Zum Inhalt wechseln

Impfstopp mit AstraZeneca aufgehoben – so geht es weiter!

GdP im Gespräch mit Prof. Dr. Plachter, Dr. Brill und LPD Andreas Sarter

Mainz.

n den vergangenen Tagen haben uns vermehrt Fragen eurerseits zum Thema Impfstopp mit AstraZeneca erreicht. Viele sind verunsichert. Das können wir gut nachvollziehen, weshalb wir uns erneut zu einem digitalen Austausch mit dem Leiter der BAO Impfung, Andreas Sarter, Polizeiarzt Dr. Stefan Brill sowie Prof. Dr. Bodo Plachter (Virologe der Universität Mainz) getroffen und sie mit Fragen gelöchert haben.


Anbei findet ihr eine Zusammenstellung der Antworten auf die wesentlichen Fragen!

1. Die Bundesregierung hatte kürzlich einen Impfstopp für AstraZeneca verhängt. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Grundsätzlich wird bei neuen Impfstoffen sehr genau hingeschaut, welche Nebenwirkungen auftreten. In diesem Fall sind einzelne Hirnvenenthrombosen aufgetreten, die sehr selten sind. Daher erfolgte seitens der Bundesrepublik die Entscheidung zur Aussetzung der Impfung mit AstraZeneca und weitere Abklärungen. Das ist normal und bei verschiedenen Impfstudien bereits auch so vorgekommen. In solchen Fällen werden die Krankenakten der Patient*innen durchgeschaut, um Rückschlüsse auf die Ursache ziehen zu können.
Die EMA hat mitgeteilt, dass ein Zusammenhang zwischen Impfung und Hirnvenenthrombose nicht ausgeschlossen werden kann. Es sei jedoch auch um die Abwägung gegangen, wonach die Gefahr durch eine SARS-CoV-2-Infektion wesentlich höher sei als durch mögliche Nebenwirkungen. Hinzu käme, dass die Thrombose gut behandelt werden könne, wenn sie entsprechend rechtzeitig entdeckt wird.

2. Es habe keine Auffälligkeiten bei allgemeinen Thrombosen gegeben, die aufgetretenen Hirnvenenthrombosen seien jedoch überdurchschnittlich oft vorgekommen. Was bedeutet das für uns Laien? Was wäre eine „normale“ Anzahl an Hirnvenenthrombosen im Vergleich zu den durchgeführten Impfungen gewesen?

Statistiker haben bei den selten aufgetretenen Fällen von Hirnvenenthrombosen „die rote Fahne“ geschwenkt. Das wäre korrekt gewesen, denn das sei der Grund zur Anwendung dieses Verfahrens, um es dann in Ruhe überprüfen zu können. Hirnvenenthrombosen kommen insgesamt sehr selten vor, in Bezug auf die Anzahl der Geimpften ist diese Komplikation mit EU-weit ca. 18 Fällen insgesamt auch selten aufgetreten. Genaue Zahlen sind jedoch nicht bekannt. Die Nebenwirkungen seien bei jungen Menschen aufgrund der Immunantwort häufiger und stärker als bei Älteren.

3. Gestern hat die EMA mitgeteilt, dass der Impfstoff sicher ist und weiterhin verimpft werden kann. Was heißt an dieser Stelle sicher?

Bekannte Nebenwirkungen in den Beipackzetteln schränken die Sicherheit des Impfstoffs ein. Diese sind hier nicht weiter abweichend von den übrigen Impfstoffherstellern.

4. Trotzdem soll es eine extra Warnung vor möglichen seltenen Fällen von Blutgerinnseln in Hirnvenen geben. Was bedeutet dies für die Impflinge?

Die Ursachen müssen weiter aufgeklärt werden. Es kann auch in seltenen Fällen zu einer Unverträglichkeit eines Impfstoffes kommen, was möglicherweise seltene allergische Reaktionen auslöst. Die Impflinge müssen im Vorfeld mittels des aktuellen Aufklärungsbogen informiert sein.

