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Personelle Engpässe bei der Bekämpfung der Kinderpornografie

Düsseldorf.

In den vergangenen acht Jahren ist die Zahl der Straftaten wegen Verbreitung von Kinderpornografie in NRW um 50 Prozent gestiegen. Die Straffälle wegen Besitz von kinderpornografischem Material haben sich sogar mehr als verdoppelt, auch wegen der inzwischen deutlich verschärften gesetzlichen Bestimmungen. Entscheidender Schwachpunkt bei der Verfolgung von Kinderpornografie ist allerdings die hohe Dunkelziffer und die lange Dauer der Strafverfahren. In einem Gastbeitrag für die September-Ausgabe der Deutschen Polizei kritisiert der Düsseldorfer Oberstaatsanwalt Axel Stahl die personelle Ausstattung der auf Kinderpornografie spezialisierten Ermittlungsdienste der Polizei als unzureichend.

Die forensische Praxis zeigt, dass die Verbreitung von kinderpornografischem Material im Wesentlichen über das Internet erfolgt. Aus diesem Umstand ergeben sich für die in der praktischen Arbeit tätigen Strafverfolger spezifische – hier kurz zu beleuchtende – Besonderheiten. Der rechtliche Rahmen für die Verfolgung der Kinderpornografie ist – insbesondere nach der im November 2008 erfolgten Novellierung der Paragrafen 176 Abs. 4 Nr. 2 und 184 StGB – als hinreichend zu bewerten. Ausgehend von der kaum mehr nachvollziehbaren Überlegung, dass noch vor nicht allzu langer Zeit der Besitz von kinderpornografischem Material nicht strafbar gewesen ist, hat der Gesetzgeber seither ein materiellrechtliches Instrumentarium geschaffen, das die Bekämpfung sämtlicher Stufen der Herstellung, Verbreitung, Beschaffung und des Besitzes von Kinderpornografie ermöglicht. Ebenso stehen die vorhandenen prozessualen Regelungen einer erfolgreichen Verfolgung dieser Taten grundsätzlich nicht entgegen. Bedenklich erscheinen allerdings Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit, wie die Anhebung der Schutzaltersgrenze auf 18 Jahre durch die Einführung von Paragraf 184c StGB im Herbst 2008. Man mag dieser Vorschrift, die aus der Umsetzung europarechtlicher Rahmenrechtssetzung hervorgegangen ist, noch eine wohlmeinende Intention zugestehen. Es darf jedoch nicht erkannt werden, dass dadurch die ohnehin schon knappen polizeilichen und staatsanwaltlichen Ressourcen in diesem Bereich weiter belastet werden, weil der Erweiterung des Aufgabenbereichs nicht mit einer Aufstockung der vorhandenen Kräfte einhergegangen ist. Komplexer stellt sich die Bewertung der faktischen Gegebenheiten bei der Bekämpfung der über das Internet verbreiteten Kinderpornografie dar. Strafrechtliche Ermittlungen in diesem Bereich bedingen nahezu in jedem Verfahren die Sicherstellung und Auswertung von elektronischen peichermedien. Infolge der durch den technologischen Fortschritt in der IT-Technik mittlerweile verfügbaren Hard- und Softwarelösungen ist es auch für den technischen Laien unschwer möglich, erhebliche Datenbestände zu besitzen. Diese lassen sich zudem leicht, aber sehr effektiv verschlüsseln. Daraus resultiert bereits ein erheblicher Aufwand im Rahmen der technischen Erschließung und Auswertung von sichergestellten Datenträgern. Diese Arbeit kann in der Zusammenarbeit der verschiedenen an der Strafverfolgung beteiligten Behörden nur von der Polizei geleistet werden. Es zeichnet sich dabei zunehmend ab, dass die dort vorhandenen Kapazitäten für diese Aufgaben – trotz des erheblichen Engagements der betroffenen polizeilichen Fachdienststellen – nicht ausreichen, um eine zeitnahe Erledigung zu gewährleisten. Im Sinne einer effizienten Strafrechtspflege unter rechtsstaatlicher Wahrung der Belange aller Betroffenen ist es aber erforderlich, dass Datenträger schnell aufbereitet und gesichtet werden. Nicht nur der rechtsstaatlich gebotene Schutz der Rechte des Beschuldigten gebietet eine
zügige Auswertung der bei diesem sichergestellten Datenträger und IT-Anlagen. Denn diese Maßnahmen sind die Voraussetzungen dafür, dass durch die damit befassten Dezernenten der Staatsanwaltschaft eine inhaltliche Bewertung der Daten vorgenommen werden kann, die die Grundlage für die weitere Bearbeitung des Verfahrens ist. Zudem hat sich in der Vergangenheit – wenn auch eher selten – gezeigt, dass sich aus der Auswertung von sichergestelltem Material auch Hinweise auf noch andauernde Missbrauchstaten gewinnen ließen, die dann
teilweise beendet werden konnten. Auch wenn nur eine geringe Chance besteht, geschädigte Kinder und Jugendliche zu schützen, gebietet auch der zwingend zu berücksichtigende Gedanke des Opferschutzes deshalb eine zeitnahe Auswertung aller sichergestellten Datenträger.
Zumindest nach Einschätzung der staatsanwaltlichen Praxis liegt das Kernproblem bei der Dauer der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren der beschriebenen Art in den – als nur unzureichend wahrgenommenen – polizeilichen Auswertekapazitäten. Demgegenüber stellt sich – von Einzelfällen abgesehen – die Dauer der Bearbeitung der einschlägigen Verfahren bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten – ist erst einmal die technische Aufbereitung und Auswertung erfolgt – als der kürzeste Teil der Verfahrensdauer dar. Gleichwohl ist absehbar, die mit der Bearbeitung der Verfahren befassten Dezernenten und Dezernentinnen durch die zukünftig noch zunehmenden Mengen des zu bewertenden Materials auch an die Grenzen ihrer Belastbarkeit geraten werden.

Oberstaatsanwalt Axel Stahl ist Mitglied der Bundes- und Landesstaatsanwaltskommission des Deutschen Richterbundes (Landesverband NRW). Er ist Leiter der Zentralstelle des Landes Nordrhein-Westfalen zur Bekämpfung von gewaltverherrlichenden, pornografischen und sonstiger jugendgefährdender Schriften.

Grafik "Straftaten im Bereich Kinderpornografie in NRW" zum Download
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