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"Dürfen die das?"

GdP-Chef Malchow: "Polizei ist eine Organisation, die kontrolliert und rechtmäßig Gewalt anwendet"

GdP-Bundesvorsitzender stellt sich bei öffentlicher Diskussion vor die Polizei und beklagt zunehmende Einsatzbelastungen und Gewalt gegen Polizisten

Eutin.

Es war eine Veranstaltung, die in dieser Form bereits seit einigen Jahren von Amnesty-International und der Polizei als gemeinsame Organisatoren in der PD AFB ausgerichtet wird. „Dürfen die das?“ lautete der Titel der öffentlichen Diskussionsrunde mit einem kritischen Blick auf polizeiliches Handeln.

Gegenstand der Diskussion: Die Forderung von Amnesty International, eine unabhängige Stelle zur Untersuchung von Beschwerden gegen mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige der Polizei einzurichten. Für Amnesty begründete Miranda Krützfeldt die Forderung, in dem sie auf eine Studie von Prof. Dr. Tobias Singelnstein, von der Ruhr-Universität Bochum hinwies. Danach gebe es in Deutschland pro Jahr mindestens 2000 vermutete rechtswidrige Übergriffe durch Polizeibeamte, die von den Staatsanwaltschaften bearbeitet würden. Aber weniger als zwei Prozent der angezeigten Fälle von Polizeigewalt führten zu Gerichtsverfahren, noch nicht einmal ein Prozent endeten mit einer Verurteilung. Maren Freyher, die Verantwortliche für die Aus- und Fortbildung der Landespolizei Schleswig-Holstein hob in ihrer Begrüßung die Bedeutung der gemeinsamen Veranstaltung hervor. Eine offene, bürgerorientierte und demokratische Polizei stelle sich kritischen Themen, insbesondere, wenn Menschenrechtsverletzungen mit im Fokus des Themas stünden, sagte die Leitende Polizeidirektorin. Und Freyher weiter: „Die Auseinandersetzung mit kritischen Themen seitens der schleswig-holsteinischen Landespolizei erfolgen nicht nur im internen Bereich, sondern auch öffentlich. Und gerade solche öffentlichen Veranstaltungen tragen dazu bei, Ansichten abzugleichen und sich für eine stabile Gesellschaft beidseitig anzunähern“, konstatierte sie. Die Öffentlichkeit und damit die Bürger und Bürgerinnen des Landes Schleswig-Holstein könnten darauf vertrauen, dass kritische Themen innerhalb der Aus- und Fortbildung besprochen würden.
    • Maren Freyher: „Gewaltmonopol“ als festes Thema in den Lehrplänen
Die kritische und auf den Polizeiberuf vorbereitende Vermittlung des Themas „Gewaltmonopol“ sei eines, das fest in den Lehrplänen verankert sei und in einer klaren Erwartungshaltung an zukünftige Polizisten münde. Hierbei werde unter anderem hinterfragt, was Gewaltanwendung mit Menschen mache. Und zwar bei denjenigen, die Gewaltanwendung erführen und diejenigen, die legitimiert Gewalt anwendeten. Maren Freyher stellte jedoch klar: „Als Garant des Gewaltmonopols zur Sicherung der Demokratie und der Gesellschaft darf Polizei legitimierte Gewalt anwenden. Jedoch sind Menschenrechtsverletzungen mit einer demokratischen Polizei wie der Landespolizei Schleswig-Holstein nicht vereinbar“.
Und die beiden Referenten für die Pro- und Kontradiskussion standen für einen Blick aus unterschiedlichen Perspektiven: Einerseits Professor Dr. Rafael Behr, von der Akademie der Polizei Hamburg, und andererseits der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Oliver Malchow. Rund 200 Zuhörer, davon etwa 150 Auszubildende, verfolgten die von Michael Paul von der AI-Gruppe moderierte Diskussion. Mit Impulsreferaten hatten Behr und Malchow auf das kontroverse Thema eingestimmt.
Rafael Behr für „Monitoring- oder Clearingstelle für Polizeiangelegenheiten“

