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Landesjournal Niedersachsen Leitartikel Dezember 2003; JAHRESWECHSEL: 2003 - Das Jahr "Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln"

Das Jahr 2003 neigt sich dem Ende entgegen. Ein ungutes Gefühl beschleicht mich.


Das Jahr 2003 ist ein Jahr der politischen Offenbarung, oder - viel intensiver formuliert - ein Jahr des politischen Offenbarungseides.

   Auf Bundesebene ist der Streit zwischen Regierung und Opposition mittlerweile unerträglich geworden. Die Politiker insgesamt merken offensichtlich gar nicht, dass sie sich inzwischen zum Staat im Staate entwickelt haben. Anstatt ihrer Verantwortung gerecht werden zu wollen, gesellschaftspolitisch akzeptable Lösungen herbeizuführen, habe ich den Eindruck, dass vordergründige Parteipolitik die Notwendigkeit gesellschaftspolitischer Reformen und die dazu notwendige Gesetzgebung verhindert. 

   Dieses Possenspiel wird auf allen politischen Ebenen deutlich. Wen wundert es, dass sich Wählerinnen und Wähler von der Politik abwenden und ihre Enttäuschung durch Wahlentzug dokumentieren.

   Fakt ist: 
Die Bundesregierung, aber auch fast alle Landesregierungen sehen sich mittlerweile außerstande, einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen.

   Fakt ist:
Seit Jahren wird eine Politik nach dem Hoffnungsprinzip „Wirtschaftswachstum wird wohl bald kommen“ gemacht.

   Wieder gewählt oder neu gewählt zu werden, war parteipolitisch wichtiger, als solide Regierungsarbeit.

   In Niedersachsen kam die Stunde der Wahrheit mit der Landtagswahl am 2. Februar 2003. Auch hier stellte die neu gewählte Landesregierung aus CDU und FDP durch ihren Ministerpräsidenten und den Finanzminister einen haushaltspolitischen Scherbenhaufen der Vergangenheit fest, um in einer Klausurtagung des Landeskabinetts am 7. und 8. Juli 2003 einen Sparhaushalt für das Jahr 2004 festzuschreiben, der Einsparungen in Höhe von ca. 1,5 Milliarden Euro vorsieht.

   Für uns als Polizei und Gewerkschaft der Polizei ist eine gesellschaftspolitische Auseinandersetzung kein Fremdwort. Im Gegenteil: Wir mussten seit Jahrzehnten darum kämpfen, dass unseren Kolleginnen und Kollegen - Arbeitern, Angestellten und Beamten - der unserer Auffassung nach sachgerechte Stellenwert in diesem Staate eingeräumt wird. Wir haben auch einen sozialen Fortschritt für das Berufsbild der Polizei erreicht. 

   Was wir aber nicht hinnehmen, ist die Art und Weise, wie Politik und die niedersächsische Landesregierung uns ein Spardiktat nach Gutsherrenart verordnen will bzw. auch in der Vergangenheit verordnet hat.
 

Öffnungsklausel


   Allein beim Thema: „Öffnungsklausel“ wird deutlich, was wir von Politik in der heutigen Zeit zu halten haben.

   Noch im Januar 2003 - also vor der Landtagswahl - hat mir gegenüber unser heutiger Ministerpräsident schriftlich geäußert: 
Ich teile Ihre Auffassung, dass die Bundesratsinitiative des Landes Berlin zur Öffnung des Bundesbesoldungsrechts politisch verfehlt ist. Die CDU Niedersachsen spricht sich für eine bundeseinheitliche Bezahlung im öffentlichen Dienst aus. Anstatt einzelne Gruppen von Beschäftigten pauschal und undifferenziert mit Gehaltsverzicht zu drohen, wie dies seitens des Landes Berlin vorgeschlagen wird, muss individuelle Leistung belohnt werden, um einen effizienten öffentlichen Dienst zu erhalten.

