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Pressemitteilung der GdP Regionalgruppe Justizvollzug

GdP zum Justizvollzugsmodernisierungsgesetz

Strafvollzug vor dem Kollaps

Kiel.

Am heutigen Tag fand vor dem Innen- und Rechtsausschuss des SchleswigHolsteinischen Landtags eine mündliche Anhörung zum Entwurf eines Justizvollzugsmodernisierungsgesetzes statt. Thorsten Schwarzstock, Vorsitzender der GdP Regionalgruppe Justizvollzug, begrüßte grundsätzlich, dass auf Grundlage des Landesstrafvollzugsgesetzes (LStVollzG) die Regelungen in den anderen Justizvollzugsgesetzen - insbesondere dem Jugendstrafvollzugsgesetz und dem Untersuchungshaftvollzugsgesetz - inhaltlich und redaktionell angepasst werden.

Die teilweise inhaltliche Angleichung erscheint wichtig auch vor dem Hintergrund, dass in den Vollzugsanstalten unterschiedliche Haftarten vollstreckt werden und damit Bedienstete aufgrund organisatorischer Gegebenheiten oftmals mit den verschiedenen Gesetzen zeitgleich arbeiten müssen. Nachvollziehbar ist auch, dass das Landesstrafvollzugsgesetz aufgrund von Erfahrungen der Praxis und der Rechtsprechung geändert werden muss. Dabei ist positiv festzustellen, dass vereinzelt auch gewerkschaftlich geäußerte Kritik zum LStVollzG Berücksichtigung findet.

Nicht nachvollziehbar ist laut Schwarzstock jedoch der Zeitpunkt der gesetzlichen Änderungen im Jugendstrafvollzugsgesetz und dem Untersuchungshaftvollzugsgesetz. Konkrete und belastbare Erfahrungswerte nach der Einführung des LStVollzG liegen in vielen Punkten bisher nicht vor, insbesondere weil die Vorgaben des LStVollzG bis heute bekanntermaßen nicht 1:1 umgesetzt wurden bzw. gar nicht umsetzbar sind. Der GdP-Vertreter wiederholte dahingehend gegenüber den Abgeordneten seine Kritik von 2016, „dass erneut gesetzliche Regelungen geschaffen werden sollen, deren Umsetzung unmöglich ist, ohne dass die baulichen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen vorliegen. Insofern erscheint es widersprüchlich, die Regelungen des LStVollzG zum jetzigen Zeitpunkt auf die anderen Justizvollzugsgesetze zu übertragen und dort die gleichen Defizite herzustellen.“

Mittlerweile wurde die Einschätzung der GdP zur baulichen, organisatorischen und personellen Situation vor der Einführung des LStVollzG in allen Bereichen bestätigt: Die Bewertung zu baulichen Defiziten beispielsweise durch Lärmpegelmessungen (u. a. in der JVA Neumünster durch Gutachten bestätigt), raumakustische Maßnahmen werden dort aber nur bedingt und dann äußerst kostenintensiv möglich sein. Bedarf besteht weiterhin auch an mehr Sozialräumen für mehr Behandlungsangebote für die Gefangenen. Entsprechende Räumlichkeiten (Büros) für das zusätzlich erforderliche Fachpersonal für eine Delinquenzhypothese stehen nicht in allen Vollzugsanstalten zur Verfügung, ohne dass Haftplätze dafür „geopfert“ werden müss(t)en.
Auch die erweiterten verbindlichen Aufschlusszeiten können seit Inkrafttreten des LStVollzG - nachgewiesener Maßen - nicht gewährleistet werden.

Mittlerweile liegt das Ergebnis einer Personalbedarfsanalyse vor. Danach ergibt sich für alle Anstalten des Justizvollzuges zur Erfüllung der Vorgaben des LStVollzG insgesamt ein Mehrbedarf in Höhe von 84,86 Vollzeitäquivalenten (VZÄ). Zu diesem errechneten Mehrbedarf kommt der Personalbedarf aufgrund der Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit für Beamtinnen und Beamte im Wechselschichtdienst von insgesamt 60 veranschlagten Stellen hinzu. Bis 2025 sollen diese Stellen zur Verfügung stehen. Eine Anpassung der anderen Justizvollzugsgesetze auf Grundlage des LStVollzG wird weiteren Personalbedarf nach sich ziehen, der aufgrund eingeschränkter Ausbildungskapazitäten noch später als 2025 zur Verfügung stehen wird.

