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Politik

Weniger sollen länger arbeiten und dafür noch Gehaltseinbußen in Kauf nehmen.

In einem offenen Brief wendet sich die GdP-Kreisgruppe Südwestsachsen an die Landtagsabgeordneten in ihren Bereich.

Zwickau:.

Die Pläne der Staatsregierung zur Haushaltskonsolidierung wurden durch die übergroße Mehrheit der Polizeibeschäftigten mit Unbehagen, ja mit Wut und Enttäuschung aufgenommen. Sie sehen zunehmend ihre persönliche Berufseinstellung in Frage gestellt. Auf den Punkt gebracht, empfinden die Polizistinnen und Polizisten ihre Situation so:


Sehr geehrte(r) Landtagsabgeordnete(r),

gestatten Sie mir, dass ich mich namens der mehr als 700 Mitglieder der Kreisgruppe Südwestsachsen der Gewerkschaft der Polizei an Sie wende und Sie bitte, sich für die Polizistinnen und Polizisten Ihres Wahlkreises einzusetzen.

Die Pläne der Staatsregierung zur Haushaltskonsolidierung wurden durch die übergroße Mehrheit der Polizeibeschäftigten mit Unbehagen, ja mit Wut und Enttäuschung aufgenommen. Sie sehen zunehmend ihre persönliche Berufseinstellung in Frage gestellt. Auf den Punkt gebracht, empfinden die Polizistinnen und Polizisten ihre Situation so:

Weniger sollen länger arbeiten und dafür noch Gehaltseinbußen in Kauf nehmen.

Seit Jahren erleben wir nun einen permanenten Stellenabbau, der sich bereits in einer drastischen Überalterung des Personalkörpers ausdrückt. Nicht zuletzt deshalb, aber auch durch die zunehmende Arbeitsverdichtung ist der Krankenstand beständig angestiegen. Bereits heute sind nicht wenige Liegenschaften quasi nur noch zum Schein besetzt. Über Jahre laufende immer neue Strukturveränderungen sorgen für Unruhe und Unsicherheit. Der Streifendienst verrichtet überwiegend Auftragsbearbeitung, d.h. die präventive Streife ist kaum noch möglich (gleich gar nicht zu Fuß). Ermittlungsbeamte können oftmals die Vorgänge nur noch „verwalten“.

Die Polizistinnen und Polizisten sind einiges gewöhnt. Doch die Schmerzgrenze scheint erreicht:

Beförderungen oder die einfache Honorierung von herausragenden Einzelleistungen haben viele von ihnen seit vielen Jahren nicht erlebt. Nicht wenige gehen nach jahrzehntelangem Dienst in Pension, ohne ihr Endamt erreicht zu haben. Auch zwanzig Jahre nach der politischen Wende in unserem Land sind einige Liegenschaften noch in einem „suboptimalen“ Zustand. Undichte Fenster und übel riechende Sanitäranlagen sind kein Einzelfall. Zudem wird die seit Jahren überfällige Einführung des Digitalfunks immer wieder verschoben. Viele Kolleginnen und Kollegen verwenden stattdessen inzwischen ihr eigenes Mobiltelefon zur Kommunikation.

Es steht also wahrlich nicht gut um die Motivation. Das Betriebsklima ist schlecht. Die Gewerkschaft der Polizei macht seit Jahren auf diesen Missstand aufmerksam. Da das Innenministerium keinen Anlass für eine entsprechende Studie sah, hat die GdP vor zwei Jahren selbst eine professionelle Befragung durchgeführt. Die Ergebnisse müssten alle Alarmglocken läuten lassen. Von innerer Kündigung, von Bindungsverlust und zunehmender Interessenlosigkeit an der Aufgabenerfüllung der Behörde ist darin die Rede.

Zu all dem kommt nun der Haushaltsentwurf des Kabinetts, in dem weitere Einsparungen zulasten der Polizeibeschäftigten vorgesehen sind. Weitere achthundert Stellen sollen wegfallen. Hinzu kommen die vorgesehene Erhöhung des Pensionsalters und die Streichung der Jahressonderzahlung.

Viele Kolleginnen und Kollegen fühlen sich jetzt von der Regierung vollends im Stich gelassen.

Ein weiterer Stellenabbau wird die beschriebene Erosion der inneren Sicherheit in der Region weiter beschleunigen. Es ist zu befürchten, dass mehr als jede dritte der reichlich 1300 Stellen im Bereich der Polizeidirektion in den nächsten Jahren wegfällt! Man muss kein Prophet sein, um die Folgen vorher zu sehen. Liegenschaften wird man aufgeben müssen. Das Personal wird nur noch in Ballungsräumen konzentriert. Der Rückzug aus der Fläche scheint unaufhaltsam.

