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Einsatz Ahrtal: Belastung – Ja!; aber auch ein Dienstunfall?

Mainz.

Die Flutkatastrophe ist schon fast ein dreiviertel Jahr her und neben unseren Kolleg:innen, Vorgesetzten und Kümmerern macht sich auch die GdP Gedanken über den Umgang mit Belastungen aus diesem Ereignis.

Die Flutkatastrophe ist schon fast ein dreiviertel Jahr her und neben unseren Kolleg:innen, Vorgesetzten und Kümmerern macht sich auch die GdP Gedanken über den Umgang mit Belastungen aus diesem Ereignis.

Für eure Fragen hatten wir zur Info-Veranstaltung eingeladen. Unser Jurist Markus Stöhr und der Sozialberater des PP Koblenz, Martin Schwaab, gaben umfassend Auskunft.
Hier das wichtigste zusammengefasst:


Vorab wollen wir hier noch einmal allen Kolleg:innen herzlich danken, die bei der Flutkatastrophe in der BAO wie AAO einen so tollen Job gemacht haben; geholfen haben, die Ausfälle zu kompensieren und auch privat nicht müde wurden zu helfen. Vielen Dank dafür!

Die folgende Information haben wir in zwei Teile aufgeteilt:
1. Wichtige Grundlagen zum Dienstunfallrecht (Jurist Markus Stöhr)
2. Was jede/r zum Erkennen von psychischen Belastungen wissen sollte (Sozialberater Martin Schwaab)

1.Wichtige Grundlagen zum Dienstunfall (§ 42 Landesbeamtenversorgungsgesetz)

Ein Dienstunfall ist ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.

Äußere Einwirkung: Etwas, das von außen kommt. Das Merkmal soll Geschehensabläufe ausschließen, für die innere Zustände oder Veranlagungen ursächlich sind (z.B. Herzinfarkt, Schlaganfall). Beamte sollen die Risiken tragen, die sich aus ihren individuellen Anlagen und gesundheitlichen Dispositionen ergeben. Der Dienstherr soll nur die Risiken tragen, die in seinem Bereich liegen.

Körperschaden: Dieser muss vorliegen. Darunter fallen auch psychische Schädigungen.
Plötzlich: ist ein Ereignis, wenn es unvermittelt und längstens innerhalb der täglichen Dienstzeit stattgefunden hat.

Was ist mit der Beweislast?
Die liegt bei den Beamteten. Sie müssen nachweisen, dass ein Unfall geschehen ist und dieser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ursächlich für den Körperschaden ist. Obacht, wenn Ärzte dies anders formulieren.

Wie ist das mit den Fristen?
Bei Sachschäden gilt die 3-Monatsfrist, z.B. wenn das Handy beim Einsatz kaputt geht.
Bei Körperschäden ist die Frist von 2 Jahren nach dem Ereignis zu beachten.
Eine 10-Jahresfrist gilt nur dann, wenn ich nicht in der Lage war, den Körperschaden früher festzustellen.

Was muss man alles melden?
Hierzu gibt es ein Urteil (BVerwG vom 30.08.2018 -2 C 18/17). Demnach ist ein meldepflichtiger Unfall nicht nur der feststehende Dienstunfall, sondern auch ein Unfallereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist und nur möglicherweise aktuell oder später einen Körperschaden verursacht und somit Unfallfürsorgeansprüche auslösen kann. Nicht zu vergessen: niemand muss sich straf-oder disziplinarrechtlich selbst belasten oder einem Haftungsrisiko aussetzen. Als Erstmeldung reicht aus, dass ein örtlich und zeitlich bestimmbares Unfallereignis im Dienst stattgefunden hat und welche unmittelbaren Folgen eingetreten sind. Im Zweifel sollte eine umfangreiche Schilderung des Geschehens erst nach Abschluss anderer Ermittlungen abgeben werden.

Wie sieht denn eigentlich die Leistung aus?
Das Heilverfahren umfasst die notwendige ärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei-und Heilmitteln, Leistungen bei Pflegebedürftigkeit und Behandlung in Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen auf Beihilfeniveau.

Was ist eigentlich ein qualifizierter Dienstunfall?
Dies ist immer dann wichtig, wenn ein vorzeitiger Ruhestandsbeginn im Raum steht, denn in diesem Fall wird eine höhere Pension gezahlt. Hier ist die objektiv erkennbare Lebensgefahr ausschlaggebend oder dieser ausgesetzt worden zu sein. Auch kann es um einen rechtswidrigen Angriff gehen. Dann werden Zulagen über einen Zeitraum von 6 Monaten hinaus weitergezahlt. Es muss jedoch absehbar sein, dass die Betroffenen später in ihren Organisationsbereich zurückkommen können.

