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GdP Information

Polizeischule ohne Rassismus

PD AFB in Eutin ist die erste Polizeiausbildungsstätte in Deutschland, an die der Titel der „Aktion Kinder- und Jugendschutz“ (AKJS) vergeben wurde

Eutin.

Es war ein besonderer Moment für die Auszubildenden und das Lehrpersonal an der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung und für die Bereitschaftspolizei (PD AFB) Eutin, aber auch für die Landespolizei. Die Polizeischule auf Hubertushöhe darf sich seit Mittwoch offiziell „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage" nennen. Bei einem Festakt im Einsatztrainingszentrum wurde der PD AFB dieser Titel im Beisein von Ministerpräsident Daniel Günther und der Landtagsvizepräsidentin Aminata Touré verliehen. Günther und Touré sind Paten des gleichnamigen Projekts für die PD AFB. Die Jugend- und Hauptjugend- und Ausbildungsvertretung der Landespolizei hatte die Bemühungen um den Titel initiiert.

Der Anerkennung des Titels waren begleitende Plakataktionen sowie eine erfolgreiche Unterschriftenaktion vorausgegangen, bei der zahlreiche Auszubildende und Fachlehrer ihre klare Position gegen Rassismus untermauerten. Die PD AFB in Eutin ist damit die polizeiliche Ausbildungsstätte in Deutschland, an die ein solcher Titel vergeben worden ist.
        Und das zur Freude des Ministerpräsidenten. In seinen Grußworten zum Festakt der Titelverleihung in der PD AFB würdigte Daniel Günther das Engagement des Polizeinachwuchses. „Heute setzen Sie hier an der Polizeischule Eutin ein Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung. Sie zeigen damit für alle sichtbar, dass Sie für unsere Werte eintreten“, sagte der Ministerpräsident anerkennend. Als Paten würden Aminata Touré und er persönlich den Einsatz gegen Rassismus und für Vielfalt unterstützen, aber auch die nötige Rückendeckung geben. Günther weiter: „Sollten Sie einmal für Ihr Engagement angefeindet oder eingeschüchtert werden, dann können Sie sich jederzeit an uns wenden. Darauf können Sie sich verlassen“. Der Ministerpräsident verwies darauf, dass Rechtsextreme immer öfter und auch unverhohlener Menschen bedrohten, die für eine offene Gesellschaft eintreten. Es bliebe auch nicht immer bei Drohungen. Der Mord an Walter Lübcke ist der schockierende Beweis, so Günther. „Als Polizeischule setzen Sie heute ein klares Zeichen, dass Fremdenhass in diesem Land keinen Platz hat. Schon gar nicht im Kreise derjenigen, die unser Land täglich im Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern repräsentieren“, sagte der CDU-Politiker. Polizistinnen und Polizisten hätten eine besondere Verantwortung. Sie stünden für Recht und Gesetz und dürften dafür, falls nötig, auch Gewalt anwenden. „Das setzt ein sehr hohes Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Sie voraus“, gab Günther zu bedenken. „Heute machen Sie deutlich, auf welcher Seite Sie dabei stehen werden: Nämlich auf der richtigen. Sie stehen für ein weltoffenes, tolerantes und vielfältiges Schleswig-Holstein. Sie stehen für das echte Schleswig-Holstein. Ich bin sehr stolz, Ihr Pate zu sein, aber auch stolz auf die Landespolizei und insbesondere auf die Polizeischule hier in Eutin“, so Daniel Günther unter großen Applaus der rund 300 Anwesenden. Der Ministerpräsident weiter: In Deutschland gebe es aktuell ein Netzwerk mit 3200 Schulen ohne Rassismus“, davon 86 in Schleswig-Holstein. „Damit setzen Sie bundesweit ein Zeichen“, zeigte sich Günther beeindruckt.
