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Landesjournal Niedersachsen Juni 2007 - GEWALT GEGEN POLIZEIBEAMTE Übergriffe auf Polizeibeamte nehmen immer mehr zu - Gewalt als „Lösungsalternative“ in unserer Gesellschaft? -

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,


 


Bernhard Witthaut, Landesvorsitzender der GdP-Niedersachsen
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Thema Gewalt gegen Polizeibeamte beschäftigt uns alle jeden Tag. Ich habe hier nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Aufarbeitung, sondern möchte für dieses Problem sensibilieren.

In der polizeilichen Kriminalstatistik(PKS) für das Jahr 2006 für Niedersachsen werden unter dem Summenschlüssel „ 892 Gewaltkriminalität“ 21.761 Taten erfasst. Die Anzahl der Körperverletzungsdelikte (22) liegt bei 50.824 erfassten Taten. Bereits im Jahre 2005 musste der Innenminister zugeben, dass die Zahl der Widerstände gegen die Staatsgewalt auf 2.197 Fälle und damit um 16,6% gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist. Diese Zahl ist im Jahre 2006 nochmals um 121 Fälle auf 2.318 in Niedersachsen angestiegen. Wo soll das noch hingehen?

Übrigens wäre auch interessant festzustellen, wie sich parallel dazu die Anzahl der Dienstunfälle mit einer entsprechenden Kausalität entwickelt hat.

 


Die Zahl der Polizeibeamten, die in Ausübung oder aus Veranlassung des Dienstes seit dem 08.05.1945
tödlich verletzt wurden liegt nach den schrecklichen Ereignissen von Heilbronn bei 388.
1441 Polizeibeamte sind in Ausübung oder aus Veranlassung des Dienstes tödlich verunglückt.





Bereits in der Vergangenheit hat die GdP die Verantwortlichen aufgefordert, in der PKS die Angriffe auf Polizeibeamte separat zu erfassen. Dazu sollten auch die Vorstufen zu diesen tätlichen Angriffen gehören, wie Beleidigungen, Bedrohungen bis in die Familien der Polizisten hinein, denn sie sind auch ein Indiz für eine zunehmende Respektlosigkeit gegenüber ihrer Amtsausübung. Gewalt gegen Polizeibeamte? Soll die Botschaft sein: Na ja, so schlimm ist das ja alles nicht?

Die niedersächsische Landesregierung weigert sich, eine weitere Auffächerung zu erstellen mit der Begründung, dies sei nicht möglich.

Wenn wir aber Tendenzen erkennen, analysieren und eventuell gegensteuern wollen, dann müssen wir auch Maßnahmen ergreifen, die diese Entwicklungen rechtzeitig erkennen lassen. Es ist doch unzweifelhaft feststellbar, dass in unserer Gesellschaft ein gesteigertes Potential an Aggressivität vorhanden sein muss. Unsere Kolleginnen und Kollegen spüren das Tag für Tag. Will man dies nicht zur Kenntnis nehmen? Welche Gründe gibt es für ein derartig zurückhaltendes Gebaren bei den Verantwortlichen?

Die Forschung beschäftigt sich schon seit längerem mit dem Thema Gewalt. Gewalt in der Familie, in der Schule, in den Stadien, in den (Massen-) Medien, durch Ausländer, gegen Ausländer, durch Polizeibeamte – dies alles sind Lebensbereiche, die untersucht wurden und werden.

Ein wichtiger Schritt war die Studie des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen e.V. (KFN), den die Innenministerkonferenz (IMK) und die GdP im Sommer des Jahres 2000 in Auftrag gegeben haben.

So beschreibt die KFN – Studie auf Seite 19 in der Zusammenfassung I den Stand der Forschung hierzu: „Das Thema Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten stand in der bisherigen Forschung weniger im Zentrum der Betrachtungen als Gewaltanwendungen durch die Polizei. Die letzte Erhebung datiert aus dem Jahr 1992.“ Weiter: „Erstens wurden in der Regel ausschließlich Fälle analysiert, in denen Polizistinnen und Polizisten angegriffen oder verletzt bzw. getötet wurden, jedoch keine Vorfälle, bei denen ein Angriff bzw. eine Verletzung ausblieb. Zweitens kann oft nur festgestellt werden, wie häufig Angriffe oder gesundheitliche Folgen unter bestimmten Bedingungen eintraten.“

Aber das Projekt ist abgeschlossen und wird meines Wissens nicht weitergeführt, obwohl die Zahl der Widerstände gegen die Staatsgewalt dramatisch gestiegen ist. Damals wurden in dem Projekt zwei Gruppen von Polizeibeamtinnen und –beamten befragt: Zum einen von solchen Beamten, die in den Jahren 1985 – 2000 mit Tötungsabsicht bzw. –vorsatz angegriffen wurden, zum anderen von Beamten, die in den Jahren 1995 bis 2000 in Folge eines Angriffs für sieben Tage oder mehr berufsunfähig waren. Ferner hatte die Studie auch eine andere Zielrichtung (s. Seite 5 Absicht und Anlage des Projektes).

Und es sind schon richtige und wichtige Maßnahmen beschlossen worden. So wurden z.B. die Ausstattung mit persönlichen Schutzwesten und die Intensivierung eines praxisnahen Trainings verbessert. Kriseninterventionsteams/RBS auch für den internen Bereich sind eingerichtet, auf der anderen Seite aber auch sinnvolle Einrichtungen geschlossen worden. So wie das PPS-Programm der PD Hannover, das nach mehr als 25 Jahren erfolgreicher Arbeit gestrichen worden ist.

Der Kriminologe Prof. Schwind bezeichnet diese Maßnahme übrigens als ein Beispiel für irrationale Kriminalpolitik (s. S. 420 Kriminologie; 17. Auflage). Recht hat er, der Professor.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Gewalt gegen die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten wird auch zukünftig Bestandteil des Berufes sein. Gorleben, der 1. Mai, NPD-Demonstrationen, der G 8 – Gipfel, Fußballspiele und der Alltag bieten leider zu viele Anlässe, die eskalieren können. Eigensicherung, SET- Training, hoffentlich auch bald für alle Fahrsicherheitstrainings – gleich wer wofür zuständig ist – sollten wir alle sehr ernst nehmen. Sie helfen mit, eine polizeiliche Situation besser beherrschen zu können, um so auch Gefahren rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Die absolute Sicherheit gibt es aber nicht. Wir sind auf uns gestellt. Ich hoffe, dass auch im Wege der Neuordnung der Aus- und Fortbildung diese wichtigen Instrumente für die Polizei nicht der Sparwut dieser Landesregierung zum Opfer fallen, wie gerade die Vergangenheit es häufiger gezeigt hat, wenn mal wieder locker in den „Haushaltstopf“ Fortbildung gegriffen wurde.

Wir fordern deshalb nachdrücklich, dass der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht nachkommt. Wir fordern deshalb nachdrücklich, dass die Politik ihrer Verantwortung für diese Gesellschaft nachkommt. Dazu gehört auch, rechtzeitig Tendenzen zu erkennen, Strategien zu entwickeln und so Polizistinnen und Polizisten zu schützen.


Bernhard Witthaut

Landesvorsitzender


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