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Landesjournal Niedersachsen Mai 2006 - TARIFRUNDE 2006: Ein politischer Offenbarungseid!

Im Tarifabschluss Anfang des Jahres 2003 hatten Arbeitgeber und Arbeitnehmerverteter des öffentlichen Dienstes vereinbart, dass ein neuer Tarifvertrag entstehen sollte.


Flächentarifvertrag ade! Foto: UR

Doch noch im Laufe des Jahres 2003 scherten die Länder aus und kündigten einseitig zuerst die Tarifverträge für das Urlaubs- und Weihnachtsgeld und später dann auch noch die Arbeitszeit.

Wenn zum damaligen Zeitpunkt die Finanzlage einiger Bundesländer und ihr offenes Bekenntnis, die Personalkosten des öffentlichen Dienstes nicht mehr tragen zu können, noch verständlich war, ist heute, seitdem sich mittlerweile 6 Wochen unsere Kolleginnen und Kollegen des öffentlichen Dienstes im Streik befinden, klar:

Es geht nicht mehr um Tarifverhandlungen, sondern: Die Vernichtung des Flächentarifvertrages im öffentlichen Dienst soll die Gewerkschaften schwächen und die Handlungsfreiheit einer Politik nach Gutsherrenart stärken.

Im Grunde genommen müsste jedem Politiker klar sein, dass die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie ein Meilenstein war, um den gesellschaftspolitischen Frieden in unserem Lande zu sichern.

In Zeiten einer „Schönwetter-Politik“ wurde dieses demokratische Selbstverständnis auch von unseren Politikern anerkannt. Es war auch politische Einflussnahme nicht gefordert, hat aber über die Jahre dazu geführt, dass sie den politischen Gestaltungsauftrag auf unsere gesellschaftspolitische Entwicklung völlig verschlafen haben.

Heute muss man feststellen, dass die Wirtschaft die Möglichkeiten, die sich aus der Globalisierung ergeben haben, rechtzeitig erkannt hat. Der Politik gegenüber muss festgestellt werden, dass sie trotz aller seit Jahrzehnten bestehenden signifikanten Anzeichen die gesellschaftspolitische Entwicklung unseres Landes verkannt hat.

Wären Politiker einer Pisa-Studie unterworfen, so gäbe es für sie nur ein Ergebnis: Mangelhaft!

Seit Jahren wissen wir und haben darauf hingewiesen, dass die Haushaltslage des Bundes und der Bundesländer mehr als schwierig ist. Auch die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wissen, dass politisches Versagen so nicht weitergehen kann.

Aber zu glauben, dass mit einer Beseitigung der grundgesetzlich garantierten Tarifautonomie der Staat wieder gesellschaftspolitisch flott gemacht werden könnte, ist an Naivität kaum zu übertreffen.

Was wollen der Niedersächsische Finanzminister Möllring als Vorsitzender der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) und sein Ministerpräsident Wulff eigentlich?

Ihre einzige politische Botschaft ist: Sparen um jeden Preis.

Diese simple politische Aussage mag im ersten Moment überzeugen, da alle mittlerweile auch das Bewusstsein haben, so wie bisher kann es nicht weitergehen. Was aber eigentlich dahinter steckt, ist ein politisches Diktat.

Beide, sowohl der Niedersächsische Ministerpräsident Wulff, als auch der Finanzminister Möllring haben nämlich erkannt, dass die wirtschaftliche Einflussnahme auf die Politik unseres Staates bereits soweit zugenommen hat, dass politischer Handlungsspielraum nur möglich ist, wenn die Wirtschaft anspringt und das eigentliche Problem unserer Massenarbeitslosigkeit gelöst werden kann.

Die Wahlbeteiligung der Bürgerinnen und Bürger zeigt, dass sie diesem Prinzip „Hoffnung“ nicht mehr folgen wollen. Das Vertrauen in die politische Führung und Führung generell ist eine dauerhaft bestehende Ablehnung ihres gesellschaftspolitischen Handelns gefolgt.

Die Behauptung des öffentlichen Arbeitgebers „die 40-Stunden-Woche für alle und die Kürzung oder Streichung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes sei aus Gründen der Gleichbehandlung notwendig“ ist eine Farce. Die Inaussichtstellung von Besoldungs- und Vergütungserhöhung von 2 % ab dem Jahre 2007 ist eine politische Provokation.

Wer kann noch einem Ministerpräsidenten Wulff glauben, der eine Kürzung bzw. Streichung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes vor Jahren noch als „nicht vertretbar“ bezeichnet hat?

1. Mit der Zerschlagung des Flächentarifvertrages wird es dazu kommen, dass jedes Bundesland eigene Tarifverträge für den öffentlichen Dienst aushandeln kann.

2. Viele Bundesländer setzen darauf, mit der über die Zustimmung des Bundesrates mögliche Föderalisierung der besoldungs- und versorgungsrechtlichen Bestimmungen eigene landespolitische Handlungsfreiheit zu gewinnen.

3. Die Möglichkeit, mit dem öffentlichen Dienst je nach Haushaltslage umzugehen, ist politisch gewollt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist blauäugig zu glauben, dass die Polizei als staatstragende Einrichtung unseres Landes noch einen besonderen politischen „Stellenbonus“ genießt. Im Gegenteil, die Politik hat sich verselbständigt. Ihre Verweigerungshaltung bei den Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst ist ein politischer Offenbarungseid.


P.K.


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