5. Ein Risikofaktor seien laut Internet Gerinnungsstörungen. Was genau versteht man darunter und was sollten Personen tun, die möglicherweise ein erhöhtes Risiko haben?

Es werden aktuell zahlreiche Informationen im Internet veröffentlicht, die aber nicht wissenschaftlich haltbar sind. Auch bei den Studien gab es Proband*innen mit Gerinnungsstörungen, die Gerinnungshemmer einnahmen, die keine derartigen Nebenwirkungen aufwiesen bzw. dies zu keiner Verstärkung der Nebenwirkungen geführt hat.
Ein Zusammenhang ist nicht substantiiert. Daher ist auch bei diesem Personenkreis eine Impfung möglich. Eine bereits vorhandene Thrombose ist zudem keine Kontraindikation (Ausschlusskriterium). Auch eine Eiweiß-Unverträglichkeit schließt eine Impfung mit AstraZeneca nicht aus.

6. Die Impfbereitschaft innerhalb der Polizei ist erfreulicherweise sehr hoch und auch uns als GdP ist sehr daran gelegen, dass die Mitarbeitenden schnellstmöglich geimpft werden. Durch den Impfstopp ist die Verunsicherung, vor allem bei unseren Kolleginnen, groß. Sie wollen sich mit einem guten Gefühl impfen lassen. Mit Nebenwirkungen rechnen wir alle, mit Komplikationen jedoch nicht. Was würden Sie Frauen raten, die bspw. die Pille nehmen?

Unter den zu Impfenden waren viele Frauen, welche die Pille nehmen oder Menschen, die wenig trinken. Einen Zusammenhang zu Nebenwirkungen konnte man aber daraus resultierend bislang nicht feststellen bzw. wurden nicht als Risikofaktoren definiert. Man sollte jedoch insgesamt nach der Impfung wachsam sein.

7. „Prof. Dr. Plachter, Sie sagten gestern in einem SWR-Interview, der Impfstoff von AstraZeneca sei in Großbritannien hauptsächlich an ältere Menschen verimpft worden, wodurch offensichtlich diese Komplikationen nicht aufgetreten oder vielleicht selten aufgetreten sind.“ Könnte es tatsächlich sein, dass AstraZeneca in Deutschland eher für über 70-Jährige favorisiert wird?

Das war eine Vermutung, dass die EMA sich in diese Richtung äußern könnte. Diese hat sich nicht bestätigt. Zu einem späteren Zeitpunkt wird man auch die älteren Menschen mit AstraZeneca durchgeimpft haben. Dieser Impfstoff ist besser geeignet und wirksam als man ursprünglich dachte, vergleichbar mit den mRNA-Impfstoffen.

8. Wann geht es innerhalb der Polizei weiter mit den Impfungen?

LPD Andreas Sarter, Leiter der BAO-Impfen und Dr. Brill, Polizeiärztlicher Dienst: Am Montagnachmittag haben wir erfahren, dass die Impfung mit AstraZeneca gestoppt ist. Dies wurde unmittelbar so umgesetzt. Nach der Entscheidung der EMA wird das Impfen mit AstraZeneca nun am Montag in Wittlich-Wengerohr und Mainz wiederaufgenommen. Organisatorisch sind im Vorfeld noch weitere Maßnahmen erforderlich, wie die Um-Terminierungen der 1600 ausgesetzten Impfungen, so dass die Angehörigen der Priorität 2 innerhalb der Polizei schnellstmöglich einen Impftermin erhalten können. Auch die ersten ausgefallenen Impfungen der Priorität 3 werden entsprechend nachgeholt. Ergänzungen werden vermutlich über einen beschrifteten Aufkleber in den Aufklärungsbögen aufgenommen. Ein Newsletter zu der Thematik wurde heute bereits veröffentlicht. Die Koordinator*innen bei den Präsidien wurden informiert. Wir rechnen mit einem erhöhten Aufklärungsbedarf, auf den wir uns organisatorisch gut vorbereiten möchte. Auch auf Wunsch der Personalvertretungen wurde ein weiteres Anmeldefenster eingerichtet. Mit Stand 18.03.2021 haben sich nochmals 450 Personen angemeldet. Vermutlich werden sich bis zum 25.3.2021 über 12000 Personen, also ca. 86 % der Polizeibeschäftigten, angemeldet haben.

