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Pressemitteilung

Harmonisierung des Polizeirechts so nicht zu erreichen

Stellungnahme der GdP zur geplanten Reform des LVwG

Nach der heutigen Regierungskabinettssitzung lässt die Landesregierung über den Innenminister Hans-Joachim Grote verlauten, dass die Reform des Polizeirechts auf den Weg gebracht worden sei. Es soll der Spagat durch moderate Anpassungen für eine effektive Gefahrenabwehr und dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor ungerechtfertigter Beeinträchtigung ihrer Freiheitsrechte gelingen. Handlungsleitend seien dabei die sich dramatisch entwickelnden Gefährdungslagen und die Rechts- und Handlungssicherheit für Polizeibeamte.

Kriminalitätsentwicklungen und Terrorgefahren haben die innere Sicherheit zu einem sehr wesentlichen gesellschaftlichen und politischen Thema gemacht. Die Polizeigesetze der Länder, in Schleswig-Holstein das Landesverwaltungsgesetz, dienen dem präventiven Schutz der Rechtsgüter Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum und müssen an die sich entwickelnde Lage angepasst werden. Die GdP fordert bundesweit einheitliche Polizeigesetze. Länderübergreifende Einsätze wie der Tag der Einheit am 3. Oktober 2019 in Kiel mit Polizeikräften aus dem gesamten Bundesgebiet machen deren Notwendigkeit deutlich.

Insofern ist es zwingend geboten, zunächst die Vorlage des Musterpolizeigesetzes abzuwarten, das durch die IMK (12.-14.6.2017) in Auftrag gegeben wurde, um dann auf dieser Grundlage unmittelbar miteinander korrespondierende Landesgesetze zu schaffen. Da auch andere Länder bereits Änderungsgesetze verabschiedet oder zumindest Entwürfe vorgelegt haben, dürfte eine erforderliche Harmonisierung des Polizeirechts mit der nunmehr in die Wege geleiteten Reform in Schleswig-Holstein nicht zu erreichen sein.

Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Torsten Jäger: „Wir stehen als GdP ausdrücklich zur Bürgerpolizei, das kann und darf sich auch nicht ändern. Trotzdem halten wir die skizzierten Anpassungen bei den Befugnissen zum Schusswaffengebrauch für unumgänglich.“
Beim Vorgehen gegen Terroristen oder andere das Leben bedrohenden Gewalttätern muss ethisch und rechtlich notgedrungen auch über die gezielte Tötung entschieden werden. Es ist unverständlich, dass nur die Polizeigesetze in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein bisher keine Regelungen zum finalen Rettungsschuss enthalten. Mecklenburg-Vorpommern hat jedoch inzwischen einen Novellierungsentwurf (Landtagsdrucksache MV 7/3694 v. 5.6.2019) vorgelegt, in dem der finale Rettungsschuss aufgenommen worden ist. Die GdP hält es für angebracht, dieses im Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein als Regelung zum sogenannten „finalen Rettungsschuss“ aufzunehmen, um den eingesetzten Polizeibeamten Rechtssicherheit im Handeln zu geben, und das auch in Extremsituationen. Der einzelne Beamte kann nach gegenwärtiger Rechtslage den finalen Rettungsschuss nicht anwenden, sondern höchstens im Rahmen der Jedermannsrechte des Strafgesetzbuches agieren.
Aber auch bei Schaffung einer Rechtslage im Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein kann es in solch komplexen Einsatzgeschehen nicht der Entscheidung des einzelnen Polizeibeamten überlassen werden, über den finalen Rettungsschuss allein entscheiden zu müssen. Dieser muss durch die Einsatzleitung freigegeben bzw. legitimiert werden. Dennoch darf nach unserer Auffassung kein Polizeibeamter zum tödlichen Schuss auf einen Menschen gezwungen werden. Die letztendliche Vollzugentscheidung muss beim ausführenden Polizeibeamten als Gewissensentscheidung verbleiben.
Regelungen zum Schusswaffengebrauch gegen Personen im Kindesalter und zur Warnung sind sinnvoll und unumgänglich. Sie schließen erkannte Lücken im bestehenden Recht.

Die Aufnahme der Befugnis zum Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten (DEIG) halten wir für richtig. Damit wird ein Testlauf für die Landespolizei rechtlich ermöglicht, der angedachte Dreijahreszeitraum ist nach Auffassung der GdP allerdings zu lang.

Auch die rechtliche Normierung des Einsatzes von sogenannten Bodycams unterstützt die GdP ausdrücklich. Die zunehmende Gewalt gegen Polizeibeamte unterstreicht die Notwendigkeit dieses Einsatzmittel als wirksame Gegenmaßnahme.