Medi Kuhlemann, Landeskoordinatorin des Projekts „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ bei der „Aktion Kinder- und Jugendschutz“ (AKJS), war es dann, die die Titelverleihung formell vornahm und die Urkunde an Christiane Balzer sowie Rieke Pätzold und Felix Fröhlich von der Jugend- und Ausbildungsvertretung aushändigte. Balzer ist als Diplom-Pädagogin seit mehr als 20 Jahren an der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung in Eutin tätig und leitet den Fachbereich Allgemeinbildung. Mit der Titelverleihung würde sich die Polizeischule aktiv gegen Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt einsetzen sowie sich gegen alle totalitären und demokratiegefährdenden Ideologien wenden, hob Kuhlemann die Bedeutung der Titelvergabe hervor.
In zehnminütigen Impulsreferaten wandten sich neben Aminata Touré auch Innenstaatssekretär Torsten Geerdts, der GdP-Landesvorsitzende Torsten Jäger, der Leiter des Landeskriminalamtes Thomas Bauchrowitz sowie der Journalist und Publizist Olaf Sundermeyer zum Thema Rassismus an die rund 300 Zuhörer.

Aminata Touré strahlte: „Ich freue mich, gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten Patin für dieses Projekt zu sein“, sagte die GRÜNEN-Politikerin. Viele würden denken, dass der Vorwurf, sich rassistisch verhalten zu haben, gleichzusetzen damit sei, ein Neonazi in Springerstiefeln zu sein, meinte Aminata Touré. Alle Neonazis seien rassistisch, aber nicht jede Person, die sich rassistisch verhalte, sei deshalb ein Nazi, erklärte sie. „Wir alle leben in einer Gesellschaft, in der Rassismen nun einmal internalisiert sind. Sie sind da und rassistische Bilder und Verhaltensweisen werden tagtäglich reproduziert“, sagte Touré.
Ihr Ansatzpunkt laute, in jegliche Bereiche unserer Gesellschaft zu gehen. Es müsse im Kindergarten, in der Schule, am Ausbildungsplatz, in der Universität, am Arbeitsplatz, in Institutionen, schlichtweg überall angesprochen und Strategien dagegen entwickelt werden. „Es ist eine Aufgabe, bei der niemand sich raushalten kann“, unterstrich die 26-Jährige. Es gebe Menschen, die auf Grund ihrer Herkunft negative Erfahrungen machen würden. Das offen und ehrlich auszusprechen, sei oft problematisch. „Es ist grundsätzlich schwierig, sich kritisch gegenüber der Institution Polizei zu äußern“, befand Touré. All diejenigen, die jegliche Kritik an der Polizei ausließen und Kritik an der Polizei als ungeheuerlich verstünden, würden der Polizei keinen Gefallen tun, meinte die Landtagsvizepräsidentin.
„Kritik an falschem Verhalten zu äußern ist notwendig, um besser zu werden und es ist gerade unsere Aufgabe als Politik, als Legislative, die Exekutive und seine Organe zu kontrollieren“, stellte Aminata Touré fest.
Touré wandte sich direkt an den Polizeinachwuchs: „Sie sind als Auszubildende, als fertig ausgebildete Polizisten, als Exekutivorgan, eine wesentliche Säule unseres demokratischen Rechtsstaates“. Wenn es deshalb mehrere Vorfälle gebe, dann müsse darüber gesprochen werden. Dann müsse sich die Frage nach Strukturen gestellt werden, um gegen Rassismus zu immunisieren. Das sei das Entscheidende.
Jeder Bürger, unabhängig von der Herkunft, müsse zu jedem Zeitpunkt das Vertrauen in einzelne Polizisten sowie die Polizei als Gruppe haben.