Bzgl. des zeitlichen Abstands zur Zweitimpfung gab es intensive Rücksprachen mit Fachmedizinern und dem MSAGD. Die in der Polizei terminierte Zweitimpfung nach 10 Wochen entspricht den empfohlenen Zeitkorridoren und stellt in der Wirksamkeit des Vakzins keinen Unterschied zu 12 Wochen dar. Alte Menschen müssten ggfls. häufiger nachgeimpft werden, um eine entsprechende Immunantwort zu erhalten.

9. Welche Priorität innerhalb der Polizei wird wann an der Reihe sein?

LPD Andreas Sarter, Leiter der BAO-Impfen und Dr. Brill, Polizeiärztlicher Dienst: Hier stehen komplexe Planungen dahinter, die aktuell auf Hochtouren laufen. Die Kapazitäten unserer Impfzentren sollen voll ausgelastet werden. Die Priorisierungen sollen weitgehend eingehalten werden, sofern es die Neuterminierungen/Umplanungen zulassen. Ziel ist es, die ausgefallen 1600 Impftermine – gerade für den operativen Dienst – schnellstmöglich nachzuholen. Dem MSAGD wurden die benötigten Dosen dargelegt, 4600 sind bereits verimpft. Die restlichen Dosen werden bei uns für die weiteren Impfrunden ab Montag gelagert. Auf Grund der Umstände kann es zu Terminverschiebungen kommen. Es muss hierbei auch an die Zweitimpfung gedacht werden.

10. Was wirken sich die Terminabsagen aufgrund des Impfstoffs auf den Impfplan aus?

Vier Impf-Tage zu je 400 Impfungen sind durch den Stopp verloren gegangen. Mitte April wird mit einer landesweit abgeschlossenen Erstimpfung gerechnet.

11. Welche Alternative gibt es für diejenigen, die in medizinisch begründeten Einzelfällen mit einem anderen Vakzin als AstraZeneca geimpft werden sollten?

Das hängt wesentlich von der Verfügbarkeit eines anderen Impfstoffs ab. Vorliegende ärztliche Atteste werden entsprechend behandelt. Dies kann jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend geklärt werden. Eine bestmögliche Lösung wird aktuell bereits durch den Polizeiärztlichen Dienst gesucht.

12. Ist auch das Impfen in den externen Zentren als eine dienstliche Veranstaltung im Sinne des Dienstunfallrechts zu werten und gibt es Absprachen, dass die Impfung im gleichen Zeitraum wie innerhalb der Polizei durchgeführt werden?

Eine juristische Stellungnahme ist durch die Anwesenden nicht möglich. Durch das MdI wurden bereits für die polizeieigenen Impfzentren Entscheidungen getroffen, die entsprechend veröffentlicht wurden. Diese separaten Fragestellungen müssen tiefergehend mit dem MdI geklärt werden.

13. Kann man sich nach den neuen Gefahrenhinweisen irgendwie auf die Impfung „vorbereiten“?

Man sollte keine Medikamente im Vorfeld der Impfung oder zur Vermeidung möglicher Nebenwirkungen nehmen. Davon wird medizinisch abgeraten. Erst bei auftretenden Nebenwirkungen sollten die dem Körper bekannten Medikamente (bspw. Schmerzmittel) eingenommen werden. Bei beginnenden Symptomen am Abend können vor dem Schlafengehen Medikamente eingenommen werden, um nachts die benötigte Ruhe bestmöglich zu gewährleisten. Es wird empfohlen, auf diejenigen Schmerzmittel bzw. Medikamente zurückzugreifen, die auch sonst eingenommen werden.

