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Entschädigung wegen altersdiskriminierender Besoldung

Mainz.

Die GdP erreichen dutzende Anfragen frustrierter Kolleginnen und Kollegen zu dem Thema. Den Anfragen liegen unterschiedlichste Sachverhalte zu Grunde. Wir versuchen mit diesem Flugblatt, die wichtigsten an uns herangetragenen Fragen aus rechtlicher Sicht zu erläutern.

Eine andere Frage ist die gewerkschaftspolitische Bewertung und Forderung an den Dienstherrn: Es steht höchstrichterlich fest, dass Rheinland-Pfalz ein altersdiskriminierendes Besoldungssystem hatte und den Betroffenen deshalb grundsätzlich ein Entschädigungsanspruch zusteht. Dann sollten auch alle Betroffenen gleichbehandelt werden und eine Entschädigung erhalten, unabhängig, ob und wann Widerspruch eingelegt wurde!

Grundsätzliches zum Anspruch
Frage: Worum geht es?
Antwort: Bis zum 30. Juni 2013 richtete sich die Besoldung der rheinland-pfälzischen Beamtinnen und Beamten nach dem Bundesbesoldungsgesetz in der Fassung vom 6. August 2002. Die Höhe des Grundgehalts einer Besoldungsgruppe war nach Dienstaltersstufen gestaffelt, wobei das Dienstalter allein vom Lebensalter abhing. Ältere Beamte erhielten allein wegen ihres höheren Lebensalters eine höhere Besoldung als jüngere Beamte, unabhängig von ihrer dienstlichen Erfahrung.

Frage: Warum ist Juni 2013 der letzte Monat, für den eine Entschädigung gezahlt wird?
Antwort: Ab 01.07.2013 trat ein neues Landesbesoldungsgesetz in Kraft, das keine Dienstaltersstufen mehr kennt, sondern Erfahrungsstufen. Dieses neue diskriminierungsfreie System löst keine Entschädigung aus.

Frage: Die Bestandsbeamten wurden von den Dienstaltersstufen 1:1 in die Erfahrungsstufen übergeleitet. Setzt sich die Diskriminierung nicht fort?
Antwort: Ja, die Diskriminierung setzt sich fort. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 20.06.2014 (Specht C-501/12) diese Diskriminierung aber als gerechtfertigt angesehen (s. Flugblatt der GdP vom 20.06.2014 in dem als letzter möglicher Anspruchsmonat der Juni 2013 genannt wird).

Frage: Ich befand mich zeitweise in Elternzeit oder Urlaub ohne Dienstbezüge, wieso erhalte ich für diese Zeit keine Entschädigung?
Antwort: Anspruch auf Entschädigung hat nur, wer einen Anspruch auf Besoldung in einem altersgestuften System (z.B. A-Besoldung) hat und Besoldung bezogen hat.

Frage: Ich bezog Anwärterbezüge oder war schon pensioniert. Steht mir auch eine Entschädigung zu?
Antwort: Nein, wer Anwärterbezüge erhält bezieht keine Besoldung aus einem altersgestuften System. Ein Pensionär, hat zwar ein altersdiskriminierendes System durchlaufen, wird ab diesem Zeitpunkt aber nicht mehr altersdiskriminierend besoldet.

Frage: Ich befand mich schon in der höchsten Dienstaltersstufe. Warum erhalte ich keine Entschädigung?
Antwort: Wer in der höchsten Dienstaltersstufe war, hat zwar ein altersdiskriminierendes System durchlaufen, wird ab diesem Zeitpunkt aber nicht mehr altersdiskriminierend besoldet. Ansprüche auf Entschädigung können damit nur für Zeiträume zuvor bestehen, woraus sich die Frage nach den einzuhaltenden Fristen stellt (Antwort: s. „Frist“)

Fristen
Frage: Warum musste bis zum 31.07.2013 Widerspruch eingelegt werden?
Antwort: Weil die maßgebliche Anspruchsgrundlage für eine Entschädigung eine Frist von zwei Monaten vorsieht und der letzte Monat Juni 2013 ist, für den eine Entschädigung erlangt werden kann. Die Anspruchsgrundlage ist § 15 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Dies hat das BVerwG (Urteil v. 06.04.2017, Az. 2 C 11.16) und das OVG Rheinland-Pfalz (Urteil v. 16.01.2018, Az. A 11424/17) so entschieden. Die zuvor ergangenen Entscheidungen des EuGH haben lediglich festgestellt, dass eine altersdiskriminierende Besoldung vorliegt, die Frage der Entschädigung aber den nationalen Gerichten überlassen.

Frage: Kann ich jetzt noch Widerspruch einlegen?
Antwort: Nein, s. Antwort zuvor.

