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Landesjournal Niedersachsen September 2012 -
EINSATZBELASTUNG & BEWERTUNGS-DEFIZITE
Polizei und Sommerloch … was ist das denn?

Trotz Urlaubszeit mussten viele Kolleginnen und Kollegen im täglichen Dienst, aber auch im Personalrats- und Gewerkschaftsbereich richtig ranklotzen: ESD-Einsätze, Ermittlungsarbeit, Demonstrationen, Fußballspiele sowie Medien und Personalstellen haben leider keine Pause eingelegt.


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Dietmar Schilff, Landesvorsitzender der GdP Niedersachsen (Foto: Archiv)
Dietmar Schilff, Landesvorsitzender der GdP Niedersachsen (Foto: Archiv)

Im August wandern, joggen, radeln oder gondeln die Damen und Herren der Politik stets gerne durch die Gegend, um ungezwungen mit Land und Leuten in Kontakt zu treten. Eine sinnvolle Beschäftigung, wenn der Vorsatz tatsächlich ernst genommen wird, die Sorgen und Nöte der Bevölkerung zu ergründen. Unglücklicherweise drängt sich einem bei manchem politisch Verantwortlichen der Eindruck auf, dass lediglich positive Bilder eines idyllischen Niedersachsen produziert werden sollen.

 
 

Idyllische Politikerreisen …

Weit weniger beschaulich ging es in den zurückliegenden Wochen hingegen oft bei der Polizei zu. Wer keinen Urlaub hatte, saß wie üblich auf den oft zerschlissenen Sitzen seines Streifenwagens oder in unterbesetzten Dienstzimmern und versuchte, der Flut von Aufträgen gerecht zu werden. Viele mussten zudem ihre Wochenenden opfern, weil die Menschen bei den ersten Fußballspielen der Saison zu begleiten waren. Oder weil es galt, Neonazis und Autonome bei Demonstrationen zu trennen. Oder aufgrund anderer Einsätze, in denen Leib und Leben von Menschen mit und ohne Uniform bedroht waren. Oder weil es das Engagement im Personalrat beziehungsweise für die GdP mit sich brachte - oder oder oder....

… und Polizeigroßeinsätze in Serie

Ein umfangreicher Einsatz ergab sich beispielsweise in Bad Nenndorf am Samstag, 4. August. Rund 450 Neonazis beteiligten sich dort an einem Protestzug. Bei der Gegenveranstaltung unter DGB-Federführung fanden sich mehr als 700 Teilnehmende ein. Bei weiteren Protesten im privaten Rahmen engagierten sich zudem zirka 650 Personen. Nach Angaben der PI Nienburg/Schaumburg beteiligten sich an Störaktionen bis zu 250 dem sogenannten autonomen Spektrum zuzuordnende Personen. Glücklicherweise wurden diesmal keine Polizeibeamtinnen und -beamten verletzt, auch auf der Seite der Demonstranten war dies nicht zu verzeichnen. Zahlreiche GdP-Vertreter waren den gesamten Samstag vor Ort, um die eingesetzten Kolleginnen und Kollegen zu betreuen. Zu ihnen zählten Linde Becker-Huntgeburth (stellvertretende Vorsitzende Bezirkspersonalrat PD Göttingen), Michael Stieg (Vorsitzender GdP-Fachausschuss Schutzpolizei) und Klaus Timke (Vorsitzender örtlicher Personalrat). Die ständigen Initiativen der GdP und der Personalräte scheinen Wirkung zu zeigen, so waren nahezu alle zufrieden mit der Versorgung der Einsatzkräfte. Bewusst verzichtet wurde daher seitens der GdP auf die Verteilung von Süßigkeiten, stattdessen setzte man auf den verstärkten Informationsaustausch zwischen Kollegenschaft, GdP und Einsatzleitung sowie auf Gespräche mit Menschen, die sich friedlich gegen Neonazis engagieren. Am gleichen Tag nahmen zudem rund 300 Menschen am Hauptbahnhof Hannover an der Demonstration gegen die geplante Neonazi-Anschlusskundgebung teil. Der Aufzug war angekündigt worden, musste aber wegen erheblicher Verzögerungen in Bad Nenndorf abgesagt werden. Gewerkschaftssekretär Christian Hoffmann und weitere GdP-Vertreter sprachen vor Ort mit den wartenden Kolleginnen und Kollegen sowie mit politisch Verantwortlichen der Gegendemonstration.



