16.12.2025
Überstundenzuschläge bei
Teilzeitbeschäftigung
Mit Datum vom 26. November hat das BAG eine für Teilzeitbeschäftigte wegweisende Entscheidung getroffen. Gegenstand waren wieder Überstundenzuschläge bei Teilzeitbeschäftigten. Wir hatten vor ziemlich genau einem Jahr auch schon über das Thema informiert. Im Folgenden fassen wir die Situation nochmal zusammen.
Entscheidung vom 05.12.2024 (BAG 8 AZR 370/20)
Das Bundesarbeitsgericht hatte am 05.12.2024 eine bahnbrechende Entscheidung zur Frage von Überstunden bei Teilzeit getroffen. Das Gericht stellt darin fest: „Eine tarifvertragliche Regelung, die unabhängig von der individuellen Arbeitszeit für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt, behandelt teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeit schlechter als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte. Sie verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter (§ 4 Abs. 1 TzBfG), wenn die in ihr liegende Ungleichbehandlung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Fehlen solche sachlichen Gründe, liegt regelmäßig zugleich eine gegen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (§ 7 Abs. 1 AGG) verstoßende mittelbare Benachteiligung wegen des (weiblichen) Geschlechts vor, wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind“.
Anwendbarkeit auf Tarifbeschäftigte im Geltungsbereich des TV-L
Eine dem entschiedenen Fall vergleichbare tarifvertragliche Ausgangslage findet sich in § 7 Absatz 6 und 7 TV-L. Gemäß § 7 Absatz 6 TV-L sind Arbeitsstunden, die Teilzeitbeschäftigte über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten leisten, als Mehrarbeit klassifiziert. Als Überstunden hingegen werden erst die auf Anordnung des Arbeitgebers jenseits der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten geleisteten Arbeisstunden anerkannt, siehe § 7 Absatz (7) TV-L. Anders als Mehrarbeit lösen Überstunden Zeitzuschläge aus, die unter Umständen sogar abgegolten werden, siehe § 8 Absatz (1) und (2) TV-L.
Aktuelle Entscheidung vom 26.11.2025 (BAG 5 AZR 118/23)
Laut Pressemitteilung urteilte das Gericht „Eine tarifvertragliche Bestimmung, nach der Mehrarbeitszuschläge unabhängig von der individuellen Arbeitszeit ab der 41. Wochenstunde zu zahlen sind, verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter (§ 4 Abs. 1 TzBfG). Die Benachteiligung kann für die Vergangenheit nur dadurch beseitigt werden, dass die Grenze für die Gewährung von Mehrarbeitszuschlägen bei Teilzeitbeschäftigten im Verhältnis ihrer individuellen Wochenarbeitszeit zur Wochenarbeitszeit Vollzeitbeschäftigter abgesenkt wird. Teilzeitbeschäftigten steht unter dieser Voraussetzung ein Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge zu, ohne dass den Tarifvertragsparteien zuvor die Möglichkeit zur Korrektur ihrer diskriminierenden Regelung einzuräumen ist.“
Damit korrigiert das BAG tarifliche Regelungen, die Teilzeitkräfte benachteiligen, und stellt klar: Eine Teilzeitkraft hat Anspruch auf Zuschläge, sobald sie über ihre vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit hinaus arbeitet.
Wie geht es weiter?
Die aktuelle Entscheidung des BAG liegt zurzeit nur als Pressemitteilung vor und ist folglich auch nicht rechtskräftig. Das BAG hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der unterlegene Arbeitgeber gegen die vom Berufungsgericht noch zu treffende Entscheidung Verfassungsbeschwerde erhebt. Denn mit Beschluss vom 11.12.2024 hatte das Bundesverfassungsgericht den Gerichten nur eine Willkürkontrollen zugesprochen. Die Tarifvertragsparteien hätten die grundsätzliche primäre Korrekturkompetenz (BVerfG, Beschluss vom 11. Dezember 2024 – 1 BvR 1109/21).
Im Falle einer Verfassungsbeschwerde wird sich das BVerfG wohl differenziert mit der europarechtlichen Dimension des Arbeitsrechts auseinandersetzen müssen und wohl auch mit der damit verbundenen Kompetenzabgrenzung.
Ansprüche anmelden und Ausschlussfrist wahren!
Betroffenen Tarifbeschäftigten empfehlen wir wie auch vor einem Jahr und nach dem Urteil von diesem Jahr jetzt erst recht, angefallene Mehrarbeitsstunden, bei welchen es sich um Überstun-den handeln könnte, zur Wahrung der Ausschlussfrist des § 37 TV-L geltend zu machen.
Dabei ist zu beachten:
- Nicht jede Überschreitung des arbeitstäglichen Gleitzeitanteils ist dabei als Überstunde zu werten. Wichtig ist vielmehr, dass diese Stunden vom Arbeitgeber angeordnet wurden. Dies können auch angeordnete Schulungen oder Fortbildungen sein.
- Die über die dienstplanmäßig oder betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden zählen nur dann als Überstunden, wenn sie nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen wurden.
Für die Anmeldung etwaiger Ansprüche findet Ihr hier unser angepasstes Formular.