   Doch wahr ist: 
Im März 2003 stimmt Niedersachsen im Bundesrat nicht gegen die Öffnungsklausel, sondern dafür. Und sofort hat die Landesregierung - an ihrer Spitze der Ministerpräsident - mit der Kürzung des Weihnachtsgeldes 2003 und für 2004 mit der Streichung des Urlaubsgeldes und der Kürzung des Weihnachtsgeldes den Haushalt des Landes entlastet. 

   Der niedersächsische Finanzminister, Herr Möllring, als am 3.11.2003 neu gewählter Chef der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) hat keine Skrupel, mit einer fast zynischen Bemerkung der Gleichbehandlung auch für den Tarifbereich bestehende Tarifverträge aufzukündigen, um so für das Jahr 2005/2006 die 40-Stunden-Woche, Nullrunden in den Tarifverhandlungen und ebenso Kürzungen von Weihnachtsgeld und Streichungen von Urlaubsgeld vorzubereiten. Die Begründung: Es ist nur gerecht den Beamten gegenüber, wenn auch die Arbeiter und Angestellten 40 Stunden pro Woche arbeiten. 

   Der Gipfel dieses Vorhabens aber ist, dass bis zum heutigen Tage mit uns als Gewerkschaften über diese Maßnahmen nicht gesprochen worden ist. Für den Bereich der Beamten ist das entsprechende Gesetz von den Regierungsfraktionen ohne Anhörung in den Landtag eingebracht worden. Für den Tarifbereich konnten wir die Planungen der niedersächsischen Landesregierung der Presse entnehmen.

   Um nicht falsch verstanden zu werden:
Auch unter einer SPD-Landesregierung haben wir gegen das Diktat einer Eigenbeteiligung an der freien Heilfürsorge vor der Niedersächsischen Staatskanzlei in Hannover demonstriert und uns gegen eine Politik nach „Gutsherrenart“ verwahrt. 

   Gegen diesen politischen Kahlschlag unter Ausschluss der Gewerkschaften mussten wir uns am 20. 11. 2003 in Hannover zu Wort melden. Wir waren und sind bereit, zu verhandeln. Selbstherrliche Politik bis hin zur Ignoranz ist für unsere Demokratie schädlich. Sie beweist, dass Politik jede Bodenhaftung verloren hat. Das konnten und können wir uns nicht bieten lassen.

   Wenn Kolleginnen und Kollegen auch die Meinung vertreten, alle - und so auch die Polizei - müssen zur Sanierung der Haushalte und damit zu einem wirtschaftlichen Aufschwung beitragen, so entbindet das unsere Politiker nicht, mit uns gemeinsam einen Weg aus der Krise zu suchen und zu finden. Es kann aber nicht sein, dass wir als Polizeibeschäftigte - siehe Gorleben - unseren polizeilichen Auftrag jedes Jahr erfüllen, Tag für Tag für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes da sind, von den gesellschaftspolitischen Entscheidungen aber rigoros ausgeschlossen werden.
 

Beteiligungsmöglichkeit bei der Organisationsänderung


   Im Hinblick auf die „
Umorganisation der Polizei“ gehe ich davon aus, dass unser Innenminister Wort hält. Er hat die Einheit der Polizei - Exekutive, Verwaltung und Tarif - als Garanten für die innere Sicherheit herausgestellt. Er hat eine Beteiligung der Beschäftigten und uns als Gewerkschaft der Polizei zugesagt. 

   Auch hier ist unsere Position eindeutig: 
Die Polizei ist kein Selbstzweck. Sie ist Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Demzufolge hat sich eine Umorganisation der Polizei auch an den Bedürfnissen unserer Gesellschaft auszurichten.

   Wir werden die Politik auch dieser Landesregierung weiterhin sehr kritisch begleiten. Umso wichtiger aber wird es sein, dass die Polizei insgesamt - also die Beschäftigten, alle Kolleginnen und Kollegen und wir als Gewerkschaft der Polizei - uns gesellschaftspolitisch einmischen, nicht resignieren. Denn 2004 und 2005 werden die Jahre sein, die alles Bisherige in den Schatten stellen! 
 

Bernhard Witthaut
Landesbezirksvorsitzender

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