„Ich finde es unbedingt richtig, dass die Landespolizei sich mit Fragen wie der Interkulturellen Kompetenz und verpflichtenden Fortbildungen für Polizisten bereits auseinandersetzt“, so Touré weiter. „Ich bin nicht in die Politik gegangen, um lediglich Problembeschreibungen zu machen. Ich bin in die Politik gegangen, um vorhandene Probleme vor allem zu lösen.“ Bei der Frage, wie es der Gesellschaft gelinge, antirassistischer zu werden, sei Politik maßgeblich gefragt, Rahmen zu beschreiben und zu gestalten. Die Jamaika-Koalition habe den „Aktionsplan gegen Rassismus“ ins Leben gerufen, bei dem jedes einzelne Ministerium und auch die Staatskanzlei aufgefordert sei, Maßnahmen zu entwickeln. Das Innenministerium koordiniere den gesamten Prozess und sei natürlich aber auch gefordert, konkrete Vorschläge für seine eigenen Bereiche, und damit auch für die Polizei, zu machen. Sie finde es großartig, dass es in der Landespolizei eine Ansprechstelle nach innen wie nach außen für Lesben, Schwule, Trans- und Intersexuelle sowie quere Menschen gebe. „Wieso nicht auch für Menschen, die von Rassismus betroffen sind?“, fragte die Politikerin.
Zu viele Menschen wendeten sich von der Demokratie ab. Sie glaubten nicht an demokratische Strukturen, Institutionen und ihre Vertreter. Das sei keine gute Entwicklung. Gerade bei jungen Menschen würden die Zustimmungswerte sinken. „Das zuständige Ministerium für Sie, also das Innenministerium, koordiniert den gesamten Prozess und ist natürlich aber auch gefordert, konkrete Vorschläge für ihre eigenen Bereiche zu machen, sprich auch für die Polizei. „Ich glaube, dass wir als Gesellschaft eine Menge zu tun haben, um uns demokratiefest zu machen. Darum geht es nämlich letzten Endes beim Kampf gegen Rassismus. Demokratische Grundfesten zu verteidigen“. Niemand dürfe auf Grund seiner Herkunft oder seines Aussehens benachteiligt werden. Das müsse in allen Lebensbereichen Realität werden. „Lassen Sie uns das gemeinsam tun! Ich versichere Ihnen, Sie dabei tatkräftig mit dem Ministerpräsidenten zu unterstützen“, versprach die Landtags-Vizepräsidentin.
„Der Titel ist kein Preis und keine Auszeichnung für bereits geleistete Arbeit, sondern eine Selbstverpflichtung für die Gegenwart und Zukunft“, gab Innenstaatssekretär Torsten Geerdts zu bedenken. Die Auseinandersetzung mit den Grundrechten und -werten müsse möglichst frühzeitig beginnen. „Dafür ist unsere Polizeischule genau der richtige Ort“, so Geerdts. Wer verstehe, was die Folgen von Hass und Gewalt sein könnten, wer die Rolle der Opfer nachempfinden könne und die Zusammenhänge erkenne, entwickle auch Verständnis und Offenheit für andere Perspektiven, also für Toleranz. „Diese Toleranz ist jedoch gefährdet. Verunglimpfung, Hass und Gewaltexzesse sind in Zeiten der so genannten sozialen Medien ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft geworden“, zeigte sich Torsten Geerdts besorgt. Insbesondere auch die Aktivitäten im Internet machten Sorgen, vor allem die Radikalisierung im rechten wie im linken Lager, aber auch vorgeblich religiös motivierte im Islam. Als Reaktion darauf, sei der Verfassungsschutz in Schleswig-Holstein verstärkt und 20 neue Stellen geschaffen worden. „Wir wollen damit die Machenschaften im Netz verfolgen und notfalls handeln können“, erklärte der Innenstaatssekretär. Unter dieser Prämisse hätten die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag ein klares Bekenntnis gegen Rassismus abgegeben und die Landesregierung einen entsprechenden Landesaktionsplan