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Kunz: „Messerangriffe sind besonders gefährlich und erfahren seit Jahren eine Renaissance!“

Zu dem Vorfall in Dortmund:

Mainz.

„Ich möchte vorwegschicken, dass diese reflexartigen ad-hoc-Bewertungen und Debatten, wie ich sie in den letzten zwei Tagen insbesondere in den sozialen Medien verfolge, nach solchen Polizeieinsätzen für eine fundierte und an der Sache orientierten Aufklärung – sowohl für den Betroffenen und seine Angehörigen – als auch für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen nicht hilfreich sind. Diese verkennen, dass solche polizeilichen Einsatzlagen hoch komplex sind, auf einem hohen emotionalen Level ablaufen, viel rechtliche und mentale Kompetenz abverlangen und dass Polizistinnen und Polizisten sozusagen „ex-ante“ – also in der konkreten Situation mit den Umständen, die ihnen zu diesem Zeitpunkt bekannt sind – Maßnahmen bewerten und umsetzen müssen. All dies ist komplexer, als es durch die aktuelle Berichterstattung suggeriert wird und lässt sich nicht in wenigen Sekunden unmittelbar nach einem solchen Einsatz in Gänze beleuchten“, so Landeschefin Kunz.

„Darüber hinaus“, so Sabrina Kunz, „ist es mir wichtig zu betonen, dass diese Aussagen auch dann gelten, wenn wir selbst unmittelbar von einem Schusswaffengebrauch betroffen sind, wie Ende Januar im Fall unseres getöteten Kollegen und unserer getöteten Kollegin. Wenn also, wie diese Tage geschehen, durch Polizeiwissenschaftler Rafael Behr behauptet wird, „die zuständigen Polizeigewerkschaften werden das Thema „Gewalt an der Polizei“ auch im kommenden Diskurs wieder bewusst als Retourkutsche nehmen“ (Quelle: t-online), dann kann ich nur kopfschüttelnd darauf reagieren und unterstelle Hr. Behr, dass er an dieser Stelle eine Vorurteilsstruktur bedient, die in der Sache ebenso wenig hilfreich ist. Auch für die Polizeiwissenschaft muss gelten, dass Spekulationen und Vermutungen, wie „ich vermute aber, dass es vor Ort keine klare Führungsstruktur gab und dass keiner wusste, was jetzt zu tun ist“ die fundierte Sachverhaltsaufklärung und Ermittlung nicht ersetzen, sondern im Gegenteil dazu geeignet sind, Stimmung auf Kosten der Beteiligten zu machen.

Zu der Frage nach Messerangriffen und dem polizeilichen Umgang allgemein:

Messerattacken nehmen seit Jahren kontinuierlich zu. Dies wurde bereits in den Jahren 2018 und 2019 umfassend beleuchtet, als die Forderung der Aufnahme solcher Straftaten in die Polizeiliche Kriminalstatistik laut wurde.

Messerangriffe oder Angriffe mit anderen Gegenständen sind nach Auffassung der GdP deswegen so gefährlich, weil sie auf eine sehr kurze Distanz erfolgen und meist keine Zeit und auch keine räumlichen Möglichkeiten vorhanden sind, um sich aus der Situation zu flüchten oder aber unbeteiligte Dritte durch den Messerangreifer nicht in Gefahr zu bringen. Der Angegriffene und unbeteiligte Dritte sind einem Angriff mit dem Messer meist schutzlos ausgeliefert. Lebensgefährliche Verletzungen sind die Regel.

Bereits seit 2019 fordern wir, dass die Frage diskutiert wird, warum Menschen zunehmend Messer bei sich tragen und sie als Waffe zum Einsatz bringen. Oftmals werden sie aus „Verteidigungszwecken“ mitgeführt oder sind Messerangriffe auf sprunghafte Verhaltensweise von psychisch kranken Personen zurückzuführen. Es muss dringend eine intensive gesellschaftliche Auseinandersetzung über den Umgang mit psychisch auffälligen Personen, aber auch über das Thema Gewalt, geben.

Aus Sicht der GdP Rheinland-Pfalz ist aber auch klar: Wenn Menschen auf bedrohliche Art und Weise mit einem Messer auf Polizeibeamt:innen zulaufen oder unbeteiligte Dritte gefährden, dann muss als ultima-ratio auch mit dem Schusswaffeneinsatz durch die Polizei gerechnet werden. Die Ausführung unmittelbaren Zwanges ist nach rheinland-pfälzischem Polizeirecht Aufgabe der Polizei. Unmittelbarer Zwang ist per Definition die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, durch Hilfsmittel und durch Waffen. Als Waffen sind der Schlagstock, das Distanz-Elektroimpulsgerät, Pistolen, Revolver, Gewehr und Maschinenpistolen zugelassen.

Der Einsatz der Maschinenpistole stellt also nicht, wie in den Medien dargestellt wird, eine Steigerung zur Pistole dar, sondern steht im Rahmen einer Abwägung mit allen anderen Schusswaffen auf einer Stufe. Vor dem Einsatz der Waffen sind diese anzudrohen. Das gilt dann nicht, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. Zudem dürfen Schusswaffen nur gebraucht werden, wenn alle anderen Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges erfolglos angewendet sind oder offensichtlich keinen Erfolg versprechen.

Losgelöst von den konkreten Umständen des Falles in Dortmund, ist bei einem Messerangriff in der Regel von all diesen Voraussetzungen auszugehen. Dann ist je nach Bedrohungslage auch der Einsatz der Maschinenpistole gerechtfertigt. Um in einem solchen hoch dynamischen Einsatz auch in der Lage sein zu können, die richtige Entscheidung zu treffen, werden in Rheinland-Pfalz in einem dreijährigen Bachelor-Studiengang intensiv die verfassungsrechtlichen und polizeirechtlichen Voraussetzungen behandelt. Zudem werden Kompetenzen und die persönliche Resilienz trainiert. Die GdP fordert jedoch auch schon seit Längerem eine deutliche Ausweitung der Trainingsmöglichkeiten nach dem Studium, da ein routinierter Umgang trainiert werden muss.

„Zuletzt stellt sich mir als Polizistin immer wieder die Frage, was durch Mittel unseres „Sozialstaates“ getan werden muss, um psychisch auffälligen Personen dabei zu helfen, im Leben zurecht zu kommen. Leider sind es oftmals meine Kolleginnen und Kollegen, die eben genau dann handeln müssen, wenn Situationen, die sich vielleicht auch schon länger angebahnt haben, eskalieren. Das ist zwar unser Beruf und dafür sind wir ausgebildet, aber letzten Endes müssen wir auch als Menschen damit umgehen und klarkommen“, resümiert Kunz.