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Besoldung in Rheinland-Pfalz: Ist die Besoldung amtsangemessen?

Lohnt sich ein Widerspruch?

Ausgangslage
Durch das Landesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2022 wurde die Auszahlung der Corona-Sonderzahlung von bis zu 1.300 € für Besoldungsempfänger/-innen und die Besoldungs- und Versorgungsanpassung von 2,8% ab 1. Dezember 2022 beschlossen. Daneben wurden detaillierte Regelungen zum kinderbezogenen Familienzuschlag ab dem 3. Kind vorgenommen.


Bewertung
Der Landesvorstand der GdP ist sich in der Bewertung einig, dass die derzeitige Besoldung und Versorgung nicht angemessen ist. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob sie auch den Leitlinien des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur amtsangemessenen Besoldung - sowohl hinsichtlich der allgemeinen Grundbesoldung - als auch besonders der von kinderreichen Beamtenfamilien widerspricht.


Hintergrundwissen
Das BVerfG hat in einer wegweisenden Entscheidung vom 5. Mai 2015 (vgl. 2 BvL 6/12) für den Besoldungsgesetzgeber bindende Begründungs- und Prüfpflichten festgelegt und in weiteren Entscheidungen vom 4. Mai 2020 (vgl. BVerfG 2 BvL 4/18; 2 BvL 6/17) konkretisiert und die Berechnungsparameter präzisiert. Danach prüft das BVerfG eine mögliche verfassungswidrige Unteralimentation in drei Prüfungsstufen. Auf der ersten Prüfstufe zieht es dazu fünf Parameter heran, wobei die Entwicklung der Besoldung mit der Entwicklung des TVL, aller Tariflöhne und der Inflation verglichen wird, wobei innerhalb von 15 Jahren bei keinem der Parameter die Besoldung um mehr als 5 Prozentpunkte zurückbleiben darf. Weiter dürfen sich die Besoldungsgruppen nicht zu stark annähern und die durchschnittliche Besoldung der übrigen Länder und des Bundes darf nicht mehr als 10% unterschritten werden. Zusätzlich kommt dem sogenannten Abstandsgebot zur sozialen Grundsicherung erhebliche Bedeutung zu.

In den letzten Jahren konnte rechnerisch nicht nachgewiesen werden, dass die rheinland-pfälzische Besoldung einen oder mehrere der fünf Parameter „verletzt“. Da die statistischen Werte für 2022 (und die Folgejahre mit Inflation usw.) heute nur geschätzt werden können, ist lediglich eine Prognose möglich. Danach könnte 2022 insbesondere ab der Besoldungsgruppe A 10 die Besoldung um mehr als fünf Prozentpunkte hinter der Entwicklung aller Tariflöhne zurückbleiben.

Daneben ist fraglich, ob das BVerfG einen „Trick“ der Landesregierung akzeptiert. Das Abstandsgebot zur sozialen Grundsicherung ist nach bisheriger Rechtsprechung des BVerfG gewahrt, wenn einer Beamtenfamilie mit zwei Kindern 15% mehr Nettoeinkommen verbleibt als einer vergleichbaren Familie, die Leistungen der sozialen Grundsicherung in Anspruch nehmen muss. Berechnet wurde dies anhand der Besoldung eines Partners, ohne Rücksicht auf mögliche Einkünfte des anderen Partners. Rheinland-Pfalz rechnet nun 5.400 € Einkünfte des anderen Partners auf die Jahreseinkünfte hinzu. Ohne diesen „Trick“ wäre das Abstandsgebot eindeutig nicht gewahrt. Sollte das BVerfG dies als verfassungswidrig feststellen, müssten Familien höher alimentiert werden. Daneben stellt sich die Frage, ob das Besoldungsgefüge insgesamt verfassungswidrig wird und damit auch eine höhere allgemeine Besoldung gezahlt werden muss.

Ein oder zwei „gerissene“ Parameter der erste Prüfstufe führen allerdings erst zu einer Prüfung auf der zweiten und dritten Stufe durch das BVerfG. Stellt das BVerfG eine Unteralimentation fest, bedeutet dies nicht automatisch eine Nachzahlungspflicht des Dienstherrn.

