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Neuauflage der Stasi-Überprüfungen?

von Gerhard Mörke

Saalfeld.

Mit Erstaunen nehmen die Experten der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für Stasi – Probleme zur Kenntnis, dass in der letzten Zeit in Deutschland und besonders im Freistaat Thüringen durch das Kabinett und einigen Ministerien verstärkt das Aufdecken von verschiedenen Einzelfällen von stasibelasteten Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes in die Öffentlichkeit getragen wird.

Es entsteht dadurch der Anschein eines derzeitig bestehenden bzw. zunehmenden Problems unaufgeklärter Stasi-Fälle im öffentlichen Dienst. Wir befürchten, dass die gemäß den Festlegungen der §§ 20 und 21 des Stasi-Unterlagen- Gesetzes (StUG) auf 15 Jahre beschränkte Nutzung der nicht eben auf rechtstaatlichem Wege gewonnenen Stasi-Unterlagen für die Überprüfung des öffentlichen Dienstes verlängert werden soll bzw. eine Rechtfertigung dafür gesucht wird, vor Ablauf der Frist die Beschäftigten des Landes erneut durch die Gauck-Behörde überprüfen zu lassen.

Die GdP Thüringen spricht sich dagegen für eine sofortige Beendigung dieser Überprüfungen aus. Wir wollen die Aufhebung aller durch das StUG zusätzlichen Einschränkungen des Datenschutzes und einen anderen Umgang mit den Stasi-Archiven. Personenbezogenes Archivgut sollte nach unserer Ansicht nur noch für die persönliche Akteneinsicht sowie für Wissenschaft und Forschung zur Verfügung stehen. Wir wollen für die im Landesdienst befindlichen Beschäftigten die Aufhebung aller derzeit tariflich und gesetzlich festgelegten Einschränkungen wegen einer Tätigkeit für die Staatsorgane der DDR ,einschließlich des MfS, erreichen.

Zum Hintergrund:

Über die Zusammenarbeit des öffentlichen Dienstes der DDR mit der Staatssicherheit und die Stasi-Überprüfungen des öffentlichen Dienstes in Thüringen gibt es inzwischen wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse. Die ersten Überprüfungen in den neunziger Jahren liefen sowohl im Bereich des Kultusministeriums als auch dem Innenministerium nach ähnlichem Muster ab. Nach einer Untersuchung von Kathrin Winkler (Dissertation, Gera 2002) wurden im Kultusministerium 839 durch die BStU als Stasibelastete Beschäftigte im Ministerium angehört und im Ergebnis davon 525 Personen zur Entlassung vorgesehen.

Diesen wurden alternativ Auflösungsverträge angeboten.

Nach den zwei Tagen eingeräumte Bedenkzeit wurden 250 Auflösungsverträge abgeschlossen und 269 Kündigungen ausgesprochen.

Im Ergebnis von Kündigungsschutzklagen, zumeist in zweiter Instanz, mussten 57,6% der Entlassenen weiterbeschäftigt werden.

Das Geschehen in der Thüringer Polizei war, nach Untersuchungen unseres Vorstandsmitgliedes Gerhard Mörke, Schleiz (Forschungsarbeit und Buch vom März 2005), nicht viel anders. Zu den 6700 überprüften Bediensteten gab es bei 1210 Personen laut Abschlussbericht des Personal Überprüfungs- Ausschusses Thüringer Polizei (PÜAPol) Hinweise auf eine mögliche Stasi-Belastung. Mit 796 von diesen wurde das Beschäftigungsverhältnis durch Kündigung beendet. Davon wiederum ca. 65 Personen sahen sich genötigt, selbst die Kündigung einzureichen.

Ein Teil der Entlassenen (bei Beamten Rücknahme der Ernennung) gewannen ihre Klagen und mussten ebenfalls weiterbeschäftigt werden. Dieses Ergebnis – ebenso die hohen Berufungsquoten, besonders im Kultus-Bereich – liegt vor, weil der untersuchende und entscheidungsbefugte Teil der Beamten, welche die Überprüfungen durchführten und der überwiegende Teil der Verwaltungsrichter aus den alten Bundesländern kamen. Sie verstanden die in der DDR herrschenden Lebensverhältnisse, die Biographien bis hin zu vielen Sprach und Redewendungen nicht.

Zudem wurden und werden wesentliche Forschungsergebnisse zur einstmaligen Arbeit des MfS bei der BStU und den Ministerien einfach nicht zur Kenntnis genommen. Die nachfolgenden Überprüfungen aufgrund eines Beschlusses der Landesregierung von 1998 und wegen der „Rosenholzakten“ brachten tatsächlich kaum neue Erkenntnisse. In nur wenigen, bereits bekannten Einzelfällen, wurden ergänzende Unterlagen durch die BStU aufgefunden. Manchmal wurden die alten Akten lediglich nur neu „interpretiert“, um nun vielleicht doch eine Entlassung (Rücknahme der Ernennung) durchführen zu können.

In Ostdeutschland verblieben insgesamt weit über 4000 Stasibetroffene Bedienstete – einschließlich ehemals Wehrdienstleistende im Wachregiment und einzelne hauptamtliche Mitarbeiter des MfS – nach den Überprüfungen im Dienst der Landespolizeien.

In Thüringen sind das ca. 872 Stasibetroffene Bedienstete.
Sie sorgen, wie alle anderen Bediensteten, mit großem Einsatz als Tarifbeschäftigte oder als Beamte seit 15 Jahren für eine hohe Sicherheit und Ordnung und haben sich somit längst im demokratischen Rechtsstaat bewährt.

Trotzdem werden sie einer permanenten Überprüfung und Benachteiligung unterzogen. Egal ob der Verbleib bei der Polizei wegen Geringfügigkeit der Belastung oder Weiterbeschäftigung nach erfolgreicher Klage erfolgte, die Betroffenen haben Kürzungen des Lebens-, Besoldungs- und/oder des Jubiläumsdienstalters bis hin zur vollständigen Streichung der DDR Dienstzeiten zu erdulden, was zum Teil erhebliche Gehaltskürzungen ausmacht. Hinzu kommt eine Vielzahl von Reglementierungen, wie u. a. Verweigerung der Verbeamtung, Rückforderungen von Gehaltszahlungen und Ausschluss von bestimmter beruflicher Tätigkeit.

Die große Masse der Betroffenen geht nach einer empirischen Befragung von ständigen Benachteiligungen bis hin zu Schikanen aus. Die Verantwortlichen des Landes sollten erkennen, dass in dieser fortwährenden Schlechterbehandlung ein viel größeres Sicherheitsrisiko verborgen ist, als in einer über 15 Jahre zurück liegenden, mehr und weniger starken, manchmal auch nur angenommenen und längst aufgeklärten ehemaligen Tätigkeit für die Staatssicherheit. Bedenkt man die vorstehenden Zahlen Tausender im öffentlichen Dienst stehender Personen, die mehr oder minder mit der Staatssicherheit ehemals zusammen gearbeitet hatten und das nachfolgende Verhalten der Thüringer Regierungspartei (CDU), wird deren riesengroße Realitätsferne deutlich. Beantragte sie doch im Herbst 2005 im Thüringer Landtag die Festlegungen des Artikels 96 der Thüringer Verfassung über die Nichteignung dieser Stasibetroffenen Personen für den öffentlichen Dienst zu bekräftigen.

Hinweis: Weitere Informationen sind zu erhalten über: www.g-moerke-schleiz.de
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