Doch was ist bis dahin? Setzt man die durch das Justizvollzugsmodernisierungsgesetz entstehenden neuen Aufgaben auch bis 2025 aus, oder werden die Rechte der Gefangenen weiterhin unrechtmäßig beschnitten?
Bereits 2017 hat das Landgericht Lübeck entschieden, dass eine angespannte Personalsituation und ein hoher Krankenstand der Bediensteten nicht zu Lasten der Gefangenen gehen dürfen. Die justizpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Barbara Ostmeier, hat das Urteil des Lübecker Landgerichts gegen die Justizvollzugsanstalt Lübeck damals als erwartbar bezeichnet: „Niemanden kann überraschen, dass Häftlinge die von SPD, Grünen und SSW gesetzlich vorgeschriebenen Vergünstigungen einfordern. Ministerin Spoorendonk und die Koalition waren gewarnt, dass dieses Gesetz schon aufgrund personeller und baulicher Beschränkungen nicht umgesetzt werden kann. Die Koalition hat durch unnötige zusätzliche Ansprüche der Häftlinge nur Unruhe in den Justizvollzugsanstalten geschaffen. (…) Die Gerichtsentscheidung sei eine schallende Ohrfeige für die Ministerin. Spoorendonk habe nicht nur politisch fahrlässig, sondern gegenüber den Justizbeamten unverantwortlich gehandelt. (…) Qualifiziertes Personal, vom allgemeinen Vollzugsdienst bis zur Leitungsebene wächst nicht wie Pilze auf der Ökowiese.“

Dazu mahnte Schwarzstock an: „Gemessen an diesen Worten der justizpolitischen Sprecherin der nun für das Justizressort zuständigen CDU-Fraktion sollten die regierungstragenden Fraktionen nicht die Fehler von 2016 wiederholen. Fakt ist - und das möchten wir erneut deutlich herausheben -, dass wieder gesetzliche Vorgaben geschaffen werden sollen, ohne dass die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen.“

Durch das Inkrafttreten des „neuen“ Landesstrafvollzugsgesetzes SH im Jahre 2016 wurde der Justizvollzug vor eine Herausforderung gestellt, die er bis heute nicht bewältigen konnte. Gewerkschaftlich wurde diese Tatsache vorhergesagt, hier lautetet die Prämisse der GdP weiterhin: Erst die Voraussetzungen schaffen, dann das neue Gesetz umsetzen. Problematisch sind und waren die personellen und baulichen Voraussetzungen.

Nun erfolgt von Seiten des Justizministeriums ein neuer Aufschlag. Mit dem neuen Justizvollzugsmodernisierungsgesetz sollen alle den Freiheitsentzug regelnden Gesetze den gleichen Zungenschlag erhalten. Im Grunde eine nachvollziehbare Sache, aber angesichts der bereits bestehenden erheblichen personellen und baulichen Probleme stellt sich die Frage: Warum jetzt? Warum nicht warten, bis das schon jetzt erforderliche und nicht vorhandene Personal zur Verfügung steht und ein Großteil der Baumaßnahmen umgesetzt sind.

Es kommt den Betroffenen wie ein schlechter Witz vor. Das MJEV hakt die Personalbedarfsbemessung, von der sich alle Bediensteten des Justizvollzuges so bald wie möglich Entlastung versprochen haben, nur als Spiegelstrich auf der Agenda ab und plant weitere personelle Belastungen. Als wäre die festgestellte (Mehr)Belastung der Bediensteten mit Abschluss der Personalbedarfsbemessung erledigt: „Es kommt ja Personal. Dann können wir ja weitermachen, oder?“ Auf die Frage, wie die Bediensteten ihre Aufgaben zum jetzigen Zeitpunkt erfüllen sollen, wird nur mit den Schultern gezuckt und auf das Jahr 2025 verwiesen.

Mit der Anpassung des Jugendstrafvollzugsgesetzes, des Untersuchungshaftvollzugsgesetzes usw. erfolgt nicht nur die Anpassung des neuen Schwerpunktes „Vollzugsplanung“ an die Regelungen des LStVollzG SH, sondern beispielsweise auch die Anpassung an die personell belastenden Besuchs- und Aufschlussregelungen pp. Diese neuen Mehrbelastungen sind aber nicht durch die o. g. Personalbedarfsbemessung erfasst, da sie zu dem Zeitpunkt noch nicht vorhanden waren.

„Das bedeutet, der errechnete Personalbedarf reicht nicht aus und muss erneut angepasst werden. Bis dahin können den Bediensteten aber nicht noch mehr Aufgaben übertragen werden. Der Strafvollzug kann das in den kommenden Jahren noch nicht leisten und wird kollabieren“, so das Fazit von Schwarzstock.


Der Regionalgruppenvorstand
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