14. Sollten sich Kolleg*innen - aufgrund der neuen Warnhinweise - ihre Zweitimpfung nicht mit AstraZeneca verabreichen lassen wollen oder ein entsprechend erhöhtes Risiko vorliegen, was wäre dann zu tun?

Im Hinblick auf die Zweitimpfung werden sich die Betroffenen innerhalb der Zeitspanne durch weitere wissenschaftliche Daten informieren können. Bzgl. einer Skepsis gegenüber der Erstimpfung muss man darlegen, dass auch bei jungen Menschen eine Covid-Erkrankung schwerwiegend sein kann. Auch ohne eine Behandlung auf der Intensivstation kann das Leben stark beeinträchtigt sein. Über langanhaltende, schwerwiegende Konsequenzen klagen bspw. ca. 70% der Infizierten im Rahmen des sog. Long-Covid.
Mögliche Nebenwirkungen durch eine Impfung sind bekannt, aber im Verhältnis zur Covid- Erkrankung unwesentlich. Übrigens: Trotz Impfung sollten weiterhin die AHA-L Regeln befolgt werden.

15. Auf was haben die Kolleg*innen nach der Impfung im Hinblick auf eine mögliche Hirnvenenthrombose zu achten, um sich schnellstmöglich ärztlich behandeln zu lassen?

Dies ist noch nicht abschließend geklärt. Bei anhaltenden starken Kopfschmerzen über Tage hinweg sollte man unbedingt einen Arzt/ Ärztin aufsuchen. Gleiches gilt für Blutungsneigungen mit punktförmigen Flecken. Diese Nebenwirkungen werden verständlich und sehr gut auf dem Aufklärungsbogen beschrieben. Bei allen Nebenwirkungen, die länger als die gängigen 1 bis 2 Tage dauern, sollte ein Arzt/Ärztin aufgesucht werden. Hierbei sollte der schnellstmöglich greifbare Arzt gewählt werden, am besten der Hausarzt / die Hausärztin. Im Notfall sollte ein Krankenhaus aufgesucht werden.

16. Aus den Erfahrungen der bereits erfolgten Erstimpfungen: hat sich das Verfahren bewährt oder gibt es Dinge, die in der nun folgenden „zweiten“ Impfrunde organisatorisch anders zu handhaben wären?

Es wird kein zentraler Optimierungsbedarf gesehen. Nach-Terminierungen erfolgen zeitnah über die Koordinierungsstellen der Behörden. Der Informationsfluss läuft nach entsprechenden Rückmeldungen gut, so dass kein Änderungsbedarf erforderlich sei. Durch den Polizeiärztlichen Dienst werden im Rahmen der Impfsprechstunden sowie vor Ort in den Impfzentren alle aufkommenden Fragestellungen beantwortet. Hierfür nimmt man sich die benötigte Zeit und Ruhe. Dafür sind zwei Ärzt*innen erforderlich, so dass es aufgrund des nur zur Verfügung stehenden Personals zu keiner höheren Durchlaufzahl in den Zentren kommen kann. Die Verweildauer in den Impfzentren soll bestmöglich optimiert werden. Eine enge Abstimmung zwischen den Einsatzabschnitten erfolgt fortlaufend.

Wir hoffen euch damit die häufigsten Fragen beantwortet zu haben. Bitte beachtet auch die FAQ der BAO Impfungen, die im Intranet ausführlich zu diesen und weiteren Themen aufklären. Solltet ihr darüber hinaus weitergehende Fragen haben, meldet euch gerne bei euren GdP-Vertretern vor Ort.

Gemeinsam schaffen wir es durch diese Pandemie!