Ob die rheinland-pfälzische Besoldung (und daraus folgend auch die Versorgung) im Jahr 2022 verfassungsgemäß ist, ist fraglich. Es bestehen zumindest begründbare Zweifel daran.


Was tut die GdP sonst noch?
Die GdP wird mit dem DGB das Thema der Besoldung mit der Finanzministerin in einem Spitzengespräch im Januar nächsten Jahres ansprechen und die Landesregierung auffordern, eine verfassungsgemäße Besoldung sicher zu stellen. Die derzeitige Besoldung werden wir darüber hinaus in Musterverfahren gerichtlich überprüfen lassen, um Rechtsicherheit zu erlangen. Der einfachste Weg zu einer höheren Besoldung folgt dem Abschluss einer hohen Tariflohnsteigerung in den im Herbst 2023 anstehenden Tarifverhandlungen für den Öffentlichen Dienst der Länder.


Was bedeutet es für jede und jeden persönlich?
Jeder einzelne Beamte bzw. jede einzelne Beamtin kann gegen Ihre Besoldung Widerspruch einlegen. Hierfür gelten einige Grundsätze, die beachtet werden müssen.

    • Der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung bedeutet, dass noch im laufenden Haushaltsjahr, also bis 31.12.2022, Widerspruch eingelegt werden muss, um mögliche Ansprüche für 2022 zu sichern.
    • Der Widerspruch sollte nachweisbar eingelegt werden, d.h. mit eingeschriebenem Brief (von der Übersendung durch Fax, normaler Briefpost und insbesondere der Dienstpost oder dem Einlegen in den Briefkasten des LfF raten wir ab) und der Beleg und eine Kopie des Widerspruchs ist aufzuheben.
    • Der Widerspruch muss schriftlich (nicht per E-Mail!) mit Absender, Datum, Personalnummer, Besoldungsgruppe und Unterschrift versehen erhoben werden.
    • Der Widerspruch sollte auch die Folgejahre umfassen und die Bitte enthalten, die Bescheidung des Widerspruchs ruhend zu stellen und auf die Erhebung der Einrede der Verjährung zu verzichten.
    • Erfolgt im Jahr 2023 oder später eine Beförderung, muss zwingend erneut ein Widerspruch eingelegt werden, in den übrigen Fällen kann dies sicherheitshalber geschehen

Hierfür kann der anhängende Musterwiderspruch der GdP verwandt werden, der auf unserer Homepage zu finden ist, einmal für Beamtinnen und Beamte im aktiven Dienst und einmal für unsere Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger.


Achtung!
Wird der Widerspruch nicht ruhend gestellt, sondern ergeht ein Widerspruchsbescheid, muss innerhalb der Klagefrist von einem Monat, Klage beim Verwaltungsgericht erhoben werden. Andernfalls sind mögliche Ansprüche aus 2022 nicht gewahrt. Für ein Massenverfahren kann die GdP keinen individuellen Rechtsschutz gewähren. Wir werden aber ein Klagemuster zur Verfügung stellen und geeignete Musterkläger aussuchen, um eine gerichtliche Klärung herbeizuführen.


Soll ich oder soll ich nicht?

Steffi Loth beschreibt die Situation wie folgt:

Die Entscheidung ist höchst individuell und hängt von der Besoldungsgruppe, der Familiensituation, der Anzahl der Kinder usw. ab. Die Entscheidung selbst können wir euch nicht abnehmen aber wir wollen euch bestmöglich unterstützen. Dass wir diesen Schritt überhaupt gehen müssen, dürfte der Landesregierung den mahnenden Finger zeigen!“

Unser Jurist und Gewerkschaftssekretär Markus Stöhr kommt zu dem Schluss:

„Die Möglichkeit einer Nachzahlung für das Jahr 2022 kann nicht als sicher bezeichnet werden. Mögliche Ansprüche können aber auch nicht ausgeschlossen werden, so dass durch diese Information und die Bereitstellung von Mustertexten und Hinweisen jeder und jede einen Widerspruch einlegen kann, wenn dies gewünscht ist.“