sowohl für Hardware, als auch für Software
  • Investitionen in IT-Infrastruktur sind aber insbesondere durch die Corona-Pandemie wichtiger denn je und müssen schnell, unbürokratisch und vor allem mit Nachdruck getätigt werden, um die Polizei Niedersachsen arbeitsfähig zu halten
  • Personal im IT-Bereich ist rar, die Polizei Niedersachsen hat keine Vision zur Entwicklung und Haltung des Personals. Wir verlieren viele gute Mitarbeiter an Firmen, insbesondere in der freien Wirtschaft, aber auch in andere Bereiche der Landesverwaltung, die wertschätzender bezahlen und insbesondere Tarifpersonal halten und nicht abbauen wollen.
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