Mit der zunehmenden Gewalteskalation gegen Einsatzkräfte lassen sich auch die Anpassungen der Sicherstellungs- und Fesselungsbefugnisse erklären. Viele alltägliche Situationen, in denen bisher gefährliche Gegenstände nicht sichergestellt und ggf. aggressive Personen nicht gefesselt werden durften, führten zu Widerstandshandlungen oder Angriffen auf Polizeibeamte.

Anhalte- und Sichtkontrollen sollen um die Befugnis der Identitätsfeststellung zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität erweitert werden. Die Gewerkschaft der Polizei bedauert, dass 2017 endgültig die anlasslosen Sicht- und Anhaltekontrollen (Schleierfahndung) bis zu einer Tiefe von 30 Kilometer von Auslandsgrenzen weggefallen sind, selbst wenn die alte Fassung sehr zu wünschen übrig ließ: Die Polizei durfte anhalten, aber nahezu keine weiteren Maßnahmen ergreifen. Insbesondere durfte die Identität kontrollierter Personen nicht festgestellt werden. Damit war Schleswig-Holstein gegenüber anderen Länderpolizeien und auch der Bundespolizei im Nachteil. Gerade bei der heutigen Sicherheitslage wäre die Schleierfahndung hilfreich. Diese Form der Kontrollen steigern die Erkenntnislage der Polizei, kann Hinweise zu Personen geben und auch zu Ermittlungen und Festnahmen führen. Die Initiative ist zu begrüßen, allerdings sollte bei Schleierfahndungskontrollen dringend auf eine bundeseinheitliche Ausgestaltung der zulässigen taktischen Maßnahmen geachtet werden. Diese Einheitlichkeit wird auch nicht mit der zweifellos zu begrüßenden Möglichkeit zur Identitätsfeststellung hergestellt.

Die Ergänzung von besonderen Mitteln zur Datenerhebung um den Einsatz verdeckter Ermittler sowie den Einsatz von GPS-Trackern, die Befugnis zur Erteilung von Aufenthaltsgeboten und Meldeauflagen und die Befugnisse zur Unterbrechung der Telekommunikation und der sogenannten elektronischen Fußfessel zur Abwehr terroristischer Gefahren hält die GdP für notwendige gesetzgeberische Maßnahmen.

Torsten Jäger ergänzt: „Wir befürworten daher die genannten Zielsetzungen, warten aber die genaue Gesetzesformulierung endgültig ab, um dann nach fachlicher Beratung Stellung zu beziehen. Eines wird aber schon jetzt deutlich. Der Regierungsvorschlag ist nur ein Kompromiss, bei dem Einiges, was wir seit Jahren für dringend geboten halten, leider wieder nicht umgesetzt wird.“

Beispielhaft sind hier zu nennen:
    · Die Schaffung von verbindlichen Fürsorgeaspekten zugunsten eingesetzter Polizeibeamtinnen und Polizeibeamter. Gerade die letzten Tage des Polizeialltages in Lübeck und Ahrensburg zeigen: Zum Alltag des Streifen- und Einsatzdienstes bei der Polizei gehören Ad-hoc-Entscheidungen mit großer Tragweite bis hin zu Grundrechtseingriffen der Freiheit der Person und der körperlichen Unversehrtheit. Die Streifen- und Einsatzpolizisten müssen tagtäglich damit rechnen, mit derartigen heiklen Situationen und Entscheidungen rund um die Uhr und unter anderen vielfältigen Stressfaktoren konfrontiert zu werden.

    · Es bleiben viele Fragen zur Vorratsdatenspeicherung, Datenübermittlung, der Anlage von Kriminalakten und Auswertung von Messengerdiensten offenbar ungeklärt. Jäger: „Nach schwersten terroristischen Verbrechen wie jüngst in Halle gibt es schnell Kritik an der präventiven Polizeiarbeit. Wir müssen dafür sorgen, dass die technischen Möglichkeiten einer automatisierten Übertragung relevanter Daten an einen vernetzten Zentralrechner auch rechtlich genutzt werden können. Diese Daten müssen schnellstmöglich allen Berechtigten der Sicherheitsbehörden zur Verfügung stehen.“




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Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist die größte Interessenvertretung der Polizeibeschäftigten Deutschlands. Sie engagiert sich für ihre bundesweit über 190.000 Mitglieder, für die Zukunftsfähigkeit der Polizei sowie auf dem Gebiet der Sicherheits- und Gesellschaftspolitik.

Der Landesvorstand

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Nr. 28/2019 - Kiel, 5. November 2019
V.i.S.d.P. Dr. Susanne Rieckhof, Landesgeschäftsführerin
Gewerkschaft der Polizei, Landesbezirk Schleswig-Holstein
Max-Giese-Straße 22, 24116 Kiel,
      Mobil: 0173-4534384
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