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Die GdP informiert

Interviewreihe mit Landtagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein

Foto: Thomas Gründemann
Foto: Thomas Gründemann
Kiel.

In den kommenden Tagen werden wir auf der GdP-Homepage die Polizeipolitischen Sprecher von SPD, CDU, Bündnis90/DIE GRÜNEN und FDP sowie SSW vorstellen. Heute starten wir mit der Polizeipolitischen Sprecherin der SPD Kathrin Wagner-Bockey .

Kathrin Wagner-Bockey ist Stellvertretende Vorsitzende des Innen- und Rechtsauschusses sowie Polizei- und Sportpolitische Sprecherin und seit April 2018 Mitglied des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses.
Nach dem Abitur 1988 hat sie ihre Ausbildung bei der Polizei in Hamburg im mittleren Dienst der Schutzpolizei begonnen. Nach Ausbildungsende fand sie Verwendung in der Bereitschaftspolizei und im damaligen Einsatzzug Mitte, einer speziellen Demonstrationseinheit der Hamburger Polizei. Es folgte eine Fachhochschulstudium zur Diplomverwaltungswirtin, Fachbereich Polizei, und der Wechsel zur Kriminalpolizei mit speziellen Fortbildungen für den Bereich der Jugendkriminalität und Beziehungsgewalt. Bevor die Sozialdemokratin 2017 in den Landtag gewählt wird, war Kathrin Wagner-Bockey im Landeskriminalamt beim Staatsschutz tätig.

Frau Wagner-Bockey, Sie sind vor etwa anderthalb Jahren erstmals in den Landtag gewählt worden: Wie sehen die direkten Kontakte bzw. Begegnungen aus, die Sie bislang zu schleswig-holsteinischen Polizisten hatten? Wie haben sie diese empfunden?
Von meinen vielfältigen Begegnungen möchte ich einige exemplarisch besonders hervorheben:

Wagner-Bockey: Einer meiner ersten Besuche galt der Polizeidirektion Ratzeburg, die mein Betreuungsgebiet umfasst. Ich wurde dort sehr herzlich von einem Mitarbeiterstab rund um den Leitenden Polizeidirektor Jürgen Funk empfangen und bekam in einer Präsentation von ihm und seinen Mitarbeitern einen umfassenden Überblick vermittelt.

Wir hatten einen offenen Austausch und beispielsweise Fragen zur Einbruchkriminalität und der länderübergreifenden Strategie im Hamburger Rand besprochen, aber auch Verkehrsunfallursachen betrachtet. Es wurde die gesamte Spannbreite polizeilicher Arbeit beleuchtet. Dazu kam eine rege Diskussion zu Fragen von gerechter Wechselschichtdienstbelastung im Alter und auch Karrieremöglichkeiten von Teilzeitkräften.
Mir ist es sehr wichtig, auch mit denen ins Gespräch zu kommen, die die Zukunft unserer Polizei bedeuten. Das sind die Polizeischüler*innen, die sich in der Ausbildung befinden. Ich habe mich deshalb sehr über das Angebot von Polizeipastor Volker Struve gefreut, einen Tag aktiv den berufsethischen Unterricht mitbegleiten zu dürfen. Ich bin dort auf sehr motivierte und differenziert denkende Polizeischüler getroffen. Fragen der Menschenwürde und des Respekts im Umgang mit dem Bürger wurden sehr ernsthaft diskutiert.

Und eine Terrorabwehrübung in Lübeck gehörte ebenso zu den Begegnungen, wie ein Austausch mit dem damaligen Leiter der PDAFB, Michael Wilksen. Wir haben uns bei einem Treffen ausführlich über neue Werbestrategien für die Ausbildung bei der Polizei Schleswig-Holstein unterhalten.
Und dann gab es noch eine Alltagsbegegnung, die auch etwas aussagt über die Schleswig-Holsteiner Kolleg*innen. Beim Spiel Holstein Kiel gegen St. Pauli wussten mein Sohn und ich nicht ganz genau, wie wir in unseren Fanblock kommen sollten. Also wendeten wir uns hilfesuchend an die Beamten der Polizeikette und wurden trotz des Einsatzstresses sehr nett und kompetent weitergeleitet.