festgelegt. Dennoch zeigte sich Geerdts über Entwicklungen besorgt, wies dabei auf den antisemitischen Anschlag auf jüdische Synagogen in Halle hin. „Auch in Schleswig-Holstein registrieren wir Rekrutierungsversuche von Neonazis und deren Versuch, dort wieder Boden und Gefolgsleute zu gewinnen“. Das Ergebnis der Fortschreibung der Regionalanalysen zum Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein habe gezeigt, dass es Anhaltspunkte für eine Zunahme rechter Einstellungen unter Schülern gebe. Dazu gehörten Muslimfeindlichkeit, Ablehnung der Demokratie sowie teilweise Ausländerfeindlichkeit. Seit 2015 versuchten Rechtsextreme im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik, ihre Propaganda gesellschaftsfähig zu machen. Geerdts wurde deutlich: „Dass diese teuflische Saat in einigen Bereichen auf fruchtbaren Boden fällt, zeigt sich an den Wahlerfolgen der AFD, die durch die Flüchtlingsthematik in Deutschland wieder aus der Bedeutungslosigkeit nach oben gespült wurde“. Es gebe also genug Themen, die in der PD AFB als „Schule gegen Rassismus und Schule mit Courage gut aufgehoben seien, so der Innenstaatssekretär. Wie Christiane Balzer in einem Interview beschrieb auch Geerdts die in der Vergangenheit bekannt gewordenen rassistischen und sexistischen Sprüche einiger als inakzeptabel. „Mit diesem Etikett wollen wir uns nicht abfinden, denn das sind wir so nicht. Das waren Einzelfälle, die bedauerlich waren. Aber sie repräsentieren nicht die Landespolizei Schleswig-Holstein, und sie repräsentieren auch nicht unsere Schule und auch nicht unsere Auszubildenden“, hatte Balzer gegenüber dem NDR festgestellt.

Der GdP-Landesvorsitzende Torsten Jäger gratulierte ebenfalls zur Titelverleihung und brachte eine klare Position zum Ausdruck. „Die Polizei darf nicht nur Spiegelbild der Gesellschaft sein, sondern muss vielmehr Garant für die Wehrhaftigkeit der rechtsstaatlichen Demokratie sein“, sagte Jäger.
        Die Gewerkschaft der Polizei stehe an jeder Stelle ihres Handelns für den demokratischen Rechtsstaat, das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden, das Vertrauen in die Kolleginnen und Kollegen, gegen Rassismus, gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen nicht legitimierte Gewalt sowie gegen Rechts- und Linkspopulismus und Extremismus.
        In einer sich polarisierenden Gesellschaft und teilweise auch Medienlandschaft, bei der die Würde des Menschen immer öfter ins Hintertreffen gerate, würde sich die GdP immer klar für ihre Haltungen und Überzeugungen positionieren.
        „Der GdP in Schleswig-Holstein ist es bisher konsequent gelungen, den Kontakt zur AfD zu meiden und damit deren Versuchen entgegenzutreten, unsere Demokratie für verfassungs- und menschenfeindliche Ziele auszunutzen. Die gesellschaftliche und mediale Polarisierung führe immer häufiger dazu, dass eine insgesamt gut funktionierende Landespolizei zwischen die Fronten gerate. „Das haben unsere Kolleginnen und Kollegen nicht verdient. Sie verdienen vielmehr Vertrauen! Ich wünsche mir ein starkes Grundvertrauen von Politik, Gesellschaft und Medien in die Sicherheits- und Justizbehörden, ohne dabei auf berechtigte Kontrollfunktionen verzichten zu wollen“, so Jäger. Polizisten bräuchten dieses Vertrauen, um die Kraft und Überzeugung aufzubringen, sich gegen Rechts- und Linksextremismus und -populismus klar zu positionieren, um für die Demokratie, gegen Rassismus, gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen nicht legitimierte Gewalt einzutreten.
