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Ausweitung der Videoüberwachung im Land

Kein Zugewinn an Sicherheit

Saarbrücken.

In einem Interview der Saarbrücker Zeitung wendet sich der GdP-Landesvorsitzende, Hugo Müller, gegen die Pläne der Landesregierung, die Videoüberwachung auszuweiten. Er sagte (SZ vom heutigen Tag, S. A1), seines Wissens habe die Polizei keinen Bedarf für eine derartige Gesetzesänderung angemeldet. Offenbar wolle man hier in der Öffentlichkeit einen Zugewinn an Sicherheit darstellen, obwohl dies in der Sache nicht der Fall sein wird.


Der GdP-Chef äußerte zudem Zweifel an Regierungsangaben, wonach bei der geplanten anlassfreien Erfassung von Kfz-Kennzeichen keine Daten unbescholtener Bürger gespeichert würden. Müller verwies darauf, dass die Daten den Regierungsplänen zufolge zu löschen seien, wenn sie nicht im Fahndungsbestand enthalten sind. Er frage sich, warum Daten zu löschen sind, wenn sie nicht gespeichert worden sind.

Hier das Interview im Einzelnen (SZ vom heutigen Tag, S. C4):

„Kein Bedarf für Videoüberwachung“

Gewerkschaft der Polizei kritisiert Pläne von Kramp-Karrenbauer – Bedenken auch gegen Erfassung von Kfz-Kennzeichen

Saarbrücken. Die Pläne von Innenministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zur Ausweitung der Videoüberwachung stoßen bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf Unverständnis. Das machte GdP-Chef Müller in einem Gespräch mit SZ-Redakteur Norbert Freund deutlich.

Der Einsatz von Polizeikameras an öffentlichen Plätzen soll nach dem Entwurf des Innenministeriums für ein neues Polizeigesetz nicht mehr nur an Kriminalitäts-Schwerpunkten möglich sein, sondern immer dann, wenn das der „einfachen Gefahrenabwehr“ dient. Was halten Sie davon?

Hugo Müller: Die CDU hat der Polizei bereits vor drei Jahren im Polizeigesetz die Befugnis zur Videoüberwachung an Kriminalitäts-Schwerpunkten eingeräumt. Bis heute gibt es auf dieser Rechtsgrundlage keine einzige Kamera im Land. Damit stellt sich die Frage, ob für die vom Ministerium geplante Ausweitung der Polizeibefugnisse überhaupt ein Bedarf besteht. Von Seiten der Polizei ist dieser meines Wissens nicht reklamiert worden.

Welche Motive hat das Innenministerium dann für seine Pläne?

Müller: Ich denke, das ist eine politische Maßnahme, mit der man in der Öffentlichkeit einen Zugewinn an Sicherheit darstellen will, obwohl dies in der Sache nicht der Fall sein wird. Ich befürchte sogar, dass das bisher positive Bild, das die Bürger von der Polizei haben, sich zum Negativen verändert. Wenn an vielen Orten im Saarland die Videoüberwachung eingeführt würde, wäre dies eine erhebliche Belastung für den Bürger. Seine Möglichkeit, sich unbefangen in der Öffentlichkeit zu bewegen, wäre damit eingeschränkt. Bisher nehmen die Bürger die Polizei als demokratische Institution und nicht als Teil eines Überwachungsstaats wahr. Das könnte in Zukunft anders sein.

Warum meinen Sie, dass es keinen Zugewinn an Sicherheit gibt?

Müller: Wir wissen aus Erfahrungen, die man außerhalb des Saarlandes mit der Videoüberwachung machte, dass diese Technik an den Orten, wo sie eingesetzt wurde, zu einer Verringerung von Straftaten führte. Insgesamt ist deren Zahl aber nicht gesunken. Die Kriminalität fand dann eben verstärkt da statt, wo keine Kameras standen. Außerdem ist die Videoüberwachung teuer. Wir haben große Angst, dass dann für andere, vielleicht wichtigere Dinge wie Einstellungen oder bessere Fahrzeugausstattungen das Geld fehlt.

Könnte man mit dieser Technik nicht Personal bei der Polizei einsparen?

Müller: Keineswegs. Erstens muss bei der Videoüberwachung immer jemand den Monitor überwachen, damit man sofort reagieren kann, wenn etwas passiert. Und zweitens braucht man Leute, die dann eingreifen können. Man benötigt also sogar mehr Personal. Die Landesregierung geht aber gerade in die umgekehrte Richtung. Wir hatten kurz vor der letzten Landtagswahl von Ministerpräsident Peter Müller (CDU) die schriftliche Zusage erhalten, dass in den nächsten Jahren mindestens 85 Polizisten pro Jahr eingestellt werden. 2005 waren es nur 60, in diesem Jahr ist von 50 bis 60 die Rede.

Was halten Sie vom Plan des Innenministeriums, nicht mehr nur der Vollzugspolizei, sondern auch den Ortspolizeibehörden die Befugnis zur Videoüberwachung einzuräumen?

Müller: Das ist aus meiner Sicht noch schlimmer. Denn die Ortspolizeibehörden haben erst recht nicht das für den Einsatz dieser Technik nötige Personal – etwa um Müll-Container zu überwachen. Sie könnten zwar die Vollzugspolizei um Amtshilfe bitten. Diese wird aber vielleicht nicht helfen können. Mit dem Ergebnis, dass die Kommunen womöglich auf private Sicherheitskräfte ausweichen. Die kosten weniger als Polizisten, doch fehlt es ihnen an der nötigen Ausbildung und an Befugnissen für die Verhinderung beziehungsweise Ermittlung, Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten.

Die Polizei soll nach dem Entwurf auf öffentlichen Straßen anlassfrei Kfz-Kennzeichen elektronisch erfassen dürfen, die automatisch mit dem Fahndungsbestand abgeglichen werden. Was halten Sie davon?

Müller: Wenn der Datenabgleich in wenigen Millisekunden möglich wäre, so dass nur Kfz-Kennzeichen gespeichert würden, bei denen der Abgleich einen „Treffer“ ergab, wäre das in Ordnung. Das Innenministerium sagt ja auch, es wolle die Kennzeichen unbescholtener Bürger nicht speichern. Im Entwurf des Ministeriums heißt es dann aber, die Daten seien „unverzüglich zu löschen“, wenn sie nicht im Fahndungsbestand oder anderen polizeilichen Dateien enthalten sind. Ich frage mich: Wenn die Daten nicht gespeichert worden sind, warum müssen sie dann „unverzüglich gelöscht“ werden? Bei einem Pilotversuch mit dieser Technik in Bayern musste man einräumen, dass es Operationen manueller Art bedurfte, um jene Kfz-Kennzeichen zu löschen, bei denen der Abgleich keinen „Treffer“ ergab. Ein solches System wäre missbrauchsanfällig und würde zu weit in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen.

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