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Grundsatzrede des NRW-Landesbezirksvorsitzenden Frank Richter

"Wir brauchen keine Experten, die die Polizei nur aus dem 'Tatort' kennen"

Dortmund.

In seiner Grundsatzrede vor den Teilnehmern und Gästen des Delegiertentages der GdP-Nordrhein-Westfalen forderte Landesbezirksvorsitzender Frank Richter ein durchgängiges Laufbahnrecht, individuelle Lebensarbeitszeitmodelle, die sich an den realen Erschwernissen des Polizeidienstes orientierten und eine Neuregelung des nicht mehr den heutigen Gegebenheiten entsprechenden Zulagenwesens. Richter: "Wir werden dafür kämpfen, dass man eine Reform nicht wieder dazu nutzt, auf kaltem Wege die lang erkämpften Errungenschaften einzustampfen. Wer Sicherheit produziert muss auch in Sicherheit leben können! Wir werden deshalb für eine modernes Dienstrecht kämpfen!" Die Polizei benötige, so fuhr Richter fort, eine Weiterentwicklung ihrer Struktur im Inneren und Äußeren: "Wenn es um neue Strukturen geht, sollten wir die Fachleute fragen, die etwas von Polizei verstehen, nämlich die Polizei selbst. Wir brauchen keine Experten, die die Polizei nur aus dem „Tatort“ kennen. Lasst uns unsere Arbeit tun, wir verstehen etwas davon."




Rückblickend auf die vergangenen vier Jahre erinnerte Richter noch einmal daran, dass es die GdP gewesen ist, die mit ihrer Aktion 5000 plus dafür gesorgt hat, dass die Einstellungszahlen bei der Polizei in NRW von 500 auf 1100 gestiegen sind. „Dass heute der Erfolg viele Väter hat, ist selbstredend“, sagte Richter. „Selbst diejenigen, die uns zwei Jahre vorher als Fantasten bezeichneten, schreiben sich heute diesen Erfolg auf die Fahnen. Aber wenn es darum gehen würde, ein Kapitel in einem Buch über gewerkschaftliche Aktivitäten zu schreiben, die von Erfolg gekrönt sind, wäre unsere Aktion 5000 plus das Musterbeispiel dafür, wie man durch gemeinsames und solidarisches Zusammenarbeiten erfolgreich sein kann.“ In seiner Rede warnte der nordrhein-westfälische GdP-Vorsitzende zugleich davor, diesen Erfolg kleinzureden. „Wenn heute selbst Mitglieder uns sagen, na klar, Irgendwann hätte es mehr Einstellungen geben müssen, lohnt sich ein Blick in die Nachbarländer. Dort wird weiterhin massiv Polizei abgebaut.“ Zur aktuellen Personalsituation ergänzte er: „Doch, dass eines ganz klar ist: Auch 1100 reichen nicht aus, 1500 Neueinstellungen pro Jahr sind unser Ziel.“


Auch das Ergebnis der Tarifverhandlungen 2008/2009 wertete Richter als einen bemerkenswerten Erfolg, indem er noch einmal an die Rahmenbedingungen erinnerte, unter denen der Abschluss zustande gekommen war: „ Die größte Wirtschaftskrise seit Bestehen dieser Republik steuerte ihrem Höhepunkt entgegen, Banken gingen in den Konkurs, Quelle war pleite, Karstadt und Opel standen vor der Insolvenz und mehr als jeder zweite Großbetrieb beantragte Kurzarbeit, bei vielen Betrieben drohten Massenentlassungen. Unsere Forderungen lagen auf dem Tisch - acht Prozent mehr. Das Ergebnis ist euch allen bekannt, 5,4 sind es geworden.“


Zwar habe der öffentliche Dienst in den letzten Jahren als Sparschwein der Nation auch herbe Einkommensverluste hinnehmen müssen, trotzdem „war dieses Tarifergebnis seit Jahren das erste, das weit über dem Inflationsausgleich lag“, betonte Richter. „Der Abstand zur allgemeinen Einkommensentwicklung wurde das erste Mal seit Jahren verringert.“


Zu verdanken sei der Tarifabschluss vor allem der großen Beteiligung der GdP-Mitglieder bei den Demonstrationen in Düsseldorf. Innerhalb von nur 14 Tagen hatte die GdP zweimal 3500 Kolleginnen und Kollegen auf die Straße zu bekommen. „Das war ein fantastischer Erfolg und das Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit“, sagte Richter. Keine andere Gewerkschaft und erst recht keine Standesorganisation in Nordrhein-Westfalen schafft es, so viele Kolleginnen und Kollegen zu mobilisieren.“


Erfolge habe die GdP zudem bei der Verbesserung der Ausrüstung, bei der bereits weitgehend erfolgten Umsetzung der zweigeteilten Laufbahn und beim Deckelungsbeschluss erzielt. „Es ist gelungen ist, die Tür des Deckelungsbeschlusses einen Spaltbreit zu öffnen, um damit einen Schritt in eine gerechtere Bewertung unserer Spitzenfunktion im A12 und A13 Bereich zu gehen.“




Rund 400 Delegierte und Gäste folgen der Grundsatzrede des Landesbezirksvorsitzenden Frank Richter. Foto: Rüdiger Holecek


