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GdP aktuell

GdP zur Entweichung eines Strafgefangenen aus dem UKSH Lübeck

Ein Gefangener der Justizvollzugsanstalt (JVA) Lübeck ist in der vergangenen Woche aus der Psychiatrie des Universitätsklinikums in Lübeck geflüchtet. Das Justizministerium in Kiel macht Fehler der beiden Bewacher für die Flucht des verurteilten Mörders verantwortlich. Justizministerin Sütterlin-Waack spricht aufgrund ihr vorliegender Auswertungen des Vorfalls von „gravierenden Verstößen gegen die Anordnungen und einem erneut persönlichen Fehlverhalten der Bediensteten, wodurch diese Entweichung ermöglicht wurde“.

Schon im August 2017 konnte ein Strafgefangener aus der Lübecker Justizvollzugsanstalt während einer Ausführung entweichen. Justizministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) hatte auch damals die Schuldigen schnell gefunden und erklärte: „Der Gefangene habe vermutlich eine Kommunikationspanne zwischen seinen beiden Begleitern zur Flucht genutzt. Die Begleiter des Strafgefangenen werden mir als erfahren und zuverlässig geschildert. In diesem Einzelfall haben sie aber einen Fehler gemacht.“

In der Folge wurde der Erlass zu Ausführungen und Vorführungen von Gefangenen trotzdem aktualisiert, obwohl es sich doch um einen individuellen Fehler handelte. Zudem werden jetzt Schulungen für alle Bediensteten zum Thema Aus- und Vorführungen durchgeführt. Theoretisch und augenscheinlich alles richtig gemacht. Doch nun schon wieder, nur 10 Monate später: „Verurteilter Mörder flieht aus Lübecker
Klinik.“ Wie kam es zu der neuerlichen Panne? Es wurde doch alles geregelt? Man muss sich doch nur an die getroffenen Regelungen halten, kann doch alles nicht so schwer sein!!


Für das Justizministerium scheint mit einem Erlass alles als erledigt angesehen. Die Tätigkeit einer Aufsichtsbehörde sollte jedoch weitergehen. Denn die Umsetzung der Erlasse und Vorschriften in die Praxis vor Ort ist von vielen Faktoren abhängig. So wird nach der Entscheidung, dass ein Gefangener ausgeführt werden muss nicht immer ausgebildetes Personal, sondern beispielsweise wie im vorliegenden Fall befristet eingestellte Tarifbeschäftigte zu Krankenhausbewachungen eingesetzt, obwohl der „Ausbildungsstand“ (wenn man es denn so nennen will) es eigentlich noch nicht zulässt - sogar verbietet. Aber die Personalnot scheint im Justizvollzug alles zu rechtfertigen, auf die möglicherweise überforderten Kolleginnen und Kollegen wird keine Rücksicht genommen.
Seit Jahren befasst sich die GdP Regionalgruppe Justizvollzug mit der immer wiederkehrenden Frage der Tätigkeiten und den dienstlichen Einsatzmöglichkeiten von so genannten „Zeitbeschäftigten im allgemeinen Vollzugsdienst“.

Im Rahmen einer sechswöchigen Einarbeitungsphase werden diesen Beschäftigten grundlegende theoretische Kenntnisse für ihre Tätigkeit vermittelt. Sie müssen in diesem Zeitraum beispielsweise bestehende Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Anwendung unmittelbaren Zwanges, Umgang mit suizidalen Auffälligkeiten und tobenden renitenten Gefangenen im Schnellkurs aufnehmen und umsetzen können, wofür Bedienstete im allgemeinen Vollzugsdienst eine Ausbildungszeit von 2 Jahren absolvieren. Die Einteilung dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgt unserer Kenntnis nach in allen Vollzugsanstalten zwar grundsätzlich nach bestehender Erlasslage, dabei aus praktischen Gründen je nach Bedarf aber auch gerne mal „vollwertig“ zu selbständigen Tätigkeiten, d. h. zu Abteilungs-, Nacht- und Besuchsdiensten ebenso wie zu Transporten, Vorführungen und Krankenhausbewachungen.

Die in den Anstalten vorgenommene relativ kurze Einweisung ersetzt jedoch keine zweijährige Ausbildung und versetzt die Zeitbeschäftigten aus unserer Sicht nicht in die Lage, in plötzlich auftretenden Stresssituationen sicher zu handeln und bestehende Vorschriften rechtmäßig umzusetzen. Hier geht es um Sicherheitsfragen im Allgemeinen, Schutz der Mitarbeiter wie auch um die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Bediensteten.

„Im aktuellen Fall hätte der Mitarbeiter unserer Kenntnis nach aufgrund seines „Ausbildungsstandes“ und in Anbetracht der Gefährlichkeit sowie psychischen Auffälligkeit des Gefangenen eher nicht zu dieser Krankenhausbewachung eingeteilt werden dürfen. Das Ergebnis liegt auf dem Tisch“, kritisiert der GdP Regionalgruppenvorsitzende Thorsten Schwarzstock (Foto re.), „Verantwortlich werden aber nicht diejenigen gemacht, die die Einteilung zu verantworten haben, sondern diejenigen, die die Anordnung befolgt haben.“

„Nicht nur, dass unsere Bediensteten in der Öffentlichkeit dumm da stehen, weil sie die Sicherheit der Bürger nicht gewährleisten können“, so Schwarzstock weiter, „auch die interne Bewertung zum aktuellen Vorfall erschreckt. Eine Aus- oder Vorführung wird immer von Vorgesetzten genehmigt, auch die vorführenden Beamten werden vorab festgelegt. 2017 war es ein Pastoralreferent, 2018 ein nicht vollumfänglich ausgebildeter Zeitbeschäftigter.

Fraglich ist wieder einmal, nach welchen Kriterien die Eignung festgestellt wird und ob sich die Vorgesetzten ihrer Verantwortung bei der Auswahl bewusst sind.“ Das Justizministerium beruft sich auf das Landesstrafvollzugsgesetz (LStVollzG), wonach Tarifbeschäftigte im allgemeinen Vollzugsdienst wie die verbeamteten Bediensteten im Justizvollzug tätig sein dürfen. Befugt sein bedeutet gleichzeitig aber auch,
dazu befähigt sein! Eine erneute Novellierung der Erlass ist definitiv der falsche Weg.


Der Regionalgruppenvorstand
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