Aktionslogo der organisierten Gegendemonstration

Und die nächste rechtsextreme Aktion, an der ich selber vor Ort war, fand am 09. August in Braunschweig statt, als 20 Neonazis - nach Beschluss des OVG Lüneburg - ihre Parolen auf dem Burgplatz an die Leute bringen durften. Natürlich sorgte die dortige Gegendemo auch wieder für einen größeren Polizeieinsatz, da 800 Bürger/-innen, Gewerkschafter/-innen und Politiker/-innen friedlich und lautstark demonstrierten, so dass die menschenverachtenden Thesen der Rechtsextremen kaum jemand hörte. Die politisch Verirrten kamen aus Magdeburg und fuhren dann auf ihrer „Deutschlandtour“ weiter nach Hildesheim. Man kann nur hoffen, dass diese eigentlich verfassungsfeindliche Gruppierung, durch die auch solche rechtsterroristischen Organisationen wie die NSU entstehen, die für mindestens zehn Morde verantwortlich sind, bald von der Bildfläche verschwindet. Dieser Spuk mit Unterstützung von Steuergeldern muss endlich ein Ende haben! Alle, die sich immer noch gegen ein Verbotsverfahren stellen, fordere ich ausdrücklich zum Überdenken ihrer Position auf.

Mediales Echo in Elsfleth

Ein anderer Polizeieinsatz am 1. August in Elsfleth (Landkreis Wesermarsch) wurde auch breit in der Öffentlichkeit diskutiert. Zwei Kollegen hatten Unterstützung bei einer amtsärztlichen Überprüfung eines 51-jährigen geleistet. Einer von ihnen wurde durch heftige Hammerschläge des Mannes schwer verletzt - der andere Kollege war gezwungen, drei Schüsse auf den Angreifer abzugeben. Der 51-Jährige verstarb noch am Ort des Geschehens. Der verletzte Beamte konnte das Krankenhaus am Folgetag wieder verlassen. Unsere guten Wünsche begleiten ihn. Die Ermittlungen wurden wie üblich aufgenommen. In diesem Fall war die GdP erneut auch als Ansprechpartner der Medien enorm gefragt. Der stellvertretende Landesvorsitzende Jörg Mildahn musste zahllose Stellungnahmen abgeben: NDR-Fernsehen und -Hörfunk, ZDF, Hitradio Antenne, Radio ffn, Stern, Focus, Handelsblatt und viele andere mehr berücksichtigten die GdP in ihrer Berichterstattung. Die Kollegen erhalten im Bedarfsfall selbstverständlich Rechtsschutz von der GdP.

Extreme Einsatzbelastung zum Fußball-Saisonstart

Ein weiteres Thema in den Medien war natürlich der beginnende Spielbetrieb in diversen Fußball-Ligen, dabei wurde seitens der GdP immer wieder die extreme Belastung der eingesetzten Polizeikräfte thematisiert. Persönlich konnte ich beim Zweitligaspiel Eintracht Braunschweig gegen den 1. FC Köln am Sonntag, 05. August die Berichte von Einheiten der Bereitschaftspolizei entgegen nehmen, die nach dem langen Einsatz am Samstag in Bad Nenndorf bereits wieder in Braunschweig im Dienst waren. Des Weiteren war ich am Sonntag, 12. August 2012 beim friedlichen Auswärtsspiel von Eintracht Braunschweig gegen Union Berlin im Stadion „An der Alten Försterei“ und habe mich von der Professionalität der eingesetzten Kräfte überzeugt.

