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Landesjournal Niedersachsen Mai 2009 - GEWALT GEGEN POLIZEIBEAMTE - GdP: "2499 Widerstände gegen Vollstreckungsbeamte in 2008 sind doch nur die Spitze des Eisberges"

Immer dann, wenn die jährliche Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) veröffentlicht wird, geht wieder ein Raunen durch den Blätterwald.

 
 
Bernhard Witthaut, GdP-Landesvorsitzender
Bernhard Witthaut, Landesvorsitzender der GdP Niedersachsen
Foto: GdP-Archiv
Bereits im Jahre 2005 musste der Innenminister es zugeben, dass die Zahl der Widerstände gegen Vollstreckungsbeamte auf 2197 Fälle und damit um 16,6% gegenüber dem Vorjahr gestiegen war. Diese Zahl ist im Jahre 2006 nochmals um 121 Fälle auf 2318 und dann kontinuierlich bis auf 2499 Fälle im Jahre 2008 in Niedersachsen angestiegen. Das ist nur die Spitze des Eisberges. Denn immer mehr Kolleginnen und Kollegen erstatten nicht immer gleich eine Strafanzeige.
 
 
Sie wägen vielmehr ab, ob sich der ganze Aufwand überhaupt noch lohnt; auch unter dem Gesichtspunkt, dass manchmal Richter solche Verfahren mit der Begründung einstellen:
  • „Sie sind Polizist, dafür werden Sie bezahlt. Dann müssen Sie auch aushalten, dass Sie hin und wieder mal beleidigt werden. Sie sind ja nicht persönlich gemeint.“ oder
  • „Ein Schmerzensgeld kann ich Ihnen nicht zusprechen, da Sie ja eine Polizeizulage erhalten, die alle diese Dinge beinhaltet.“

Die Gewerkschaft der Polizei hat in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass sich in diesem Zusammenhang dramatische Entwicklungen in unserer Gesellschaft abzeichnen (1). Umso erfreulicher ist der Umstand zu bewerten, dass der Innenminister bei der Darstellung der PKS diese Situation aufgegriffen und bestätigt hat. Außerdem hat er sogleich verkündet, dass er das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) beauftragen wird, eine ergänzende Studie zu diesem Thema vorzulegen. Im Jahr 2000 haben die Innenministerkonferenz (IMK) und die GdP eine ähnliche Studie in Auftrag gegeben.
So beschreibt die KFN–Studie (2) den Stand der Forschung hierzu: „Das Thema Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten stand in der bisherigen Forschung weniger im Zentrum der Betrachtungen als Gewaltanwendungen durch die Polizei. Die letzte Erhebung datiert aus dem Jahr 1992.“ Weiter: „Erstens wurden in der Regel ausschließlich Fälle analysiert, in denen Polizistinnen und Polizisten angegriffen oder verletzt bzw. getötet wurden, jedoch keine Vorfälle, bei denen ein Angriff bzw. eine Verletzung ausblieb. Zweitens kann oft nur festgestellt werden, wie häufig Angriffe oder gesundheitliche Folgen unter bestimmten Bedingungen eintraten.“

Für dieses Projekt sind auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt. Schade ist eigentlich nur, dass diese Untersuchung sich dann nur auf das Land Niedersachsen bezieht. Ich halte eine bundesweite Aufarbeitung der Situation für insgesamt aufschlussreicher. Die IMK, derzeitiger Vorsitzender ist der Innensenator von Bremen, Ulrich Mäurer, wird sich hoffentlich einklinken und an der Untersuchung beteiligen.


 
 
Anstieg: „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“, Quelle: PM des MI zur PKS 2008
Anstieg: „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“,
Quelle: PM des MI zur PKS 2008
 
 

Bereits in der Vergangenheit hat die GdP die Verantwortlichen aufgefordert, in der PKS die Angriffe auf Polizeibeamte separat zu erfassen. Dazu sollten auch die Vorstufen zu diesen tätlichen Angriffen gehören, wie Beleidigungen, Bedrohungen bis in die Familien der Polizisten hinein, denn sie sind auch ein Indiz für eine zunehmende Respektlosigkeit gegenüber ihrer Amtsausübung. Die niedersächsische Landesregierung weigerte sich, eine weitere Auffächerung zu erstellen mit der Begründung, dies sei nicht möglich (3).

Wenn wir aber Tendenzen erkennen, analysieren und eventuell gegensteuern wollen, dann müssen wir auch Maßnahmen ergreifen, die diese Entwicklungen rechtzeitig erkennen lassen. Es ist doch unzweifelhaft feststellbar, dass in unserer Gesellschaft ein gesteigertes Potential an Aggressivität vorhanden ist. Unsere Kolleginnen und Kollegen spüren das Tag für Tag. Will man das nicht zur Kenntnis nehmen? Und es sind auch richtige und wichtige Maßnahmen beschlossen worden. So wurden z. B. die Ausstattung mit persönlichen Schutzwesten und die Intensivierung eines praxisnahen Trainings verbessert. Kriseninterventionsteams/RBS auch für den internen Bereich sind eingerichtet, leider aber auch sinnvolle Einrichtungen wie das PPS-Programm der PD Hannover nach mehr als 25 Jahren erfolgreicher Arbeit gestrichen worden. (Der Kriminologe Prof. Hans-Dieter Schwind bezeichnet diese Maßnahme übrigens als ein Beispiel für irrationale Kriminalpolitik4. Recht hat er, der Herr Professor!)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte wird auch zukünftig Bestandteil unseres Berufes sein. NPD-Demonstrationen, Fußballspiele und ganz besonders der Alltag bieten leider zu viele Anlässe, die eskalieren können. Eigensicherung und das SET-Training sollten wir alle sehr ernst nehmen. Sie helfen mit, eine polizeiliche Situation besser beherrschen zu können, Gefahren rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Die absolute Sicherheit gibt es aber nicht.

Wir fordern deshalb nachdrücklich, dass der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht nachkommt. Wir fordern deshalb auch, dass die Politik ihrer Verantwortung für diese Gesellschaft nachkommt. Dazu gehört auch, rechtzeitig Tendenzen zu erkennen, Strategien zu entwickeln und so Polizistinnen und Polizisten zu schützen.

Bernhard Witthaut, Landesvorsitzender

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