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Landesjournal Niedersachsen Oktober 2016 -
Leitartikel: Wir brauchen mehr Nachwuchs!

Innenminister Boris Pistorius bereist derzeit die Polizeibehörden und diskutiert in einem persönlichen Format mit den anwesenden Kolleginnen und Kollegen, wo der Schuh drückt und welche Erwartungen konkret bestehen. Alles kann angesprochen werden und wird auch angesprochen.




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Dietmar Schilff, GdP Landesvorsitzender Niedersachsen (Foto: CH)
Dietmar Schilff, Landesvorsitzender
Foto: CH

Dabei überrascht es nicht, dass bei den Besuchen genau die Themen unter und auf den Nägeln brennen, die insbesondere der Vorsitzende des Polizeihauptpersonalrates, Martin Hellweg, und ich als GdP-Landesvorsitzender in zahlreichen Gesprächen mit dem Minister ebenfalls thematisieren, man kann auf Neudeutsch sogar sagen, „ihm ein Ohr abkauen“. Auch wenn uns das eigentlich klar war, weil wir stetigen Kontakt mit den Polizeibeschäftigten haben und zudem fortwährend Rückmeldungen der Personalräte und der GdP-Untergliederungen vor Ort erhalten, ist es gut, dass zwischen Personalvertretung und GdP sowie denjenigen, die tagaus, tagein die Innere Sicherheit garantieren, egal ob im Vollzug, als Verwaltungsbeamter/Verwaltungsbeamtin oder Angestellte/Angestellter, die Sichtweisen offensichtlich gleich sind.
 
Das ist uns sehr wichtig. Nicht, dass der Innenminister glaubt, alles, was wir ihm mitteilen, sei „Funktionärsblabla“. Allen, die sich an dem Austausch mit unserem Dienstherrn beteiligen und ihm bereits die Probleme geschildert haben oder dies noch tun, sei herzlich gedankt.

Neben unsäglichen Beförderungswartezeiten, Beurteilungsungerechtigkeiten, Technikproblemen, fehlender Ausstattung, alten Streifenwagen, schlechten Dienstgebäuden, wenig Perspektiven auch im Bereich der Verwaltung, Wegfall von Weihnachts- und Urlaubsgeld, geringer DUZ, hoher Krankenquote, Überstunden, wenig Regenerationszeiten, Problemen bei der Weitergabe von Wissenstransfer usw. ist ein Punkt Hauptthema: Es fehlen die Leute! Es wird mehr Personal benötigt, um die Aufgaben bewältigen zu können!

Beispiele über „Zusammenkratzen“ von Kolleginnen und Kollegen für Sondereinsätze, aber auch für den täglichen Dienst wurden wortwörtlich vorgetragen, Probleme bei der Garantie der Mindeststärke oder bei Ermittlungen wurden von Praktikern plastisch und nachvollziehbar dargestellt. Da bringt es auch nichts, wenn der Innenminister darlegt, dass es Versäumnisse aus den letzten Jahren gibt und dass wir noch nie so viele Polizeibeschäftigte und Studierende haben wie derzeit. Fakt ist, dass bei den schon immer bestehenden und dazugekommenen zusätzlichen Aufgaben, bei den hohen Abbruchzahlen während des Studiums, bei der viel zu hohen Krankenquote, bei den starken Pensionierungszahlen und dem hohen Durchschnittsalter an allen Ecken und Enden Personal fehlt. Hier muss mittel-, langfristig und dauerhaft nachgebessert werden.

Die GdP forderte dies mit ihrem in den Medien viel beachteten Attraktivitätsprogramm schon 2011, offensichtlich hat es in der Politik kaum einen interessiert. Gemäß den damaligen Altersübersichten für die Polizei sollten rund 11.000 Kolleginnen und Kollegen bis 2030 in Ruhestand gehen, jetzt sind es ab 2017 bis 2030 rund 8.000. Eine Größenordnung, die damals schon ein Gegensteuern erforderlich machte und weiterhin macht. Durch die Auswirkungen der Lebensarbeitszeitverlängerung, so beschlossen durch die alte Landesregierung, wurde das Problem nicht behoben, sondern lediglich um zwei Jahre verschoben.

In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass Innenminister Pistorius auf mehrfache Nachfrage, ob die Landesregierung eine weitere Lebensarbeitsverlängerung bei der Polizei plant, öffentlich geäußert hat, dass dies nicht anstehe. Ausdrücklich nicht berücksichtigt sind bei den Zahlen die unnatürlichen Abgänge, die erfahrungsgemäß bei circa 100 Fällen pro Jahr liegen. Wäre man unserer Forderung nach mindestens 700 normalen Einstellungen plus Vorratseinstellungen schon 2011 gefolgt, dann wäre der Handlungsdruck jetzt nicht so immens. Und wäre die neue Landesregierung unsere Forderungen schon 2013 angegangen, dann wäre es jetzt auch entspannter.

Nun ist Handeln angesagt, damit die Arbeit nicht noch mehr auf die Knochen der im Dienst befindlichen Kolleginnen und Kollegen geht. Neben vermehrten Einstellungen besteht dringender Handlungsbedarf im Wissenstransfer, insbesondere in den ermittelnden Bereichen. Es müssen verstärkt Programme angegangen werden, mit denen Verwaltungsaufgaben auch durch adäquat bewertete Verwaltungskräfte wahrgenommen werden. Der Schichtdienst muss besser vergütet und Vorsorgekuren müssen endlich eingeführt werden. Die Kräfte der geschlossenen Einheiten brauchen ausreichend Regenerationszeiten und der Tarifbereich benötigt mehr Perspektiven – und es darf keinen Einstellungsstopp geben.

Die Polizeibeschäftigten haben die Nase voll von wohlfeilen Reden, sie haben die berechtigten Erwartungen, dass die Belastungen endlich sinken und die Arbeit gerecht bewertet und auch vergütet wird. Die Innere Sicherheit wird nicht von Maschinen, sondern von Menschen gemacht.

Sehr erfreulich ist, dass zum 1. Oktober 930 junge Kolleginnen und Kollegen ihr Studium an der Polizeiakademie begonnen haben. Wir rufen ihnen ein herzliches Willkommen zu und hoffen, dass sie durchhalten und wir in drei Jahren die weit überwiegende Mehrzahl in der Bereitschaftspolizei oder in den Einzeldienstbehörden begrüßen können. Die GdP steht gemeinsam mit unserer Jugendorganisation JUNGE GRUPPE jederzeit zur Verfügung.

Dietmar Schilff, Landesvorsitzender
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