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Landesjournal Niedersachsen August 2007 - FÖDERALISMUS-FOLGEN: Verhandeln statt Verordnen! - Beamtenrecht braucht neue Kultur -

Der alte gewerkschaftliche Grundsatz „Verhandeln statt Verordnen“ erhält im Zuge der Auswirkungen der Föderalismusreform eine neue Bedeutung. Nachdem die Länder die Regelungskompetenzen im Bereich von Besoldung, Versorgung und des Laufbahnrechts übertragen bekommen haben, werden auch die Gewerkschaften in den Ländern mit neuen Aufgaben konfrontiert.



 





Bernhard Witthaut, Landesvorsitzender der GdP-Niedersachsen

Die formellen Beteiligungsrechte der Gewerkschaften im Rahmen der Vorbereitung von allgemeinen gesetzlichen Veränderungen ist in § 104 Niedersächsisches Beamtengesetz (NBG) normiert. Diese Beteiligung muss zu einem möglichst frühen Zeitpunkt stattfinden, wenn die verwaltungsinterne Willensbildung noch offen und damit noch beeinflussbar ist. Allerdings führen Verstöße gegen die Beachtung der Beteiligungsrechte nicht zur Nichtigkeit von erlassenen Regelungen. Ebenso gibt es keinen Anspruch darauf, dass von den Spitzenorganisationen geäußerte Bedenken oder Vorschläge beim Erlass der Regelung Berücksichtigung finden. Dies hat in der Vergangenheit häufig dazu geführt, dass Stellungnahmen zur Kenntnis genommen wurden, aber nicht zu notwendigen Veränderungen geführt haben.


 


      Ist-Stand (1): Formalbeteiligung weitgehend wirkungslos

Das Beamtenverhältnis ist geprägt von einer einseitigen Festlegung der Dienst- und Rahmenbedingungen durch den Dienstherrn.

Mit den neuen Gesetzgebungskompetenzen des Landes Niedersachsen erhöht sich die Gefahr schwerwiegender und weitreichender Eingriffe in die Rechte der Beamtinnen und Beamten. Dabei ist zu befürchten, dass diese Veränderungen ausschließlich von den Vorgaben des Finanzministers diktiert werden.

      Ist-Stand (2): Einseitige Diktate

Ein Widerspruch wird immer deutlicher: Von den Beamtinnen und Beamten wird beständig mehr Leistung, Eigenverantwortung, Kommunikationsfähigkeit, Verhandlungsgeschick und Kreativität verlangt, während sie für die Durchsetzung ihrer eigenen Belange auf eine Stellungnahmemöglichkeit durch ihre gewerkschaftlichen Interessenvertretungen reduziert werden.

Um diesen Widerspruch aufzulösen, haben die Gewerkschaften für den öffentlichen Dienst im Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) den Grundsatz „Verhandeln statt Verordnen“ wieder aufgenommen, die damit verbundene Forderung aber von der rein plakativen Darstellung befreit und konkretisiert. Die Stärkung der Rechte der Beamtinnen und Beamten soll im NBG in Form detaillierter Verhandlungsrechte festgeschrieben werden.

Das Beteiligungsmodell

      Gewerkschaften legen neues Beteiligungsmodell vor

Danach soll der Gesetzgeber zukünftig nur noch Tatbestände regeln, die verfassungsrechtlich zwingend vorgeschrieben sind. Alle übrigen Tatbestände sollen zwischen dem Land und den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften ausgehandelt werden, sofern sie nicht weiter durch das NBG geregelt werden. Durch Vertrag zu regelnde Tatbestände sind insbesondere:
  • Arbeitszeit, Teilzeit, Altersteilzeit, Beurlaubung
  • Urlaub, Sonderurlaub, Freistellung
  • Versetzung, Abordnung, Umsetzung
  • Nebentätigkeit
  • Laufbahnen und Ausbildung
  • Besoldung und andere besoldungsrechtlichen Leistung / Zuwendung
  • Arbeits- und Gesundheitsschutz
  • Beihilfe und Freie Heilfürsorge

Sollten hinsichtlich dieser Punkte keine Vertragsverhandlungen aufgenommen werden oder diese für gescheitert erklärt werden, bleibt es bei den derzeit gültigen Regelungen des NBG.

      Prozessregeln für fairen Umgang

Ebenfalls neu im NBG soll das Procedere dieser Verhandlungen festgeschrieben werden.

Der Vorschlag der Gewerkschaften sieht folgenden Ablauf vor:

Die Initiative zu Vertragsverhandlungen kann sowohl von Seiten des Dienstherrn als auch von Seiten der Gewerkschaften ausgehen. Eine einzurichtende Verhandlungskommission, die paritätisch von beiden Seiten besetzt wird, diskutiert die eingebrachten Vorschläge. Sollte es zu keiner Einigung kommen, wird eine Arbeitsgruppe beauftragt, einen neuen Vorschlag zu erstellen, der dann im zweiten Verhandlungsdurchgang Gegenstand der Diskussion sein soll. Kann wiederum kein Konsens erzielt werden, wird im dritten Durchgang unter Einbeziehung eines neutralen Schlichters (Mediator) verhandelt. Ergebnisse, die übereinstimmend erzielt werden, treten durch Vertragsschluss in Kraft.

      Was wird aus dem Vorschlag?

Der vorgeschlagene Gesetzentwurf wird dem Ministerpräsidenten mit der Aufforderung der Umsetzung im Niedersächsischen Landtag zugesandt.

Sollte sich der Landtag entschließen, ein neues NBG mit den dargestellten Veränderungen zu verabschieden, würden neue Wege beschritten werden, um eine Beteiligung der Beschäftigten sicherzustellen. Möglicherweise kann damit ein Aufflammen der alten Diskussion vermieden werden, ob ein Streikverbot für Beamtinnen und Beamte zeitgemäß und gerecht ist. Über eines werden sich alle Beteiligten klar werden müssen: Es ist nicht mehr tragbar, über den Kopf der Betroffen hinweg zu entscheiden und sie mit dem Ergebnissen zu konfrontieren. Fraglich ist nur, ob die Lösung dieses Problems zukünftig auf der Straße oder am Verhandlungstisch stattfinden wird.


Bernhard Witthaut (/JH)

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