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GdP Information

„Auch künftig werden sich nicht alle tadellos verhalten“

Interview mit Christiane Balzer, Leiterin des „Fachbereichs Allgemeinbildung“ in der PD AFB

Eutin.

Christiane Balzer ist als Diplom-Pädagogin nunmehr seit mehr als zwanzig Jahren an der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung in Eutin tätig. Seit einigen Jahren leitet sie den Fachbereich Allgemeinbildung. In den vergangenen Jahren sah sich die PD AFB aufgrund von einzelnen Vorfällen Sexismus- und Rassismusvorwürfen ausgesetzt. Auch gibt es aufgrund aktuell bekannt gewordener Fehlverhalten von Auszubildenden aus dem vergangenen Jahr kritische Stimmen, dass es möglicherweise Defizite bei der Vermittlung von Werten bei den Polizeianwärtern geben würde. In Ihrer Funktion hat Christiane Balzer nunmehr seit zwei Jahrzehnten täglich mit den jungen Menschen zu tun, die in der PD AFB ausgebildet werden. GdP-Landesredakteur Thomas Gründemann interviewte die Leiterin des Fachbereichs Allgemeinbildung in der PD AFB:

Wie bewerten Sie als Diplom-Pädagogin die Ausbildung in der PD AFB?
Christian Balzer: Neben meiner Leitungstätigkeit im Fachbereich Allgemeinbildung unterrichte ich auch selbst immer noch regelmäßig in allen Ausbildungsabschnitten. Ich kann feststellen, dass unsere Auszubildenden vom Beginn der Ausbildung bis zu ihrer Ernennung häufig einen deutlichen Reifeprozess vollziehen. Dies beziehe ich sowohl auf den Lernzuwachs als auch auf ihre Persönlichkeitsentwicklung. Insofern kann man davon ausgehen, dass unsere Ausbildung Wirkung entfaltet.

Wie hat sich nach Ihren Erfahrungen die Ausbildung in der PD AFB in den vergangenen 20 Jahren verändert?

Christiane Balzer: Die Inhalte der Ausbildung sind ausgesprochen anspruchsvoll und haben sich in den vergangenen Jahren erweitert. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Neue Einsatzmittel, eine veränderte Sicherheitslage und Entwicklungen in der Digitalwelt sind nur drei Beispiele dafür, dass wir heute in zweieinhalb Jahren zusätzliche Themen vermitteln müssen, die Ausbildungsdauer ist dabei gleich geblieben.

Gibt es nach Ihren Feststellungen beziehungsweise Beobachtungen aktuell Defizite in der Ausbildung des Polizeinachwuchses? Wenn ja, wo hakt es in der Ausbildung?

Christiane Balzer: Ein Manko sehe ich in der hohen Zahl der unbesetzten Stellen und der relativ hohen Fluktuation im Ausbildungspersonal. Wenn junge Menschen eine Ausbildung bei uns beginnen, dann suchen sie zunächst nach Rollenvorbildern, denn sie haben bis dahin eher eine vage Vorstellung davon, was eine gute Polizistin/einen guten Polizisten kennzeichnet. Als Lehrkraft muss ich mich aber auch selbst zunächst in meine Rolle finden, dies geschieht nicht auf Knopfdruck und auch nicht per se durch das Absolvieren einer Schulungsmaßnahme. Damit das gesamte Ausbildungspersonal seine Vorbildfunktion einheitlich verstehen kann, wäre eine stärkere personelle Kontinuität wünschenswert, damit ein „Wir-Gefühl“ und ein gemeinsames Verständnis der eigenen Rollenzuschreibungen verstetigt werden können.

Der ehemalige Leiter der PD AFB und amtierende Landespolizeidirektor hat in einem Interview mit der GdP gesagt, dass „es nach seiner festen Überzeugung keine strukturellen Defizite gibt, die solche Verhaltensweisen zulassen oder fördern“. Vielmehr finde in der PD AFB seit Jahren eine sehr wertorientierte Ausbildung statt und er bedauere, dass Fehlverhalten Einzelner anscheinend eine ganze Organisation in der Öffentlichkeit in Misskredit bringen könne. Teilen Sie diese Aussagen?

Christiane Balzer: Die Aussage kann ich voll und ganz teilen. Es ärgert mich sehr, wenn das Fehlverhalten Einzelner als Maßstab für eine ganze Behörde herhalten soll. Wir stellen derzeit jährlich rund 400 junge Menschen ein, die wir

zweieinhalb Jahre ausbilden oder drei Jahre ins Studium schicken. Wir werden auch in Zukunft erleben, dass nicht alle von ihnen sich in Ausbildung und Freizeit tadellos verhalten. Daraus ein strukturelles Problem ableiten zu wollen empfinde ich als unfair und es frustriert mich und viele meiner Kolleg*innen zutiefst.

Welche Eindrücke haben sie von den Auszubildenden gewinnen können? Sind sich die Auszubildenden nach ihren Wahrnehmungen der Bedeutung ihres zukünftigen Berufes schon bewusst?

Christiane Balzer: Ich komme gerade von einer Israel-Reise zurück, auf der ich mit Auszubildenden und Student*innen ein Seminar zum Holocaust in Yad Vashem besuchen durfte. Unsere Teilnehmer*innen haben mich tief beeindruckt und ich bin mir sehr sicher, dass auch dieses Seminar ein weiterer wichtiger Baustein zur Rollenfindung ist. Es ist das Wesen einer Ausbildung, dass man auf die zukünftige berufliche Tätigkeit vorbereitet wird. Aus meiner Sicht wäre es deshalb völlig überzogen, von unseren Auszubildenden bereits von Beginn an ein gefestigtes Rollenbild zu erwarten. Die große Verantwortung des Berufes kann man nicht ausschließlich „auf der Schulbank“ lernen, sondern sie wird später durch praktische Handlungserfordernisse im dienstlichen Alltag deutlich. Wir legen also keine Schalter um, sondern stoßen Prozesse an. Wir nehmen uns bei der Auswahl unserer Bewerber*innen viel Zeit, um die grundsätzliche Eignung für den Polizeiberuf festzustellen. Alles andere muss wachsen.


Fotos/Text: Thomas Gründemann
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