Was kann man bei psychischen Erlebnisse raten?
Auch hier muss es sich um ein plötzliches, aus der Masse herausgehobenes einzelnes Ereignis, nicht um einen wochenlangen Einsatz handeln.

Beratungsangebote des Dienstherrn annehmen
Betroffene sollten Tagebuch über belastende Erlebnisse führen. Die Fristen sollten beachtet und ggfls. Wiedervorlagen im Kalender vermerkt werden. Körperliche und/oder psychische Veränderungen sollten selbst geprüft werden.

„Wenn jemand ein Bauchgrimmen hat, empfehle ich professionelle Hilfe schnellstmöglich in Anspruch zu nehmen. Fünf anfängliche (probatorische) Sitzungen sind von der Beihilfe abgedeckt. Dann können Therapeut:innent einen Ratschlag geben, der fachlich ist.
Weitere Infos gibt es auch auf der Homepage der ADD selbst. Und natürlich die Beratung durch die Kolleginnen und Kollegen der GdP-Geschäftsstelle“, so Gewerkschaftssekretär Markus Stöhr.


2.Umgang mit belastenden Ereignissen Martin Schwaab

„Im Rahmen der Bewältigung der Flutkatastrophe gab es vielfältige Belastungen. Außerhalb des Ahrtals herrschte das normale Leben. Im Ahrtal dominierten Verwüstung, Trauer und Tod. Vergebliche Rettungsversuche vor Ort, die Masse an Toten und verstümmelten Leichen waren sehr belastend. Eigene Lebensgefahren wurden in Kauf genommen. Auch die beschädigte Dienststelle ist Thema, sie ist ja eigentlich ein sicherer Ort. Es dürfte noch gar nicht klar sein, wie sich das auf die Kolleg:innen auswirken wird“, so Martin Schwaab.

Was haben die Sozialberatungen vor Ort und im Anschluss gemacht?
Wir haben niedrigschwellig mit den Kolleg:innen gesprochen, haben einzeln oder in Gruppen nachbereitet, Vorgesetztenreflexionen sowie bei Bedarf eine Weitervermittlung in Trauma-therapeutische Behandlungsangebote durchgeführt. Wichtig war, dass unsere Kolleg:innen vor Ort helfen konnten: schaufeln, tragen, Flaschen waschen, aufräumen und Vieles mehr.

Natürliche Reaktionen nach belastenden Ereignissen
Das sind bspw. Zittern, Schwitzen, Frieren, erhöhter Herzschlag, Sprachprobleme, Gedächtnisverlust, Entscheidungsprobleme, Hilflosigkeit, Orientierungsverlust, Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit, Gereiztheit, Aggression, Zurückgezogenheit oder sehr viel reden, Appetitverlust, Schlafprobleme, zielloses Herumlaufen, vermehrter Konsum von Alkohol/Nikotin/Koffein, wiederkehrende Bilder/Gerüche/Geräusche/Stimmen/Albträume

Hinweis für den Umgang in Gesprächen mit eventuell belasteten Kolleg:innen
Ein Gefühl von Sicherheit vermitteln und der Person die Kontrolle lassen. Sich überlegen, was ist trotz allem am Einsatz gut gelaufen und vor allem den offenen Umgang mit dem Erlebten zulassen. Gespräche führen und Betroffene in das Hier und Jetzt holen, wenn man merkt, dass es ihnen nicht möglich ist gedanklich aus der Situation herauszufinden. „Gib mir bitte mal die Kaffeekanne“ könnte bspw. so ein Satz sein. Keine eigenen Erlebnisse einbringen, sondern fragen, was der Person jetzt guttut und wie es ihr geht.

Hier noch ein Hinweis auf ein sehr sehenswertes Video zu der Thematik!

Als GdP ist es uns wichtig ein Klima des Verständnisses für psychische Belastungen positiv mitzugestalten. Hier läuft schon vieles gut aber es muss sich an der Organisationskultur noch einiges ändern. Wir sind aktuell dabei mit Fachleuten ein umfassendes Forderungspapier zu entwickeln, um Vor- und Nachsorge noch besser gestalten zu können. Wenn ihr unsicher seid, ob ihr selbst oder eure Kolleg:innen vielleicht belastet sind, wendet euch an eure Ansprechpartner:innen. Das können die sozialen Ansprechpartner sein, die Sozialberatung, Vorgesetzte, Personalräte, Seelsorger, eure GdP-Leute vor Ort, holt euch Hilfe“, so Verena Schäfer.

Der Landesvorstand