Welche Eindrücke haben Sie bislang von der Landespolizei gewinnen können? Was hat Sie am meisten beeindruckt? Wo sehen Sie „Verbesserungsbedarf“?
Wagner-Bockey: Zunächst einmal möchte ich mich bedanken für die sehr freundlichen und vertrauensvollen Begegnungen, die ich bis jetzt machen durfte. Egal ob ich mich auf öffentlichen Terminen bewegt habe oder in vertrauensvollen Gesprächen Fragen der Polizeiorganisation bewegt habe – immer hatte ich das Gefühl eines offenen und wertschätzenden Umgangs mit mir. Unsere Schleswig-Holsteiner Landespolizei ist eine moderne Polizei mit einer eindeutigen Ausrichtung als Bürgerpolizei. Das schätze ich sehr, sowohl an der Hamburger als auch der Schleswig-Holsteiner Polizei. Ich war immer stolz darauf, einer Polizei anzugehören, vor der der Bürger keine Angst haben muss. Das bedeutet zwar, sich und das eigene Verhalten immer wieder hinterfragen lassen zu müssen, gleichzeitig schafft es aber Vertrauen in die Gesamtstruktur. Mir ist es wichtig, an dieser Stelle nicht falsch verstanden zu werden: Das rechtfertigt kein respektloses oder schädigendes Verhalten gegenüber den Kolleg*innen.

Begeistert war ich bei der Einweihung des neuen Einsatztrainingszentrums. Das Gebäude ist in seinen Möglichkeiten so gut und bedarfsangepasst konzipiert, dass es jedem Polizisten eine Freude sein muss. Dieses Projekt, von der Küstenkoalition (SPD/GRÜNE/SSW) angeschoben und jetzt von der Jamaikakoalition nach kurzer Umsetzungszeit eingeweiht, darf uns alle parteiübergreifend mit Stolz erfüllen.

Wo ich „Verbesserungsbedarfe“ sehe? Grundsätzlich haben die Polizeiorganisationen aller Bundesländer mit ähnlichen Problemen zu kämpfen: Es wurde jahrelang zu wenig Personal eingestellt. Das hat Folgeerscheinungen: Überstunden, Gesundheitsbelastungen, Unzufriedenheit mit der Tätigkeit, weil man den eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird. Hier sehe ich Verbesserungsbedarf. Ich bin mir auch im Klaren darüber, dass die bis 2023 jährlich 400 Auszubildenden nach Abzug der Pensionsabgänge schnell verteilt sind. Deshalb müssen über das Jahr 2023 hinaus langfristige Perspektiven entwickelt werden. Kriminalität ändert sich ständig, den Herausforderungen einer digitalisierten Welt müssen wir mit Fachleuten und der entsprechenden Hightech begegnen. Ich halte es deshalb für wichtig, über den Bereich Informatik hinaus duale Studiengänge anzubieten. Ich finde, das ist auch sehr gut vorstellbar für den Bereich der Wirtschaftsprüfung, aber auch in der chemischen/biologischen Kriminaltechnik.

Welche drei bis fünf Ziele haben Sie sich als mit Blick auf die Landespolizei gesetzt?


    1. Es ist eine Frage der Fairness, allen Landesbeamten das gestrichene Weihnachtsgeld zurück zu geben. Als es 2007 abgeschafft wurde, war es das ausdrückliche Versprechen der damaligen Landesregierung, es bei besserer Kassenlage wieder einzuführen. Deshalb haben wir als SPD das bereits 2017 in die Haushaltsberatung für 2018 eingebracht. Mit Hinweis auf die angeblich angespannte Haushaltslage, wurde das abgelehnt. Ich halte das für einen Fehler. Die Landesbeamten, egal ob Lehrer, Polizisten, Verwaltungsbeamte und andere sind das Rückgrat Schleswig-Holsteins, und wir befinden uns in einem permanenten Konkurrenzkampf um die besten und motiviertesten Köpfe mit anderen Bundesländern.