Frage: Ich habe vor dem 31.07.2013 Widerspruch eingelegt. Das LfF behauptet in seinem Widerspruchsbescheid ich habe erst später Widerspruch eingelegt. Was soll ich tun?
Antwort: Der Widerspruchsführer muss den Zugang seines (früheren) Widerspruchs beim LfF bzw. bei der vormaligen OfD beweisen. Wer eine Bestätigung über den Eingang des früheren Widerspruchs durch die OfD/LfF hat, setzt sich bitte sofort mit der GdP Geschäftsstelle in Verbindung, wir werden versuchen, den Widerspruchsbescheid durch das LfF aufheben zu lassen, so dass keine Bestandskraft des Widerspruchsbescheides eintritt. Das LfF wird dann die Entschädigung neu berechnen. Bis zur Bestätigung der Übernahme des Rechtsschutzfalles durch die GdP Geschäftsstelle bleibt jedes Mitglied für die Fristwahrung der Klagefrist selbst verantwortlich!
Wer keine Eingangsbestätigung hat, der muss glaubhaft machen, dass der Widerspruch rechtzeitig und ordnungsgemäß seine Einflusssphäre verlassen hat und bei normalem Postlauf, Faxübermittlung usw. rechtzeitig zugegangen wäre. Hier genügen keine allgemeinen Angaben (z.B. wir haben damals alle in der Schicht ein Fax weggesandt, das werde ich dann wohl auch getan haben). Erforderlich ist die genaue Schilderung wann, wo und wie der Widerspruch abgesandt wurde und diese Umstände müssen glaubhaft gemacht werden. Entweder durch eidesstattliche Versicherung oder Benennung von Zeugen, einem Faxprotokoll usw. Die Betroffenen wenden sich bitte ebenso sofort an die GdP Geschäftsstelle.

Frage: Ich habe vor dem 31.07.2013 mehrfach Widerspruch eingelegt. Das LfF legt seinem Widerspruchsbescheid nicht den ältesten Widerspruch zu Grunde. Was soll ich tun?
Antwort: Hier gilt das Gleiche wie in der Frage zuvor.

Frage: Ich habe Widerspruch vor dem 31.07.2013 eingelegt. Das LfF behauptet auf Nachfrage, es habe von mir keinen Widerspruch erhalten.
Antwort: Hier gilt das Gleiche wie in der Frage zuvor.

Frage: Die GdP hat in einem Flugblatt einen Widerspruch selbst bis 31.12.2014 noch für möglich gehalten. Wie kann das sein?
Antwort: Weil zum damaligen Zeitpunkt eine andere gerichtliche Entscheidung noch möglich war, die ggf. Ansprüche in Rahmen der dreijährigen Regelverjährungsfrist hätte gewähren können. In Frage stand der „unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch“ und welche Verjährungsfrist für diesen gilt. Neben dem Anspruch aus dem AGG hat das BVerwG (Urteil v. 06.04.2017, Az. 2 C 11.16) und das OVG Rheinland-Pfalz (Urteil v. 16.01.2018, Az. A 11424/17) im Nachgang auch die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs angenommen.

Frage: Warum gilt dann nicht die dreijährige Regelverjährungsfrist?
Antwort: Für den Anspruch aus dem AGG ergibt sich das unmittelbar aus dem Gesetz selbst. Die Frist ist 2 Monate. Für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch gilt grundsätzlich die nationale Verjährungsfrist. Das wäre in Deutschland die dreijährige Regelverjährungsfrist aus § 195 BGB. Diese Verjährungsfrist gilt allerdings nicht, wenn spezielle Vorschriften dieser Frist vorgehen. In Deutschland ist seit Jahrzehnten ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, dass Beamte aufgrund ihrer besonderen Treuepflicht verpflichtet sind, Ansprüche gegen ihren Dienstherrn im laufenden Haushaltsjahr geltend zu machen (Grundsatz der „zeitnahen Geltendmachung“). In einer Entscheidung des BVerwG (Urteil v. 26.07.2012, Az. 2 C 70.11) schien das BVerwG diesen Grundsatz -zumindest, wenn der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch betroffen ist- aufgegeben zu haben, weshalb Hoffnung bestand, dass dies auch bei der altersdiskriminierenden Besoldung gelte. Das BVerwG (Urteil v. 06.04.2017, Az. 2 C 11.16) und das OVG Rheinland-Pfalz (Urteil v. 16.01.2018, Az. A 11424/17) haben aber nicht nur den Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung angenommen, sondern diesen noch verschärft: Ansprüche aus dem unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch sollen erst auf die der Geltendmachung folgenden Bezüge entstehen (so schon zuvor BVerwG, Urteil vom 29. September 2011, Az. 2 C 32.10, vom 26. Juli 2012 2 C 29.11 und vom 17.09.2015, Az. 2 C 26.14).

Gleichbehandlung
Frage: Frist hin, Frist her. Warum muss der Dienstherr nicht alle Beamten gleich behandeln, die von der altersdiskriminierenden Besoldung betroffen waren?
Antwort: Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung setzt ein dienstrechtlicher Ausgleichsanspruch voraus, dass er vom Beamten oder Soldaten zuvor geltend gemacht worden ist. Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus Gesetz ergeben, bedürfen einer vorherigen Geltendmachung so BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990, Az. 2 BvL 1/86 und BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012, Az. 2 C 29.11 Denn hier ist eine vorgängige Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich.