Gerade diese hinlänglich bekannten Einsatzbelastungen, aber darüber hinaus auch die leider immer wieder stattfindenden Auseinandersetzungen mit Gewalttätern am Rande von Fußballbegegnungen, konnte ich am 07. August im Rahmen eines ganzseitigen Interviews in der Braunschweiger Zeitung zum Thema machen. Eigentlich wollte die Redaktion mit mir über unsere GdP-Aktion „Gemeinsam und fair!“ sprechen (siehe Bericht in dieser Ausgabe), doch die notwendigen Diskussionen über die Gewalt, der auch unsere Kollegen ausgesetzt sind, lenkten das Gespräch mit drei Fanvertretern schließlich in eine andere Richtung.

Und unsere gewerkschaftlichen Untergliederungen sowie die Personalvertretungen hatten auch genug zu tun, sei es bei der Begleitung der Einsatzkräfte aber insbesondere auch, was Beurteilungen und fehlende Beförderungen anbetrifft. Hauptthema bei allen Gesprächen mit den Kollegen/-innen im Einsatz oder im Büro war neben fehlenden A 10-Stellen eindeutig der unsägliche A 11-Erlass, der nur von wenigen immer noch verteidigt wird, die die seit der Einführung aufgetretenen Probleme offensichtlich nicht sehen wollen.

Von Sommerloch bei der Polizei jedenfalls keine Spur!

Obwohl: Das ein oder andere große Loch gibt´s dann doch. Nämlich das in den Geldbeuteln unsere Kolleginnen und Kollegen und das, bei der gerechten Bewertung der vielen Kräfte, die für Sicherheit sorgen. Denn dort fehlen seit Jahren als Zeichen ehrlicher Wertschätzung vor allem Urlaubs- und Weihnachtsgeld, die Erhöhung von Zulagen für Dienst zu ungünstigen Zeiten (DUZ), endlich zusätzliche A 10-Beförderungen, die Rückkehr zur 1:1-Abgeltung von allen Bereitschaftszeiten, die notwendige Bewertung aller Dienstposten nach A 11 sowie endlich auch Perspektiven für Tarifpersonal und Verwaltungsbeamte/innen bei der Polizei.

Wir bleiben bei der Forderung nach Abschaffung des spaltenden A 11-Erlasses, die von allen klar denkenden Fachleuten als richtig angesehen wird, und vertreten damit weiterhin die berechtigten Interessen unserer 14.500 Mitglieder sowie die aller anderen Kollegen/-innen.

Dauerloch statt Sommerloch: Sonderzuwendung in Karlsruhe

Dass sich das „Loch im Portemonnaie“ nicht schließt, dafür sorgte ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 3. Mai 20121. Es wies eine Vorlage des Verwaltungsgerichtes Braunschweig von 20082 als unzulässig zurück, mit der die Verfassungsmäßigkeit der niedersächsischen Regelungen zur Besoldung wegen einer Unteralimentation von Beamten in BesGr A9 aufgrund des Wegfalls der Sonderzuwendungen bezweifelt worden war.

Das BVerfG stellt in seiner unanfechtbaren Entscheidung fest, dass das VG Braunschweig seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der gewährten Bezüge nicht hinreichend dargelegt und sich auch nicht ausreichend mit Rechtsprechung und Schrifttum zur Verfassungskonformität der Alimentation nach der Neuregelung des Sonderzahlungsrechts befasst habe. Insbesondere eine Auseinandersetzung mit der die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung bejahenden (niedersächsischen) Rechtsprechung wäre angezeigt gewesen.

Auch die Argumentation in der Stellungnahme des DGB überzeugte die beschlussfassende 1. Kammer des 2. Senats des BVerfG leider nicht.

Wieder einmal müssen also die Kolleginnen und Kollegen die Auswirkungen einer unausgegorenen Rechtslage ausbaden. Das BVerfG gibt mit der Zurückweisung im Ergebnis inhaltlich den Weg für landesrechtliche Einschränkungen frei, die letztlich den Wegfall von Urlaubs- und Weihnachtsgeld zementieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, jedes Land kann in diesen Rechtsgebieten eigenverantwortlich handeln! Insofern werden wir die Aussagen der Parteien bezüglich einer Prüfung nach Wiedereinführung der berechtigten Sonderzahlung auch in Niedersachsen vor der Landtagswahl am 20. Januar 2013 genau bewerten. Schließlich ist der Gesetzgeber gefragt, mit einer Neuregelung endlich für das Stopfen dieser Löcher und damit für Anerkennung und Gerechtigkeit im öffentlichen Dienst zu sorgen. Leistung muss sich auch in Niedersachsen wieder lohnen!

