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Vereidigung von 401 Nachwuchspolizisten

„Verlieren Sie nicht Ihren ethischen Kompass aus den Augen“

Appell des Polizeiseelsorgers Volker Struve: Demokratie, Grundwerte und Menschenwürde sind keine Selbstverständlichkeit

Büdelsdorf.

401 Polizeianwärterinnen und -anwärter wurden Sonntag in der Messehalle in Büdelsdorf vereidigt. Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack, der Stellvertretende Landespolizeidirektor Henning Nebbe sowie die Leiterin der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung und Bereitschaftspolizei Maren Freyher ermutigten in ihren Beiträgen die jungen Polizistinnen und Polizisten.

Große Anerkennung erfuhr auch der Polizei-Seelsorger Volker Struve mit seinen Worten an den Nachwuchs. Struve rief in Erinnerung: Im Berufsethischen Unterricht sei auch über das „Kleingedruckte“ des Diensteides, über die Risiken und Nebenwirkungen, gesprochen worden. „Ja, wir sind dazu bereit, Teil dieser Landespolizei zu sein und alle damit verbundenen Pflichten, Einschränkungen und Gefahren mitzutragen“, sei stets der einstimmige Tenor der neuen Anwärterinnen und Anwärter gewesen.
        Volker Struve wandte sich direkt an die Nachwuchspolizisten: „Dafür bekommen Sie ja auch viel: Tolle Kolleginnen und Kollegen, eine abwechslungsreiche Ausbildung beziehungsweise ein vielfältiges Studium - und später auch aufregende Erfahrungen in Ihren Praktika. Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Entscheidung und wünsche Ihnen viel Spaß und Erfolg“.
        In seinem Grußwort bezog der Polizeiseelsorger auch die Angehörigen der jungen Beamtinnen und Beamten mit ein. Familienangehörigen und engen Freunden war aufgrund der Corona-Pandemie erstmals die Teilnahme an der Vereidigung verwehrt.
        Auf die richtigen Worte komme es an, hob Struve hervor. Mit dem Eid würden die Polizeianwärter bedeutende Worte sprechen, die einen feierlichen, aber auch ernsthaften Charakter besitzen würden: „Sie werden darauf vereidigt, unser Grundgesetz und die damit verbundenen Grundrechte zu schützen, zu bewahren und notfalls auch durchzusetzen. Und das ist wesentlich mehr als ein Lippenbekenntnis“, machte der Polizeiseelsorger deutlich. Aktuell würden in immer mehr Staaten um Deutschland herum Grundrechte außer Kraft gesetzt und politische Oppositionelle bedroht und verhaftet. Die Verfassung nach außen und nach innen zu schützen sei die Aufgabe jedes Einzelnen, der seinen Eid auf diese Verfassung ablege. „Das erfordert manchmal Mut und Zivilcourage, vor allem aber das Vertrauen darin, dass unser ganzes Streben dem Schutz und der Bewahrung unserer Grundwerte zu gelten hat“, so Struve wörtlich.

        Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, aber nicht beliebig, und schon gar nicht in den Reihen der Polizei. „Wenn wir es hier mit Äußerungen zu tun bekommen, die in unserer Gesellschaft absolut keinen Platz haben, weil sie rassistisch und politisch extremistisch sind, hört jeder Spaß auf. Hier haben offenbar Menschen ihren inneren ethischen Kompass ganz und gar aus den Augen verloren“, so der Polizeipastor mit ernster Miene. Besorgt zeigte sich Volker Struve über Nachrichten, wonach es auch in den Reihen der Polizei Netzwerke gebe, die eine rechtsradikale Gesinnung vertreten würden. „Wer so redet, denkt und handelt, der stellt sich gegen das, was Sie hier heute geloben. Der stellt sich gegen die Grundwerte von Freiheit, Gleichheit und Menschenwürde“, so Struve wörtlich. So etwas dürfe keinen Raum haben - nicht in der Gesellschaft und schon gar nicht in den Reihen der Polizei
        Der Seelsorger appellierte, derartige Entwicklungen in den Reihen der Polizei auch nicht zu verschweigen. Er wies auf ein Zitat von Albert Einstein hin: „Die Welt wird nicht bedroht von den Menschen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen.“ Wer wegsehe, wer dulde und mitmache, ist ein Nestbeschmutzer, so der Pastor.

        Volker Struve wandte sich an den Polizeinachwuchs: „Verlieren Sie nicht Ihren ethischen Kompass aus den Augen. Demokratie, Grundwerte und Menschenwürde sind keine Selbstverständlichkeit. Wir brauchen ein sehr bewusstes und entschlossenes Eintreten nach außen und nach innen für die Werte, die uns ein freiheitliches und menschenwürdiges Zusammenleben aller Menschen in unserer Gesellschaft garantieren“.
        Der angesehene Polizeiseelsorger empfahl die Abstandsregel analog der Corona-Pandemie: „Halten Sie genügend Abstand von Äußerungen, die rassistisch und extremistisch sind. Aber setzen Sie dabei die Mundschutzregel aus: Halten Sie eben nicht den Mund, sondern mischen Sie sich ein und weisen Sie darauf hin, dass solche Meinungen keinen Platz in unserer Gesellschaft und schon gar nicht in unserer Polizei haben.

        Im Berufsethischen Unterricht würden Anwärterinnen und Anwärter gebeten, eigene Diensteide zu formulieren. Einige würden traditionell im Gottesdienst vorgelesen, ein Ablauf, der aufgrund der Hygienevorschriften in diesem Jahr nicht realisiert werden konnte. So war es Rico Nelson Schiede als einzigem Anwärter vorbehalten, seinen persönlichen Eid vorzutragen:
        „Ich schwöre, jeden Menschen gleich zu behandeln. Des Weiteren werde ich jeden Menschen vor jeglicher Gefahr schützen, falls dies möglich ist. Ich schwöre, die mir übertragene Macht sinnvoll zu nutzen und nicht zu missbrauchen. Der Glaube an jeden Einzelnen ist nicht aufzugeben, und ich werde diese Prinzipien durchsetzen, so wahr mir Gott helfe!

        Polizeiseelsorger Volker Struve wandte sich abschließend persönlich an die 401 Nachwuchspolizistinnen und -polizisten: „Das, was aus diesem Eid an Motivation strahlt, wünsche ich Ihnen: Die Entschlossenheit, den Mut und die Kraft, Ihren Dienst nach bestem Wissen und Gewissen verrichten zu können“.
Text: Thomas Gründemann / Fotos: Andreas Kropius
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