    2. Längerfristig werden wir uns mit dem Einstieg in die zweigeteilte Laufbahn für die Polizei beschäftigen. Unser SPD-Arbeitskreis hat sich hierzu in diesem Herbst mit den Kolleg*innen aus Rheinland Pfalz ausgetauscht. In Zusammenarbeit auch mit der GdP werden wir dieses Thema vertiefen.

    3. Immer mehr Menschen wollen oder müssen für einen bestimmten Zeitraum ihre Arbeitszeit reduzieren. Egal, ob es um Anerkennungszeiten von Wechselschichtreduzierungen oder auch Beförderungschancen geht, Teilzeitkräfte werden hier häufig strukturell benachteiligt. Das muss sich ändern.


Inwiefern glauben Sie, als Abgeordnete das Vertrauen der Polizeibeschäftigten in Schleswig-Holstein rechtfertigen zu können?

28 Jahre Polizeierfahrung im Bereich der Schutz- und der Kriminalpolizei haben bei mir ein gewisses Grundverständnis für polizeiliche Belange erzeugt. Ich habe die Einsatzbereiche Streifendienst, Bereitschaftspolizei, Festnahmeeinheit, Kriminaldauerdienst und kriminalpolizeiliche Ermittlungstätigkeit am Polizeikommissariat und im LKA aus eigener Erfahrung kennengelernt. Ich halte mich für eine kritische, aber im besten Sinne auch loyale Polizeibeamtin. Mein Wissen und meine eigenen Erfahrungen möchte ich gerne in der eigenen Fraktion, aber auch im Parlament einbringen, damit die Kollg*innen der Schleswig-Holsteiner Polizei die Voraussetzungen für eine gute Arbeit erhalten. Wenn demnächst die Novellierung des Landesverwaltungsgesetzes ansteht, dann möchte ich zu einem ernsthaften, sachlichen Diskurs darüber beitragen, wie viel Sicherheit wir mit welchen Maßnahmen erreichen können. Die Leitlinie muss dabei meines Erachtens sein, soviel Freiheit wie möglich und so viel Sicherheit wie nötig zu erreichen.

„Und eine persönliche Botschaft möchte ich gerne noch loswerden: Ich war 29 Jahre lang gerne Polizistin. Ich würde den Beruf jederzeit wieder ergreifen und ich wünsche allen Kolleg*innen, dass sie das bei allen Mühen und Widrigkeiten unseres Berufsalltags, am Ende auch von sich selbst sagen können. Die Aufgabe von Polizist*innen ist es, den Rechtsstaat zu schützen. Unsere Demokratie ist im Moment vielerlei Zerreißproben und Anfeindungen ausgesetzt. Das manifestiert sich überdeutlich in Angriffen von Rechtsextremisten und Islamisten auf unser Gemeinwesen. Beide machen keinen Hehl daraus, dass sie mit ihrem Terror Angst und Unsicherheit säen wollen und dass sie unsere Demokratie abschaffen wollen. Viel subtiler ist der gesamtgesellschaftliche Stimmungswandel, der sich unter dem Deckmantel von „rechter Besorgnis“ abspielt. Das verächtlich machen von Grundwerten wie Menschenwürde und der Pressefreiheit, die Nichtakzeptanz des Gewaltmonopols des Staates, gefährden unsere Demokratie. Damit verändert sich die Basis unseres Zusammenlebens. Als Polizist*innen haben Sie eine besondere Verantwortung bei der Verteidigung unserer Grundwerte. Zeigen Sie Haltung und seien Sie bewusst stolz darauf, für den Flüchtling genauso da zu sein, wie für den Bankdirektor. Sie haben im täglichen Einsatz einen großen Anteil daran, dass Schleswig-Holstein sicheres und ein weltoffenes Land ist und bleibt. Dafür danke ich Ihnen.

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