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Kommentar des amtierenden Landesvorsitzenden

Möglichkeiten werden nicht genutzt

Erfurt.

Die Polizei ist unter allen stattlichen Verwaltungen eine besondere Organisation und Tatsachen hören nicht dadurch auf zu existieren, dass man sie ignoriert.

Die Polizei arbeitet 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr. Der Personalbedarf für die Dienstdurchführung ist erheblichen Schwankungen unterlegen. Mal reicht ein Minimum an Polizeikräften aus, um alle polizeilich relevanten Sachverhalte zu bearbeiten und mal sind Tausende von Einsatzkräften nötig, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Der Kräftebedarf ist nicht immer planbar und ändert sich gelegentlich innerhalb weniger Augenblicke. Das ist jedem Beschäftigten der Thüringer Polizei bekannt und wird von diesen auch akzeptiert.

Darum braucht die Polizei Arbeitszeitmodelle, die in der Lage sind, diesen ständig wechselnden Kräftebedarf zu befriedigen. Diese Arbeitszeitmodelle müssen darüber hinaus anwenderfreundlich sein. Das trifft insbesondere für die Arbeitszeiterfassungssysteme zu. Und sowohl mit den Arbeitszeitmodellen, als auch mit den Arbeitszeiterfassungssystemen haben wir in der Thüringer Polizei gegenwärtig so unsere Probleme.

Für die Grundversorgung der Bürger, also den Schichtdienst in den Polizeiinspektionen, wurde in den letzten Jahren teilweise unter großen Geburtswehen das bedarforientierte Schichtmanagement (BSM) eingeführt. Die Bedingungen für den Polizeidienst und der Bedarf an Polizeikräften sind von Dienststelle zu Dienststelle zum Teil sehr unterschiedlich. Deshalb haben die Gewerkschaft der Polizei und die Personalvertretungen von Anfang an darauf verwiesen, dass das jeweilige Dienstzeitmodell nur vom Bedarf der jeweiligen Dienststelle und von den Interessen der Nutzer abhängig sein kann. Die geschlossenen Dienstvereinbarungen unterscheiden sich darum auch von Dienststelle zu Dienststelle. Für alle Vereinbarungen gemeinsam gilt dabei nur eine Grundforderung, sie müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen einhalten.

Als Grunddienstform für den Wechselschichtdienst hat sich dabei in den letzten Jahren immer stärker der 12-Stunden-Dienst durchgesetzt. Er ist in der Thüringer Arbeitszeitverordnung für den Polizeivollzugsdienst rechtlich normiert. Er hat aus Sicht der Anwender einen entscheidenden Vorteil, durch die sehr kompakte Dienstdurchführung ergeben sich große Freizeitblöcke mit zwei freien Wochenenden. Darin liegt zugleich auch der große Nachteil, denn innerhalb von 4 Wochen müssen zwei mal innerhalb von drei Tagen, drei 12-Stunden-Schichten mit jeweils zwölf Stunden Pause dazwischen geleistet werden. Nach unserer Kenntnis nehmen das die Polizeivollzugsbeamten überwiegend jedoch lieber in Kauf als kürzere Schichtfolgen.

Genau der 12-Stunden-Dienst scheint nun aber den im Innenministerium für die Arbeitszeit Verantwortlichen ein Dorn im Auge zu sein. Da werden EU-Richtlinien und Urteile der Europäischen Gerichtshofes ins Feld geführt, obwohl gerade auch für die Polizei Ausnahmen gelten. Da werden Probleme mit dem Arbeitszeitnachweis und mit der Urlaubsberechnung genannt, obwohl das Urlaubsrecht der Beamten Landesrecht und das Innenministerium für das Beamtenrecht zuständig ist. Das Einzige, was dabei bisher nicht berücksichtigt wird, sind die Interessen der Betroffenen. Die GdP wird deshalb dem Hauptpersonalrat der Thüringer Polizei vorschlagen, eine Umfrage unter den Beamten durchzuführen, die Schicht- und Wechselschichtdienst leisten. An den Interessen der Beschäftigten sollte sich dann auch das Handeln des Ministers und seines Ministeriums orientieren.

Und noch eine Anmerkung zum BSM. Wegen angeblicher Probleme der Abbildung der Arbeitszeit im BSM denkt man bis zur Hausleitung des Innenministeriums offenbar darüber nach, das BSM wieder aufzugeben. Wenn ich das höre, dann kommt es mir mit Verlaub gesagt so vor, als spräche ein Grundschüler über höhere Mathematik. Das BSM wurde in der Thüringer Polizei eingeführt, weil wir für einen Dienst mit vier Dienstgruppen, die in der Lage gewesen wären den polizeilichen Grundbedarf jederzeit zu sichern, nicht mehr genügend Personal haben. Deshalb wurde der Kräfteeinsatz in einsatzschwachen Zeiten reduziert, um in einsatzstarken Zeiten zusätzlich Personal zur Verfügung zu haben. An der Personalsituation hat sich nichts geändert. Im Gegenteil, noch ist die Zahl der Beamten, die in Pension gehen höher als die Zahl der Beamten, die ihre Ausbildung beenden und in den Vollzugsdienst übernommen werden. Wir können also gar nicht das BSM aufgeben, wenn wir die Dienstgruppen nicht gleichzeitig wieder verstärken. Für eine Verstärkung der Dienstgruppen haben wir aber nicht genügend Personal. Die Option Abschaffung des BSM haben wir in der Thüringer Polizei gar nicht mehr, wenn wir nicht gleichzeitig eine Reduzierung der Grundversorgung der Bürger in Kauf nehmen wollen und das ist aus Sicht der GdP den Bürgern unseres Landes nicht zumutbar.

Für mich ergibt sich daraus nur eine logische Konsequenz. Die arbeitszeitrechtlichen Bedingungen einschließlich des Arbeitszeitnachweises müssen schnellstens so gestaltet werden, dass sie der Polizei das ganze Jahr über zu jeder Zeit einen flexiblen Kräfteeinsatz ermöglicht, der sich ausschließlich an der polizeilichen Lage orientiert.

Mehrarbeit muss auch in der Polizei das werden, was sie nach dem Gesetz ist, eine Ausnahme. Weil das Arbeitszeitrecht der Polizei zu starr und zum Teil auch mit unnötigen bürokratischen Vorgaben überfrachtet ist, ist Mehrarbeit keine Ausnahme, sondern eine zusätzliche Dienstform. Beweis dafür ist die Tatsache, dass nahezu jeder Polizeivollzugsbeamte in Thüringen neben seinem normalen Arbeitszeitkonto noch ein Mehrarbeitszeitkonto führt. Dieser Zustand ist seit Jahren bekannt und wird vom Innenministerium geduldet, ohne etwas dagegen zu unternehmen.
Wir fordern deshalb den Innenminister auf: Helfen Sie uns bei der Schaffung der Rahmenbedingungen im Arbeitszeitrecht, welche die Thüringer Polizei braucht, um ihren Auftrag zum Wohle der Bürger und des Landes erfüllen zu können. Helfen Sie uns dabei, Mehrarbeit auch in der Thüringer Polizei auf das notwendige Maß zurück zu führen. Helfen Sie uns dabei, den Arbeitszeitnachweis einfach, transparent und überschaubar zu gestalten, damit die Beamten wieder zeitnah ihre Zulagen gezahlt bekommen können und nicht monatelang auf ihr Geld warten müssen.
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