        Es gebe viel Druck bei der Polizei, Überforderung und Erschöpfung. Der Krankenstand sei hoch. Viele Beamte seien zornig. Polizisten hätten eine Erwartungshaltung an politische Verantwortungsträger. „Sie fühlen sich zum Teil auch allein gelassen mit der Problemlage“, so Jäger. Vertrauen und Wertschätzung von Politik, Gesellschaft, Medien seien wichtige und notwendige Voraussetzungen zur Stärkung der demokratischen Widerstandskraft einer Landespolizei, unterstrich der GdP-Vorsitzende. Polizisten würden oft unter Einsatz von Gesundheit und Leben unter allerhöchster Belastung für diesen demokratischen Rechtsstaat eintreten und dabei angegriffen, beleidigt oder gar verletzt. „Sie erwarten berechtigt, dass Politik und Justiz diese Arbeit wertschätzen“, stellte Jäger fest.
        Die politische und ethische Ausbildung in der Landespolizei sei auf einem guten Niveau. Holocaustopfer diskutierten mit Auszubildenden, die internationale Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in Israel werde durch Auszubildende besucht und die Erlebnisse aufgearbeitet. Amnestie International werde zu sehr offenen und auch kritischen Diskussionsrunden eingeladen. Die Jugendausbildungsvertretung betreibe mit großem Engagement gemeinsam mit der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung das Projekt Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage.
        Um auch zukünftig gegen die falschen Versprechungen der Rechtspopulisten gewappnet zu sein, müsse es eine Intensivierung und Stärkung der Fortbildungsangebote geben, so Jäger. Dazu könnte die Landespolizei die Zusammenarbeit mit externen Bildungseinrichtungen verstärken. Landesweit sollten in Dienstversammlungen politische Aktualitäten, polizeiliches Tagesgeschehen und historische Erkenntnisse den Polizisten nähergebracht und verknüpft werden. „Das muss auch flexibel und spontan durch Nachbereitungen nach herausragenden Einsätzen, nennen wir es politische Supervision, geschehen“, sagte der GdP-Chef.
        Jäger rief in Erinnerung, dass von 2008 bis 2018 in der Landespolizei 128 Einstellungen von Menschen mit Migrationshintergrund vorgenommen worden seien. Dieser Weg sollte konsequent fortgesetzt werden. Und es gebe eine Ansprechstelle für LSBTIQ. Zudem arbeiteten Schwerbehindertenvertretungen, Dienststellen und Personalräte vertraut zusammen. Die Gewerkschaft der Polizei sei in ihrem Handeln geprägt von dieser demokratischen Grundhaltung: „Wir beteiligen uns aktiv an der Synode des Kirchenkreises Rantzau-Münsterdorf im Zusammenhang mit der Einrichtung der Abschiebhaftanstalt in Glückstadt, wir diskutieren mit dem Flüchtlingsrat, wir diskutieren mit der Kirche über Kirchenasyl und wir bieten Seminare zum Umgang mit Populismus, insbesondere auch Rechtspopulismus. Wir nehmen zum Reformationstag an einem Austausch zum interkonfessionellen Gebet in Kiel teil“, zählte Torsten Jäger beispielhaft auf.
        Letztlich gehe es um die demokratische und rechtsstaatliche Zuverlässigkeit der Polizei, den Erhalt des erarbeiteten Vertrauens in der Bevölkerung, sagte der GdP-Vorsitzende. Wenn diese Zuverlässigkeit gefährdet sei, könnten Demokratiefeinde die Verfügungsgewalt durch Regierungsbeteiligung über die Polizei erhalten. „Dann ist Gefahr im Verzug oder gar schon irreparabler Schaden entstanden“, so Jäger. Das heutige hohe Vertrauen der Menschen in die Polizei sei jahrzehntelang durch Professionalisierung im Umgang mit dem Bürger mühsam wiederaufgebaut worden. Wer die demokratische Zuverlässigkeit der Polizei ganz grundsätzlich in Frage stelle, gefährde diese Vertrauensstellung und damit letztendlich die Demokratie, stellte Jäger fest.