In seinem Referat sprach sich Behr für die Einrichtung einer beim Landtag eingerichteten „Monitoring- oder Clearingstelle“ für Polizeiangelegenheiten aus, bei der Auseinandersetzungen als soziale Konflikte bearbeitet werden sollten, forderte Behr. Eine Wiedergutmachung (Restaurative Justiz) solle im Vordergrund stehen, und es solle Möglichkeiten der Mediation oder des Täter-Opfer-Ausgleichs geben.
Der umstrittene Professor gab den Geläuterten: „Mir selbst ist erst vor einiger Zeit klar geworden, dass Polizisten im Einsatz vor einer paradoxen Herausforderung stehen: Um Gewalt zu verhindern, müssen sie selbst im rechtlichen Maße Gewalt anwenden. Da kann der Gewalteinsatz schnell mal zu weit gehen. „Jeder Polizist kann in eine solche Situation kommen, auch wenn es nur für einige Sekunden ist“, meinte Behr. In bekannter Art und Weise übte der Professor Kritik an der Justiz. Nach seiner Bewertung habe die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den G20-Krawallen Ermittlungsverfahren gegen Polizisten eingestellt und dabei ihren Handlungsspielraum sehr weit ausgedehnt.
Deshalb wolle er die Ermittlungen nicht der Staatsanwaltschaft überlassen, sondern auch der von ihm vorgeschlagene Monitoring- oder Clearingstelle mit der „Komponente des scharfen Schwerts“ ausstatten. Deshalb sei es wichtig, solche Auseinandersetzungen nicht nur strafrechtlich, sondern auch als soziale Konflikte zu bearbeiten. Behr konnte auf Nachfrage den Widerspruch nicht detailliert erklären, wie die notwendige Neutralität in der vermittelnde Kommunikation zum Vertrauensgewinn in sozialen Konflikten mit seiner „Komponente des scharfen Schwertes“ zusammenpasse.

    • Oliver Malchow: Der Polizei steckt keine „rechtswidrige Gewalt“ in der Uniform
Oliver Malchow verwahrte sich gegen pauschale Vorwürfe gegen die Kolleginnen und Kollegen: Der Polizei stecke keine „rechtswidrige Gewalt“ in der Uniform. Und sie sei auch keine Organisation, die unkontrolliert und unrechtmäßig Gewalt anwende, konstatierte der GdP-Chef. „Die notwendige Kontrolle wird durch die Legislative und die Staatsanwaltschaft und Gerichte gewährleistet“, untermauerte Oliver Malchow. Die Möglichkeiten für eine Clearingstelle seien begrenzt, lägen allenfalls in der Vermittlung zwischen Bürgern und Polizei „ Und zwar außerhalb der Verfolgung von vermeintlicher Gewalt durch die Polizei“, stellte Malchow klar. Eine Clearingstelle könne nicht positiv arbeiten, wenn es um Unterstellungen gehe. Die Bürger könnten sich auf ihre Polizei verlassen. „Es dauert erfahrungsgemäß sehr lange, bis im polizeilichen Einsatz überhaupt Gewalt angewendet wird“, erklärte der 56-Jährige. Vorwürfe falsch verstandener Kameraderie wies Malchow im Zusammenhang mit vermeintlich unrechtmäßiger Gewaltanwendung zurück. Genauso wie Hinweise Behrs, dass das Misstrauen der Bevölkerung gegen die Polizei zunehme. Umfragen bewiesen das Gegenteil. Die Polizei genieße höchste Vertrauenswerte bei den Bürgern. Erheblich zugenommen hätten aber vor allem die Einsatzbelastungen für die Polizei und die Gewalttaten gegen Polizistinnen und Polizisten. „Durch die Dauerbelastung haben unsere Kolleginnen und Kollegen kaum Gelegenheit, Kopf und Herz frei zu bekommen“, gab der GdP-Chef zu bedenken.
    • Oliver Malchow: Polizei stellt sich auch kritischen Organisationen wie Amnesty
Einigkeit herrschte aber sowohl bei Behr als auch bei Oliver Malchow über die Teilnahme der vielen Auszubildenden bei der Diskussion. „Mit deren verpflichtenden Teilnahme erleben die Auszubildenden, dass sich die Polizei auch kritischen Organisationen wie Amnesty stellt und positioniert. Nicht legitimierte Gewalt durch Polizeibeamte wirke auf die Idee der Bürgerpolizei zerstörend. „Die Auszubildenden haben mit der Teilnahme an der Veranstaltung die Chance, sich mit den schweren Herausforderungen ihres Berufs auseinanderzusetzen und die richtigen Werte anzunehmen“, befand Oliver Malchow.
Fotos/Text: Thomas Gründemann

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