Die Anhebung des Pensionsalters ist in dem Zusammenhang geradezu kontraproduktiv. Ein bereits heute überalterter Personalkörper soll nun noch länger Dienst tun? Bedenken Sie bitte, dass wir vom oft beklagten Werteverlust in unserer Gesellschaft in besonderem Maße betroffen sind. Gewalt gegen Polizeibeamte ist immer häufiger auch in unserer Region anzutreffen. Erst kürzlich wurden in Falkenstein Polizisten während der Tatortarbeit angegriffen und verletzt.

Die Streichung der Sonderzahlung schließlich wird als besondere Zumutung empfunden. Sie entspricht einer Gehaltskürzung von über drei Prozent. Es ist gerade die unterschiedslose und deshalb unsoziale Kürzung, die auf Widerspruch stößt. Auch wenn es für alle ungerecht ist, so ist es ein Unterschied, ob ein Polizeipräsident oder eine alleinerziehende Polizeimeisterin betroffen ist. Hier hätten wir uns eher eine an sozialen Gesichtspunkten angelehnte Abstufung vorstellen können. Die Streichung wird als Sonderopfer zur Bewältigung der Krisenfolgen dargestellt. Wäre aber insofern nicht eine zeitliche Aussetzung der Sonderzahlung eher vermittelbar gewesen, als die völlige Abschaffung ohne die geringste Perspektive einer Wiedereinführung? Die Bereitschaft, in schwierigen gesellschaftlichen Situationen Opfer zu erbringen, ist bei den Polizeibeschäftigten durchaus vorhanden. Aber dies beinhaltet auch die Rückkehr zur „Normalität“, wenn diese Situation vorüber ist. Eine dauerhafte Gehaltskürzung ist jedenfalls mehr als ein Opfer. Es ist ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten!

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass die Besitzstände der Polizeibeschäftigten nicht zum ersten Mal als Sparpotenzial herhalten. Beinahe jede Übernahme von Tarifabschlüssen wurde in den letzten Jahren verspätet und oft auch nicht inhaltsgleich vorgenommen. Die Besoldungsreform von 1997 führte zu einer erheblichen Absenkung des Lebenseinkommens. Nicht zuletzt wurden erst 2004 das Weihnachtsgeld gekürzt und das Urlaubsgeld gestrichen. Die Gesamtsumme dieser Einsparungen dürfte im dreistelligen Millionenbereich liegen. Wenn heute gesagt wird, dass die Polizistinnen und Polizisten schließlich hundert Prozent Westgehalt bekommen und man damit die vorgesehenen Kürzungen begründet, so ist dies gleich doppelt falsch. Erstens bekommen die Beamten nicht hundert Prozent. Nach Vollzug der Föderalismusreform vor vier Jahren gibt es gar keine Vergleichsgrundlage mehr. Zweitens ist dieses, bis zu zwanzig Jahre andauernde, Vorenthaltenen des vollen Gehaltes schon an sich eine millionenschwere Sparmaßnahme zulasten der Beschäftigten gewesen. Ihnen heute als Wohltat zu verkaufen, was ihnen schon immer zustand, ist für mich eine Unverschämtheit. Polizeiarbeit war 1990 nichts anderes als 2010. Einschränkend kann man nur sagen, dass sie wegen des erheblich größeren Personalkörpers damals leichter war, als heute.

Sehr geehrte(r) Landtagsabgeordnete(r),

Dass damit die - wie beschrieben - ohnehin schon vorhandene schlechte Motivation der Polizeibeschäftigten droht, vollends verloren zu gehen, muss jeden verantwortungsvollen Menschen in unserem Land zum Handeln drängen. Ich ersuche Sie daher dringend, sich im sächsischen Landtag für Ihre Polizei stark zu machen. Nur eine aufgabenadäquat mit Personal ausgestattete Polizei mit motivierten und angemessen entlohnten Mitarbeitern ist in der Lage, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gewähren. Dies sind nicht zuletzt ein wichtiger Standortvorteil für unser Land und ein Garant für eine lebenswerte Zukunft. Verhindern Sie bitte den Kahlschlag der inneren Sicherheit.

Für ein persönliches Gespräch steht Ihnen neben mir und meinen Vorstandskollegen sicher jede Polizistin und jeder Polizist zur Verfügung.

In der Hoffnung, von Ihnen zu hören, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen


Bernd Rudolph
Kreisgruppenvorsitzender
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