Frage: Hätte mich der Dienstherr aus Fürsorgegründen nicht wenigstens darüber informieren müssen, dass in Streit steht, ob meine Besoldung Altersdiskriminierend ist?
Antwort: Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gebietet die Fürsorgepflicht dem Dienstherrn grundsätzlich nicht, seine Beamten von sich aus auf für sie etwa in Betracht kommende Antragsmöglichkeiten aufmerksam zu machen (vgl. z.B. BVerwG, Urteil v. 30.01.1997, Az. 2 C 10/96).

Höhe der Entschädigung
Frage: Warum ein pauschaler Betrag von 100,-€ monatlich?
Antwort: Wer in rechtlich verbotener Weise diskriminiert wird, kann einen angemessenen Ausgleich für die erlittenen immateriellen Einbußen verlangen, d.h. eine Art Schmerzensgeld. Auf einen materiellen Schaden kommt es nicht an. Das BVerwG hat in seinem Urteil vom 06.04.2017 (2 C 11.16) einen pauschalen Betrag von 100,- € für angemessen erachtet. Dem ist das OVG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 16.01.2018 (2 A 11424/17) gefolgt.

Frage: Warum erhalte ich nur für den Monat vor meinem Widerspruch eine Entschädigung und nicht zwei, die rückwirkende Frist beträgt doch zwei Monate?
Antwort: Maßgeblich ist die jeweilige Bezügezahlung. Da die Besoldung monatlich im Voraus zusteht, werden die Bezüge regelmäßig jeweils im Vormonat auf dem Konto gutgeschrieben.

Beispiel (LfF Homepage)

Der Widerspruch wurde am 05.06.2012 eingelegt. Wer Anspruchs- bzw. Entschädigungszeitraum am 01.05.2012 (Bezüge ab dem Monat Mai 2012). Für alle nachfolgenden Monate ist die erneute Einlegung eines Widerspruches nicht erforderlich.


Bezüge Mai 2012:30.04.2012 regelmäßige Zahlung
-> § 8 Abs. 1 Landesbesoldungsgesetz
Beginn der Frist:01.05.2012-> § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch
Dauer der Frist:2 Monate
-> § 15 Abs. 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Ende der Frist:02.07.2012-> § 188 Abs. 2 und 3 Bürgerliches Gesetzbuch
Hinweis: Wenn das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, endet die Zweimonatsfrist nicht am Samstag, Sonntag oder Feiertag, sondern erst am folgenden Werktag
(§ 193 Bürgerliches Gesetzbuch).


Der Monat April 2012 kann nicht mehr in den Anspruchs- bzw. Entschädigungszeitraum miteinbezogen werden. Für den Monat April 2012 endet die Frist am 30.05.2012.

Frage: Aus dem Zeitraum der altersdiskriminierenden Besoldung berechnet sich mein Elterngeld. Müsste das nicht höher ausfallen?
Antwort: Nein, die Feststellung, dass das Besoldungssystem als solches altersdiskriminierend war enthält keine Bewertung, dass die individuellen Bezüge nicht amtsangemessen waren. Mit der Höhe der Besoldung hat die entschieden Frage nichts zu tun.

Rechtsmittel
Frage: Kann ich gegen die Entscheidung Widerspruch einlegen?
Antwort: Nein! Es handelt sich bereits um Widerspruchsbescheide, gegen die Klage beim Verwaltungsgericht erhoben werden muss. Die Klagefrist beträgt einen Monat, das zuständige Gericht und die Art und Weise der Einlegung kann der Rechtsmittelbelehrung entnommen werden.

Frage: Lohnt sich eine Klage?
Antwort: Nur im Ausnahmefall! Die rechtlichen Grundlagen für die Widerspruchsbescheide liegen in zwei Entscheidungen des EuGH, zwei Entscheidungen des BVerwG und einer Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz. Damit sind die zu Grunde liegenden Fragen höchstrichterlich umfassend und abschließend behandelt. Eine Klage gegen die Frist 31.07.2013 usw. hat damit keine Aussicht auf Erfolg.

Einzig ein offenkundiger Fehler des LfF auf der Sachverhaltsebene kann daher mit Erfolg angegriffen werden. Hauptfall: Es wird seitens des LfF behauptet, ein Widerspruch sei gar nicht oder später als eingelegt erfolgt (s. Frage unter „Frist“).

Mitglieder der GdP melden sich in diesem Fall bitte sofort bei der GdP Geschäftsstelle unter Übersendung des Widerspruchbescheides, eines Rechtsschutzantrags und der notwendigen Mittel zur Glaubhaftmachung (eidesstattliche Versicherung, Faxsendeprotokoll, unterschiebene Zeugenaussage usw.)

Im Übrigen versuchen wir mit dem DGB, eine akzeptable Lösung mit dem Land zu finden.