Zum Inhalt wechseln

Landesjournal Niedersachsen Februar 2008 - POLIZEIALLTAG: Zunahme verbaler Gewalt - allgemeines gesellschaftliches Problem oder veränderte Wahrnehmung? - Ein Diskussionsansatz -

Die Häufigkeit von Klagen von Polizeivollzugsbeamtinnen und –beamten, mit denen sie Schmerzensgeld aufgrund verbaler Angriffe geltend machen, nimmt immer mehr zu. Allein bei den GdP-Mitgliedern, die diese Verfahren über den GdP-Rechtsschutz führen, hat es in den letzten vier Jahren eine Steigerung um 250% gegeben. Hier drängt sich die Frage nach den Ursachen auf.


Vorangestellt sei, dass es außer Frage steht, dass die Personen, die bei Fußballspielen, Festnahmen, Hausdurchsuchungen, Verkehrskontrollen usw. Polizeibeamte beschimpfen und verunglimpfen, Straftatbestände erfüllen. Gegenstand dieser Betrachtung sind allein die Ursachen für die Zunahme der Verfolgung dieser Verhaltensweisen.

Erklärungsansätze liegen sowohl in einer gesellschaftlichen Werteveränderung, einer Zunahme der Empfindsamkeit der betroffenen Kolleginnen und Kollegen, einem Kompensationsversuch finanzieller Einbußen und einer Veränderung der Arbeitsbedingungen innerhalb der Polizei, die zu vermehrter Unzufriedenheit führt.

      Anstieg der Gewaltbereitschaft
Eine Möglichkeit ist eine allgemeine Zunahme der Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung, verbunden mit einer gesunkenen Hemmschwelle, die sich im ersten Schritt in verbalen Angriffen manifestiert. Kriminologische Forschungen bestätigen, dass eben diese Hemmschwelle gerade bei Tätergruppen mit einer patriarchalisch geprägten Herkunft vergleichsweise niedrig ist. Allerdings liefern selbst statistische Werte hier keine absolute Gewissheit, da diese ihre Ursache in einem veränderten Anzeigenverhalten haben können, ohne Aufschluss über ein verändertes Verhalten in der Bevölkerung geben zu können.

      Monetäre Gesichtspunkte
Trotz einer deutlichen Verärgerung in der Polizei über die erheblichen finanziellen Einbußen in den letzten Jahren, scheint Ursache der Klagehäufigkeit kein finanzieller Kompensationsgedanke zu sein, da die betroffenen Beamten überwiegend von einer grundsätzlichen Motivation im Hinblick auf Gerechtigkeit berichten, deren Ziel nicht vordergründig finanziell ist. Es wäre zynisch, den Kolleginnen und Kollegen, die Opfer geworden sind, zu unterstellen, aus Schaden Kapital schlagen zu wollen.

      Subjektive Wahrnehmung
Die erhöhten Anforderungen an den Polizeiberuf, die eine sensible Vorgehensweise in Alltagssituationen sowohl gegenüber Opfern als auch Tätern umfasst, führt natürlich auch zu einer gesteigerten Sensibilität in Bezug auf die eigene Person. Dieser Umstand kann allerdings nur relevant werden, wenn andere Faktoren hinzutreten.

      Zunahme der Unzufriedenheit
Die Quantität von reformbedingten Veränderungen in der Polizei in den letzten Jahren hat zu einem Verdruss geführt, der insbesondere durch die fehlende Wahrnehmung qualitativer Verbesserungen an der Basis genährt wird. Die Mitgliederbefragung der GdP im Jahr 2006 hat bei einem überwiegenden Teil der über 5.000 Befragten eine Berufsunzufriedenheit ergeben, die sich aus verschiedenen Faktoren ergibt.

      Allgemeine Arbeitsunzufriedenheit
Die kritischen Themenschwerpunkte bestimmen den Arbeitsalltag ohne eine Möglichkeit, ihnen aus dem Weg zu gehen. Zu diesen kritischen Themenschwerpunkten zählen
  • unzureichende Entwicklungsmöglichkeiten,
  • subjektive Beurteilungen,
  • fehlende Beförderungsmöglichkeiten,
  • nicht nachvollziehbare Reformen und
  • Entscheidungen höherer Vorgesetzter.

Ein beeinträchtigtes Wohlbefinden im Arbeitsbereich führt zu einer sinkenden Toleranz gegenüber anderen Angriffen.

Derjenige, dessen Welt von diesen Faktoren negativ und spürbar beeinflusst wird, möchte nicht auch noch von Außenstehenden angepöbelt und beschimpft werden - Außenstehenden, die von den täglichen Problemen und Belastungen nichts wissen und auch nichts wissen können, da die Kenntnis der Bevölkerung über polizeiinterne Probleme nahezu ausschließlich von sonntagabendlicher Berichterstattung um 20.15 Uhr in der ARD bestimmt wird.

Eingeschränkte Anerkennung der eigenen Arbeit, sowohl in der eigenen Organisation, als auch von Polizeifremden kann nicht mehr kompensiert werden.

Insgesamt ist die Beleidigung von außen auch ein Spiegelbild der fehlenden Wertschätzung im Innenverhältnis.

      Resümee
Sicherlich ist keiner der genannten Faktoren allein Ausschlag gebend für das beschriebene Phänomen. Allerdings würde eine positive Veränderung der Arbeits- und Lebensbedingungen sehr wahrscheinlich zu einer Rückkehr zu mehr Gelassenheit und Toleranz führen. Nur der Polizeibeamte, der sich in seiner eigenen Organisation aufgehoben und geschätzt fühlt, kann zumindest leichte verbale Angriffe von außen als berufsspezifisch akzeptieren. Es sollte das Ziel aller Entscheidungsträger in der Polizei sein, wieder dahin zu gelangen. Dies gelingt nur über gemeinsame und erkennbare Zielvorstellungen und Visionen, wie der polizeiliche Alltag vernünftig, erfolgreich und für alle zufriedenstellend gestaltet werden soll.

Die Priorität einer solchen Maßnahme ist auch dann gegeben, wenn die Ursache eben doch in einer Veränderung der gesellschaftlichen Wertvorstellungen besteht.


JH


 

Mitglieder können die gesamte Ausgabe des LandesJournals und ältere Ausgaben als PDF-Datei downloaden.
  • Voraussetzung in dieser Sitzung ist die Authentisierung durch unser Login-Verfahren >>>.
  • Sie sind haben noch kein Mitglieds-Login? Beantragen Sie es hier >>>.
  • Sie sind schon eingeloggt? Dann direkt zu den Downloads >>>
Falls Sie einen Leserbrief zu einem Artikel in DEUTSCHE POLIZEI schreiben möchten, klicken Sie bitte auf das jeweilige Mail-Zeichen.
Bitte vergessen Sie nicht, den Artikel zu nennen, zu dem Sie sich äußern möchten.
.
Zu einem Artikel des LandesJournals Niedersachsen:Zu einem Artikel des Bundesteils:
.
redaktion@gdpniedersachsen.de
.
.
leserbrief-dp@gdp-online.de
.
..
This link is for the Robots and should not be seen.