Kritisch bewertete Richter hingegen, dass es die GdP nicht geschafft hat, die Einschnitte bei der Mittbestimmung im öffentlichen Dienst zu verhindern. Dass von Schwarz/Gelb im Haurückverfahren ein altes LPVG gegen ein noch älteres ausgetauscht worden wurde, sei „der ärgste Schlag für die Gewerkschaften“ in den vergangenen Jahren gewesen. „Die Mitbestimmung wurde geschleift, elementare Arbeitnehmerrechte wurden mit Füßen getreten“, kritisierte Richter. Das Ziel einer nachhaltigen Schwächung der Gewerkschaften sei damit aber nicht erreicht worden. „Viele Behördenleiter haben mittlerweile über Dienstvereinbarungen das alte LPVG wieder in Kraft gesetzt. Man hat schnell gemerkt, dass nicht nur die formalen Veränderungen unsinnig sind“, sondern auch, „dass man keine Behörde gegen die Beschäftigten führen kann“, sagte Richter.


Neben dem Rückblick auf die zu Ende gehende Wahlperiode ging der GdP-Landesvorsitzende in seiner Grundsatzrede auch auf die Erwartungen für die kommenden vier Jahre ein. „Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise mit weniger Steuereinnahmen bei gleichzeitig gestiegenen Anforderungen für die öffentlichen Haushalte werden uns vor ungeheure Probleme stellen“, betonte er. Das gesamte Bild werde sich zwar erst nach den Landtagswahlen in NRW zeigen, aber schon jetzt sei klar: „5,5 Milliarden weniger Steuereinnahmen für das Land und die Kommunen, die vor der Insolvenz stehen, werden die Arbeit für uns als Gewerkschaft der Polizei nicht einfacher werden lassen. Viele von uns mögen glauben, dass schon alles vorbei ist und die Auswirkungen der Wirtschaftskrise an von uns vorbei gehen.“ Dem sei aber nicht so: „Kolleginnen und Kollegen, ich sage euch, für uns wird es nach den Landtagswahlen erst anfangen. Die Gelder, die man verantwortungslosen Bankern in den Rachen geschmissen hat, wird jemand zahlen müssen. Die Ankündigung des Ministerpräsidenten Rüttgers, 12 000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst abzubauen, ist erst der Anfang und beantwortet damit gleichzeitig die Frage, wer diese unglaublichen Summen aufbringen muss – wir die Beschäftigten im öffentlichen Dienst“ warnte er. Deshalb werde nichts in Zukunft mehr sicher sein, weder bei der Bezahlung noch bei Sozialleistungen oder bei den Arbeitsplätzen.


Für Richter bedeutet das aber nicht, dass in Zukunft zu einer Schwächung der Gewerkschaften komme werde. Die nächste Zeit werde im Gegenteil „eine Zeit der Gewerkschaften“ werden. „Wir werden beweisen müssen, wie weit wir dazu in der Lage sind, außerparlamentarisch Druck zu erzeugen. Die Herausforderungen werden groß und wir werden uns, wie in der Vergangenheit auch diesen Herausforderungen als GdP stellen“, sagte er.




Verhandlungsleitung und Landesvorstand verfolgen die Grundsatzrede des Landesvorsitzenden Frank Richter. Foto: Rüdiger Holecek


Die geplante Dienstrechtsreform in NRW werde zudem zeigen, „ob zukünftig die Beamtinnen und Beamten wieder nur als Sparschwein einer verfehlten Haushalts- und Finanzpolitik missbraucht werden, oder ob man wirklich gewillt ist, in NRW ein zukunftsorientiertes, modernes Dienstrecht zu schaffen. Die Politiker haben die Instrumentarien für ein neues Laufbahnrecht, ein neues Besoldungs- und Versorgungsrecht dafür in der Hand.“


Als konkrete Forderung an die künftige Landesregierung nannte Richter ein neues, durchgängiges Laufbahnrecht für alle Beamtinnen und -beamten bei der Polizei, das sich für individuelle Lebensarbeitszeitmodelle öffnet, die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten zulässt und eine Neuregelung des überalternden Zulagewesens umfasst. Auch beim Gesundheitsmanagement der Polizei bestehe massiver Nachholbedarf. „Es ist eine Schande, mit welcher Ignoranz unser Dienstherr mit der Gesundheit und dem Leben unserer Kolleginnen und Kollegen umgeht. Damit muss Schluss sein“, forderte Richter. Es sei ein Skandal, dass fast 20 Prozent der Beschäftigten bei der Polizei jedes Jahr sechs Wochen oder länger krank sind. Es sei ein Skandal, dass unsere Kolleginnen und Kollegen auf der Straße und in den Kommissariaten allein gelassen werden. „Sie sind ausgebrannt und fertig. So geht es nicht mehr weiter. Wir brauchen klare Konzepte“, forderte Richter. „Ein Prozent weniger kranke Polizistinnen und Polizisten in NRW bedeuten jeden Tag ein plus von 400 Kolleginnen und Kollegen im Dienst.“


Grundsatzrede als PDF-Datei


NRW-Landesbezirksvorsitzender Frank Richter. Foto: Rüdiger Holecek

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