        Die Erkenntnisse aus dem Staatsschutz zu den aktuellen rechtsextremistischen Gefahren und Aktivitäten in Schleswig-Holstein, brachte der Direktor des Landeskriminalamtes Thomas Bauchrowitz den Zuhörern mit einem Lagebericht aus polizeilicher Sicht näher.
        Der Rechtsextremismus stelle sowohl in Schleswig-Holstein als auch im Bundesgebiet kein einheitliches Gefüge dar, sondern äußere sich in vielen unterschiedlichen Strömungen und Verhaltensweisen mit entsprechend unterschiedlichen Zielen. Zu den Themenschwerpunkten gehörten die Anti-Asyl-Agitation, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Dabei nutzten die Akteure zunehmend die Möglichkeiten des Internets – sowohl zur Verbreitung von Propaganda, als auch zur Mobilisierung und Vernetzung, erklärte Bauchrowitz.
        „Die permanente Wiederholung von Feindbildern und die rassistische Kommentierung gesellschaftlicher Konflikte – zum Teil auch vor dem Hintergrund konstruierter Endzeitszenarien – liefert einigen Rechtsextremisten eine vermeintliche Rechtfertigung für Straftaten. In diesem ideologischen Umfeld besteht die Gefahr, dass sich Einzelne oder auch Gruppen zunehmend radikalisieren“, so der LKA-Chef weiter. Es gebe aber auch Tendenzen einer sogenannten „Neuen Rechten“, die darauf abzielten, fremdenfeindliche und ausgrenzende Argumente im politischen Diskurs zu vermeiden. Mit einer möglichst unverfänglichen Sprache wollten sie mehr gesellschaftliche Akzeptanz erreichen. Als Beispiel nannte Bauchrowitz die „Identitäre Bewegung Deutschland“, die ihre Ideologie auf eine ethnisch homogene, „europäische“ Kultur ausrichtet, die sie durch die sogenannte „Islamisierung“ bedroht sehe. Der LKA-Chef betonte indes, dass auch bei regionaler Betrachtung derzeit keine Hinweise vorlägen, die eine Verfestigung rechtsgerichteter Täterstrukturen im Land erkennen ließen. Viele der polizeilich ermittelten Tatverdächtigen seien erstmals mit einer politisch motivierten Tat in Erscheinung getreten.
        Nur in Bad Segeberg und Sülfeld seien Ausnahmen zu registrieren. Dort habe sich mehrfach eine rechtsgesinnte Gruppierung gezeigt, deren aggressives Auftreten zu einer Reihe von Strafanzeigen geführt habe. „Auch diese Gruppe hatte sich zunächst im Netz organisiert, bevor sie in der realen Welt aktiv geworden ist“, berichtete Thomas Bauchrowitz. Die gute Nachricht des LKA-Chefs: „Courage ist auch in Bad Segeberg und Sülfeld kein Fremdwort. Zahlreiche Menschen sind dort immer wieder auf die Straße gegangen und haben gemeinsam ein deutliches Zeichen gegen Rechts gesetzt“, so der Kriminalbeamte. Für kommenden Samstag habe das Bündnis „Segeberg bleibt bunt“ wieder zu einem Lichterfest für ein tolerantes Miteinander und gegen Rassismus und Ausgrenzung eingeladen.

        Thomas Bauchrowitz präsentierte auch Zahlen: Demnach habe die Polizei in Schleswig-Holstein im Jahr 2018 insgesamt 672 politisch motivierte Delikte aus dem Phänomenbereich „Rechts“ erfasst. 2019 hätten sich die Zahlen bislang ähnlich entwickelt. Dabei machten die sogenannten Propaganda-Delikte, wie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, den größten Anteil aus. Mit Abstand folgten Volksverhetzungsdelikte, Sachbeschädigung und Beleidigung – hier vor allem Hass-Postings. Die Zahl der Gewalttaten ist seit Jahren rückläufig und befinde sich im niedrigen zweistelligen Bereich.