Löchrige Beurteilungspraxis

Wer noch nicht genug hat von angeblichen und tatsächlichen Sommerlöchern, dem bleibt schließlich der neueste juristische Tiefschlag gegen die Kolleginnen und Kollegen nicht erspart: Der ungesunden Paarung von A11-Dienstpostendeckelung und den rigiden Vorgaben zur Beurteilungs- und Beförderungsauswahlpraxis wurde mit einem OVG-Urteil3 im August eine weitere Variante hinzugefügt. Danach muss die Binnendifferenzierung in dem Gesamturteil der Vorbeurteilung bei einer Auswahlentscheidung über eine Beförderungsstelle als leistungsbezogenes Kriterium berücksichtigt werden, wenn die Vorbeurteilung als ein Auswahlkriterium herangezogen wird. Damit ist die in dem Verfahren gegenständliche Praxis der PD Oldenburg gescheitert.

Die Konsequenzen haben wir bereits in unserer Info 26 vom 22.06.2012 festgestellt: Die bisherige Aussage seitens des Dienstherrn gegenüber der Kollegenschaft, es gehe bei Auswahlentscheidungen bei der Betrachtung der Vorbeurteilung nur nach der Vollnote, ist ad absurdum geführt worden. Die Kollegen/-innen, die sich darauf verlassen und die Binnendifferenzierung akzeptiert haben, sind durch diese Entscheidung bitter enttäuscht! Das Vertrauen in dienstliche Zusagen hat weiterhin schwer gelitten. Das Urteil ist ein Schlag ins Gesicht für die derzeitige interne Personalpolitik von Innenminister Uwe Schünemann, der auf frühzeitige Hinweise aus der Polizei nicht reagiert. Das unsägliche Beurteilungssystem wird der Leistung der Gesamtheit der Polizei überhaupt nicht gerecht. Die Gaußsche Normalverteilung ist in der Beurteilungspraxis gescheitert.

Wir haben längst Lösungswege aufgezeigt: Es müssen endlich ausreichend Planstellen sowie ein zeitlich festgelegter Beförderungskorridor geschaffen werden, ähnlich dem von der GdP seit Jahren geforderten leistungsbezogenen „Laufbahnverlaufsmodell“. Auch in dieser so wichtigen Angelegenheit werden wir den politischen Parteien vor der Landtagswahl 2013 auf den Zahn fühlen. Irgendwann muss Schluss sein mit negativen Gerichtsurteilen, die Konzepte und Entscheidungen für die Polizei ins Nirwana befördern.

Alle, die mithelfen wollen, diese hier aufgezeigten und alle weiteren Ungerechtigkeiten zu beheben, und die noch nicht gewerkschaftlich organisiert sind, sollten wie hunderte von Kollegen/-innen in den letzten Monaten, Mitglied bei der GdP werden. Denn diese speziellen „Sommerlöcher“ sowie die anstehende Tarifrunde, werden wir als Hauptforderungen in den heißen Herbst des Wahlkampfes in Niedersachsen mitnehmen. Wenn die Politik dann von ihren „Sommerloch-Urlaubstouren“ zurück ist, wird die GdP sie erneut lautstark und kräftig damit konfrontieren.

Dietmar Schilff Landesvorsitzender


1 BVerfG, 2 BvL 17/08 vom 3.5.2012, Absatz-Nr. (1 - 39), http://www.bverfg.de/entscheidungen/lk20120503_2bvl001708.html

2 Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des VG Braunschweig vom 09. 09. 2008 – 7 A 357/05

3 Nds. OVG Beschluss vom 09.08.2012 (5 ME 141/12)


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