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GdP-Digitalisierungsexperte auf Polizeitag des "Behörden Spiegel"

Husgen: Beim Digitalen auf die Überholspur, ohne jemanden zurückzulassen

Berlin/ Dresden.

GdP-Digitalisierungsexperte Hagen Husgen ordnete auf dem Ende August in Kooperation mit dem „Behörden Spiegel“ veranstalteten Polizeitag „Die moderne Polizei zwischen analogen und digitalen Herausforderungen“ den digitalen Wandel in den Polizeistrukturen sowie die sich daraus ergebenen Chancen für die Beschäftigten ein. Er wendete sich mit einem unmissverständlichen Appell an die politischen Entscheider: „Die Polizei muss schnellstmöglich auf die digitale Überholspur wechseln.“

Manche taten sich schwer

Die mit einem breiten Programm ausgestattete digitale Veranstaltung wurde vom baden-württembergischen Minister des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen und amtierenden Vorsitzender der Innenministerkonferenz, Thomas Strobl, eröffnet.

Seit Jahren entwickele sich die Gesellschaft digital enorm fort, sagte das für Themen der Digitalität verantwortliche Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Zuletzt habe die Corona-Pandemie in der Polizei angesichts von Arbeitsmethodiken und -modellen jedoch zu einem spürbaren Aufmerken, wenn nicht Umdenken geführt. „Laptop, Web-Ex, VPN-Tunnel bildeten plötzlich die Arbeitsgrundlagen, von denen viele unserer Kolleginnen und Kollegen vorher nicht einmal etwas gehört haben. Viele taten sich dementsprechend schwer“, betonte Husgen.


Hinsichtlich neuer Chancen für die Polizei erinnerte der Gewerkschafter an die 2016 verabschiedete „Saarbrücker Agenda“. Damit hatte die Innenministerkonferenz die Grundlage für ein zeitgemäßes Informationsmanagements geschaffen. Eingeleitet worden war damit der Aufbau einer gemeinsamen, modernen und einheitlichen Informationsarchitektur für die deutschen Polizeien in Bund und Ländern. „Im Ergebnis sollen Polizistinnen und Polizisten jederzeit und überall Zugriff auf benötigte Informationen haben. Uns als Gewerkschaft der Polizei geht es jedoch darum, was am Ende des Tages bei der Polizei auf der Straße davon ankommt - und auch wie.“


Die digitalen Alltagserfahrungen der Polizeibeamtinnen und -beamten hätten sich jedoch seit dem Start des „Programms Polizei 2020“ nicht sonderlich verbessert. Der Fokus dieses Programms sei derzeit vor allem strategisch und weniger operativ ausgerichtet und bedürfe einer Neuausrichtung mit einer Priorisierung von Betrieb und Funktionieren, bekräftigte Husgen, der auch den sächsischen Landesbezirk der GdP anführt.


Keinen Widerspruch zum hierzulande fest verankerten Föderalismusgedanken erkennt Husgen bei Stichworten wie Zentralität, Harmonisierung und Vereinheitlichung. Das Problem liege eher darin, dass Digitalisierung zwar überall angekommen und ihre Bedeutung erkannt worden sei, jedoch jeder der Erste und Beste sein wolle. Als plastisches Beispiel diene das neue „Infotainment-System Polizei (ISP)“ in Sachsen, über das vor Kurzem in der Presse berichtet wurde. Wenig später konnte ähnliches über die bayerische Polizei gelesen werden.
„Es kommt immer wieder dazu, dass das Rad neu erfunden wird, da ein Austausch, wenn überhaupt, nur mit den Nachbarn, siehe Bayern und Sachsen oder sehr rudimentär stattfindet“, verdeutlichte er. Ihm wäre die Meldung „Neues Infotainment System für die deutsche Polizei“ jedenfalls lieber gewesen.


Ein düsteres Bild zeichnete Husgen mit Blick auf von der Polizei auszuwertende, jedoch überwiegend unstrukturierte Massendaten. Die Polizei sei in den vergangenen Jahren mit digitalen Beweismitteln regelrecht geflutet worden. Die Folge sei ein „Going Dark“. Die Daten könnten vielfach kaum mehr gesichtet und ausgewertet werden. „Allein die Problematik der Datenmengen zu kinderpornografischen Verfahren verdeutlicht, dass Analysen durch Personaleinsatz und technische Standardinstrumente allein nicht mehr zu lösen sind.“ Um 53 Prozent ist 2020 laut Husgen die Zahl der Fälle der Verbreitung, des Erwerbs, Besitzes und der Herstellung kinderpornografischer Schriften gestiegen. Fehlende Möglichkeiten wirkten sich bereits in Verfahren von terroristischen Gefährdern, bei Anschlägen sowie in Verfahren der Organisierten Kriminalität, der Wirtschaftskriminalität, Geldwäsche oder Cybercrime aus, hob er hervor.

Notwendige Neuorientierung

Und der Mensch bei der Polizei? Auch dort müsse eine Neuorientierung erfolgen, plädierte Husgen. Zum Beispiel bei der Gewinnung von Fachkräften. Die noch starren Regelungen des Tarif- und Beamtenrechts sollten dringend überdacht werden. Begrüßenswerte Verbesserungen wie die IT-Fachkräftezulage seien der richtige Weg, doch „mit ´nem Appel und ´nem Ei in der Tasche ist schon lange kein Staat mehr zu machen“.


Zudem sei die berechtigte Frage zu beantworten, wie das Digitale auf die Arbeitsbedingungen wirke? Aus der Lust am Arbeiten könne schnell Frust werden, insbesondere wenn Mitarbeitende nicht von Anfang an in den Wandel integriert würden. Das Einfordern und Nutzen der Mitbestimmungsrechte seien an dieser Stelle mitentscheidend, zum Beispiel bei Organisationsänderungen mit persönlichen Konsequenzen für einzelne Beschäftigte oder möglichen Arbeitsverdichtungen. Husgen ist der Meinung, dass die Technologie beherrscht werden müsse, nicht herrschen dürfe. „Wir müssen jeden auf diesem Weg mitnehmen, niemand darf sich ausgegrenzt fühlen“, unterstrich er.

Ungeachtet dessen hält der GdP-Digitalisierungsexperte den digitalen Wandel in der Polizei für eine riesige Chance. Um sie entsprechend zu nutzen, müsse die Polizei schnellstmöglich auf die digitale Überholspur wechseln.

Husgen erklärte: „Digitale Innovationen bieten der Polizei die Möglichkeit, ihre Rolle als Garant für die innere Sicherheit auch künftig wahrzunehmen. Für die Beschäftigten bedeuten sie die Chance, selbstbestimmter, sicherer und gesünder zu arbeiten.“ Er kündigte an, dass über den Einfluss der Gewerkschaften und die Mitbestimmung der Personalvertretungen Arbeits- und Lebensbedingungen im Sinne guter und sicherer Arbeit maßgeblich mitgestaltet werden würden. „Hier haben Gewerkschaften zusammen mit den Personalräten eine besondere Verantwortung“, schloss der Gewerkschafter.

Titelbild: GdP-Digitalisierungsexperte Hagen Husgen mit Moderator und 'Behörden Spiegel'-Chef Uwe Proll. Screenshot: Rohde
Artikelbild:
Hagen Husgen ist Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und dort verantwortlich für das Thema Digitalisierung. Screenshot: Rohde
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