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Familienoffensive mit Licht und Schatten

Erfurt.

Erfurt (mp) Laut Thüringer Landesamt für Statistik leben im Freistaat 235.000 Familien mit Kindern unter 18 Jahren. Sie haben zusammen 336.000 Kinder. Hiervon haben 154.000 ein Kind, 66.000 zwei Kinder und 16.000 drei Kinder und mehr. Weiterhin sind 51.000 Alleinerziehende mit 65.000 Kindern.


Mit der Familienoffensive will die Landesregierung Thüringen familien- und kinderfreundlicher machen. Seit dem 1. Juli 2006 ist sie in Kraft. Hintergrund für die sehr kontrovers diskutierte Offensive ist eine Neuordnung der Finanzen im Freistaat. Trotz Geldfluss kommt wenig Freude auf, da die Sorge um zusätzliche Belastungen überwiegt.

Mit dem Erziehungsgeld und dem Elterngeld des Bundes, das ab 01. Juli 2007 für alle Kinder von der Geburt bis zu zwei Jahren bezahlt wird, bekommen alle Thüringer Eltern während der Elternzeit ihre Erziehungsleistung honoriert. Die Landesregierung stellt hierfür nach eigenen Angaben jährlich 38 Millionen Euro zur Verfügung. Der zuständige Sozialminister Klaus Zeh kämpfte bis zum Schluss mit folgenden Argumenten um die Familienoffensive: „Wichtigste Verbesserungen sind eine größere Wahlfreiheit der Eltern und eine Kindbezogene Förderung. Zurzeit hat nur jede zweite Familie Anspruch auf das Landeserziehungsgeld. Die Familienoffensive bietet hier mehr Gerechtigkeit. Jede Familie mit Kindern zwischen zwei und drei Jahren bekommt künftig das Thüringer Erziehungsgeld in Höhe von 150 Euro für das erste Kind, 200 Euro für das zweite, 250 Euro für das dritte und 300 Euro für das vierte und jedes weitere Kind. Gezahlt werden soll das Geld für rund 17.000 Kinder. Die Beantragung ist gegenüber anderen sozialen Leistungen unabhängig vom Einkommen der Eltern. Hinzu kommt der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz bereits ab dem 2. Lebensjahr“.

Die Eltern können entscheiden, ob sie für ihren Nachwuchs das Angebot einer Kindertagesstätte nutzen, das Kind von einer Tagesmutter betreuen lassen oder ob die Betreuung in der Familie selbst übernommen wird. Neu ist hierbei, dass das Thüringen nicht nur die Kindertagesstättenplätze unterstützen will, sondern auch die Eltern, die sich entscheiden die Betreuung ihrer Kinder selbst zu übernehmen. Familiengeld bekommen deshalb nur die Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen.

Positiv ist die freie Wahl des Ortes der zu besuchenden Kindereinrichtung. Dies ist gerade für Kollegen, welche ihre Dienststelle außerhalb haben bis jetzt immer ein Problem gewesen, da nur die Einrichtung am Wohnort zur Aufnahme in Frage kam.

Aber wo Licht ist, da ist auch Schatten. Für die Tagesbetreuung der Kinder stehen in Thüringen zurzeit 1.379 Einrichtungen mit 86.192 Plätzen zur Verfügung. Die Kindereinrichtungen befürchten nun einen massiven Rückgang der Kinder. Denn verbunden mit dem Besuch der Tagesstätte müssen Eltern, die ihre Kinder hier betreuen lassen, für einen Halbtagesplatz 75 Euro und für einen Ganztagesplatz 150 Euro an den Träger der Kindertagesstätte zahlen und das zusätzlich zu den bestehenden Gebühren. Da kommen leicht 330 bis 350 Euro pro Kind und Platz zusammen. Nach dem Übergang an freie Träger wurden vielerorts die Gebühren um bis zu 30 Prozent erhöht.

Bundesweit steht der Freistaat in der Bereitstellung von Plätzen gut da. Auf 100 Kinder kommen laut Thüringer Landesamt für Statistik 126 Einrichtungsplätze. Sogar die angrenzenden Bundesländer wie Hessen, Bayern und Niedersachsen haben diese vorhandene Platzkapazität und die Betreuungskonzepte zu schätzen gewusst und mit rund 3000 Kindern mancher Kita in grenznahen Gemeinden das Schließen erspart. Dies wird sich aber nun ändern, da die Eltern seit in Kraft treten der Familienoffensive monatlich 480 Euro bezahlen sollen. Dies hängt mit der Streichung der Zuschüsse zusammen.
Für einige Kindergärten geht es um die Existenz und somit ums Ganze. So gleich sind eben Kinder doch nicht und es ist nicht verwunderlich, dass aus finanziellen Gründen die Kleinen abgemeldet werden. Gerade Alleinerziehende und Alleinverdiener werden sich überlegen ob eine Betreuung noch bezahlbar ist.
Es ist vor diesem Hintergrund keine freie Entscheidung mehr ob ein Elternteil zur Betreuung zu Hause bleibt oder nicht. Aber das ist nur der Anfang. Nach Schätzung von Kultusministers Goebel stehen 20 Prozent der Personalstellen in den Einrichtungen zur Diskussion. Um Kosten zu sparen werden die freien Träger Entlassungen aussprechen. In der Stadt Gera ist dies schon durch den Stadtrat beschlossen. Es wird weniger Geld für die Betreuung der Kinder fließen, da künftig nur noch Plätze in Einrichtungen gefördert werden, die belegt sind. Viele Eltern befürchten zu Recht die Schließung ihrer Einrichtung.

Die bisherige Sachkostenförderung des Landes für freie Träger fällt weg. Dafür können diese künftig Mittel aus der kommunalen Infrastrukturpauschale bekommen, also von den 1000 Euro, die jede Stadt oder Gemeinde pro Neugeborenem vom Land erhält. Die Betriebskosten werden weiterhin von der Kommune und den Eltern getragen. Den berechtigten Ängsten widerspricht der Minister vehement: „Eine Gemeinde ohne Kita muss der Nachbargemeinde, die ihre Kinder aufnimmt, 70 Prozent der Betriebskosten pro Platz und Kind zur Verfügung stellen“. Durch die allgemein knappen Haushaltsgelder können die Kommunen diese zusätzlich entstehenden Kosten nicht tragen. Die Erhöhung der Attraktivität der Einrichtung bzw. flexible Öffnungszeiten und neue Betreuungskonzepte werden zusätzlich Geld kosten.

Viele Eltern fragen sich, ob die Elternbeiträge dadurch steigen werden. Im Gesetz sind die Elternbeiträge für die kommunalen Kindertagesstätten bis zum Juli 2007 festgeschrieben. Ob sich die freien Träger an diese Vorgaben halten werden bleibt abzuwarten.
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