        Zur Hasskriminalität trage nach Angaben Bauchrowitz auch in besonderer Weise dazu bei, Menschen auszugrenzen und abzuwerten. Die polizeilich bekannten Fälle seien zu 90 Prozent dem Bereich „Rechts“ zuzuordnen. Es handelt sich dabei zumeist um sogenannte Ehr- und Drohdelikte, zu denen Beleidigung, Verleumdung oder Rufschädigung zählten. Im Rahmen der Dunkelfeldstudie 2017 habe das Landeskriminalamt erstmals einen Schwerpunkt auf den in Deutschland bislang kaum untersuchten Bereich der Hasskriminalität gelegt. Die sogenannte vorurteilsmotivierte Kriminalität zeichne sich dadurch aus, dass sie ihre Opfer aufgrund bestimmter persönlicher Identitätsmerkmale wie Abstammung, Religion, sozialer Status oder sexuelle Orientierung angreife. Die Befragten würden besonders stark unter den Folgen der Tat leiden. Sie äußerten insgesamt eine deutlich höhere Kriminalitätsfurcht als Personen, die nicht von Hasskriminalität betroffen waren.
        Bei diesen Opfern sei auch das Vertrauen in den Rechtsstaat und in die Arbeit der Polizei deutlich verringert. Die Hälfte der Betroffenen von Hasskriminalität sei der Meinung, ihr Fall sei zu schnell und oberflächlich abgehandelt worden. Ein Teil habe sich bei der Anzeigenaufnahme ungerecht behandelt gefühlt und kritisiert, dass man ihnen auch seitens der Polizei mit Vorurteilen begegnet worden sei.
        Diese Aussagen machten deutlich, wie wichtig eine besondere Sensibilisierung für dieses Kriminalitätsphänomen sei und dass Opfer von Hasskriminalität ernst genommen und noch besser abgeholt werden müssten. „Mit dem Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ haben Sie alle bereits einen großen Schritt in diese Richtung getan. Damit nutzen Sie die Möglichkeit, das Klima an Ihrer Schule aktiv zu beeinflussen und jeder Form von Diskriminierung die Stirn zu bieten“, so Thomas Bauchrowitz abschließend.

        Einen kritischen Blick auf Rassismus sowie Rechtspopulismus und -extremismus und den Umgang damit in der deutschen Polizei unternahm der Journalist und Buchautor Olaf Sundermeyer in seinem Kurzreferat. Deutschland sei ein Land, das nicht gespalten sei, dem aber die Spaltung drohe. In einigen Regionen sei das auch schon der Fall, stellte der renommierte Journalist fest. “Damit das aber nicht passiert, brauchen wir auch die Polizei“, hob Sundermeyer hervor. Deshalb habe die Polizei jeden Tag aufs Neue den Grundsatz umzusetzen, die Menschenwürde zu achten und zu schützen, damit es keine Zustände wie in Ländern gebe, in denen keine Demokratie herrsche. „Es gibt derzeit keine Partei, die sich politisch mehr an die Polizei und Mitarbeiter andere Sicherheitsbehörden, der Bundeswehr, des Verfassungsschutzes und auch der Staatsanwaltschaft heranarbeitet als die AfD“, warnte Sundermeyer. Er kenne zahlreiche Polizisten und Bundespolizisten, die sich in großen Teilen dieser rechtsradikalen Partei und rassistischen Gruppierung verpflichtet fühlten. Er würdigte, dass sich auch die GdP inzwischen deutlich von der AfD distanziere. „Wenn ich der Polizei bei der Durchsetzung von Recht und Gesetz nicht mehr vertrauen kann, dann haben wir ein massives Problem in diesem Land. Dazu darf es nicht kommen“, unterstrich Olaf Sundermeyer. Er zeigte sich angetan, dass sich die Eutiner Polizeischule auch mit der Titelverleihung aktiv mit der Problematik des Rassismus auseinandersetze.
Fotos/Text: Thomas Gründemann
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