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Presse

Tödliche Kinderspiele

Gespräch des GdP-Landesvorsitzenden mit der Leipziger Volkszeitung.

Leipzig:.

Ob Kalaschnikow, Pumpgun oder Pistole - Kinder und Jugendliche haben die freie Auswahl. Es gibt kaum einen Waffentyp, den die Spielzeugindustrie in den letzten anderthalb Jahren nicht täuschend echt auf den Markt gebracht hätte - für jedes Alter frei erhältlich.

Soft-Air-Waffen heißen die neuen Verkaufsschlager, mit denen selbst die Kleinsten Plastikgeschosse auf potenzielle Feinde abfeuern können.

Doch nicht die Munition, sondern vor allem das Aussehen des Spielzeugs sorgt für Komplikationen: "Die Spielzeugwaffen sehen so echt aus, dass selbst Experten optisch keinen Unterschied mehr ausmachen können", sagt Matthias Kubitz, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Sachsen (GdP). Den öffentlichen Gebrauch der Soft-Air-Waffen, die es in Spielwarenläden und Online-Shops zu kaufen gibt, hält er daher für äußerst gefährlich. "Die Polizisten sind darauf trainiert, etwas, was wie eine Waffe aussieht, auch mit der nötigen Vorsicht zu behandeln", betont Kubitz. In Sachsen seien mittlerweile viele Jugendliche im Besitz solcher Imitate, was in der letzten Zeit häufig zu "kritischen Situationen" geführt habe. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein Kollege sich richtig hereinlegen lässt und in Notwehr auf den Träger der Spielzeugwaffe schießt", warnt Kubitz.

Genau dieser Fall ist im nordrhein-westfälischen Moers bereits eingetreten: Auf dem Schulhof eines Gymnasiums fuchtelte ein Mann mit einer Pistole herum und richtete seine Waffe auf eine zur Hilfe gerufene Polizistin. Die feuerte Warnschüsse ab - und schoss dem potenziellen Amokläufer dann gezielt in den Oberschenkel. Bei der Entwaffnung des Mannes stellte sich heraus, dass er lediglich eine Soft-Air-Pistole in der Hand hatte.

Im vergangenen Jahr wurden allein im Regierungspräsidium Leipzig 31 solcher Anscheinswaffen sichergestellt, darunter zwei Imitate, die aufgrund eines eingebauten Laserpointers unter das Waffengesetz fielen. Uwe Ebert, Sachverständiger für Schusswaffen beim Landeskriminalamt Sachsen, schätzt die Zahl der beschlagnahmten Waffen auf landesweit "mindestens 100". "Vor allem Jugendliche tragen solche Plastikknarren mit sich herum, bedrohen Bürger damit und schießen auch in Einzelfällen", so Ebert. Krieg spielende Jugendliche hätten in Sachsen bereits einige Einsätze von Sondereinsatzkommandos ausgelöst.

Auch in Sachsen-Anhalt floriert das Geschäft mit den Plastikwaffen: "Im vergangenen Jahr haben wir einen deutlichen Anstieg bei der Sicherstellung dieser Nachahmungen festgestellt", sagt Maik Kurlbaum, Pressesprecher des Landeskriminalamts Sachsen-Anhalt. Die Polizei in Magdeburg beschlagnahmte kürzlich bei einem 14-Jährigen 20 solcher Spielzeugwaffen.

Möglich wurde der Kauf der gefährlichen Spielzeuge erst mit dem Wegfall des Anscheinsparagrafen im neuen Waffengesetz aus dem Jahr 2002, der die Nachbildung von vollautomatischen Kriegswaffen verbot. Nun will Sachsen eben diesen Paragrafen wieder einführen. "Die Spielzeuge gefährden Polizisten und Jugendliche. Der Freistaat setzt sich daher für ein Verbot des öffentlichen Führens solcher Anscheinswaffen ein", betont Lothar Hofner, Sprecher des sächsischen Innenministeriums.

Mittlerweile scheinen die Irritationen auch bis zum Bundesinnenministerium vorgedrungen zu sein. "Wir haben eine Ächtungskampagne gestartet, die das Bewusstsein für die Gefahren dieser Anscheinswaffen schärfen soll", sagt eine Sprecherin. Zudem sei ein Gesetzgebungsverfahren für ein Verbot des Führens dieser Waffen auf dem Weg.

Ellen Großhans

(Quelle LVZ vom 16.01.2006)
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