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Bild von Gerd Altmann auf Pixabay | © Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

14.08.2025

Digitalstrategie sorgt für Umsetzungschaos

Ausstattung Digitalisierung

GdP kurz vor der Umsetzung in der Landespolizei und im Justizvollzug besorgt.
 

Kiel. Die IT- und Digitalstrategie der Landesregierung schreitet voran. In der Landesverwaltung wird unter Federführung des Chefs der Staatskanzlei Dirk Schrödter sukzessive Open-Source-Software eingeführt. Das Ziel der Erreichung einer digitalen Souveränität, der Reduktion der Abhängigkeiten von großen IT-Unternehmen und der Einsparmöglichkeiten für den Landeshaushalt scheint insgesamt nachvollziehbar.  

Jetzt sieht es nach „Augen zu und durch“ aus – das haben unsere Kolleginnen und Kollegen nicht verdient, die zusätzlichen Zeitaufwände können besser genutzt werden.

Soweit die Theorie. In der vergangenen Woche wurde im Innenministerium die Umstellung der bisherigen elektronischen Postfächer auf die Open-XChange-Serverstruktur und den Thunderbird-E-Mail-Client für die ersten drei Tage geplant. Ansprechpersonen standen bereit, es wurde in sehr umfänglichen Informationen vorher darauf hingewiesen. Tatsächlich entstanden ein totales Chaos und Verunsicherung. Die Ansprechpersonen konnten vielfach nicht helfen und mussten sich durch sogenannte Ticketverfahren an Dataport wenden. Beispielsweise war der Hauptpersonalrat der Landespolizei über das E-Mail-Postfach eine Woche nicht erreichbar, der Vorsitzende des HPR Polizei ist es bis heute nicht.  
Nach Informationen der GdP sind tausende von E-Mails aus dem Bereich des Innenministeriums in fremden, nicht zuständigen Dienststellen des Landes aufgetaucht. Das ist alles andere als eine Bagatelle und bedarf einer unverzüglichen Meldung nach § 33 der DSGVO an das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein (ULD). Der Landesvorsitzende der GdP Torsten Jäger: „Eine solche Situation ist dramatisch und keinesfalls dadurch zu verharmlosen, dass die Empfänger dienstlich und arbeitsrechtlich zur Verschwiegenheit verpflichtet seien!“ 
Diejenigen, die es im Laufe der Woche - manchmal nach vielfachem Klicken auf den gleichen Button - geschafft haben, müssen sich natürlich umstellen und lernen. Schnell wird aber klar, dass viele komfortable Anwendungsmöglichkeiten von Outlook fehlen oder nur umständlich erreichbar sind. Nun mag es für den einen oder anderen akzeptabel erscheinen, wenn im Innenministerium Verwaltungsvorgänge oder Mitbestimmungsvorgänge irgendwo im Netz etwas reifen, Stellen später besetzt, Beförderungsmöglichkeiten erst verzögert greifen oder Organisationsvorhaben noch nicht umgesetzt werden können.  
Die GdP in Schleswig-Holstein sorgt sich aber massiv um den unmittelbar bevorstehenden Umsetzungsprozess in den großen Personalkörpern von Landespolizei und Justizvollzug. Hier hätten ähnliche Umsetzungsschwierigkeiten möglicherweise wesentlich gravierendere Folgen.  
Der Geschäftsführende Landesvorstand der GdP hat mit dieser Reaktion einige Tage abgewartet, um die schon vorhandenen Erfahrungen in der Landespolizei in seiner Mitgliedschaft abzufragen. Aus den Rückmeldungen der Mitglieder ergeben sich folgende Kernpunkte:

  • Open Source ist nutzbar, erreicht aber bei Weitem nicht den Komfort der bisherigen Software. Komfortverlust heißt in Summe bedeutende Zeitaufwände, die die Belastungen einer Landespolizei und des Justizvollzuges weiter steigern dürften.  
  • Einführungsschritte müssen besser koordiniert und mit parallelen IT-Maßnahmen abgestimmt werden – derzeit sind z. B. digitale Verwaltungsakten in geschlossenen Benutzergruppen noch immer inkompatibel.
  • Spezielle Microsoft-Software ist für Verschlusssachen zugelassen, avisierte Open-Source-Produkte nicht. Hier wissen Mitarbeitende im Moment immer noch nicht, wie die Aufgaben zukünftig rechtssicher gewährleistet werden sollen.  
  • In der Landespolizei und im Justizvollzug wird in den verschiedenen Dienststellen sehr unterschiedlich gearbeitet. Diese Unterschiede finden offenbar wenig Berücksichtigung bei den Anforderungen an die Open-Source-Produkte.  

Der Landesvorsitzende Torsten Jäger: „Jetzt rächt sich, dass die Landesregierung das Angebot des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften zu einer Dienstvereinbarung nach § 59 des Mitbestimmungsgesetzes SH nicht wahrgenommen hat. Umstellungsprobleme hätte es auch dann gegeben, aber vielleicht wäre es eher gelungen, auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu schauen, vor allem aber Notfallregelungen zu vereinbaren, wenn es technisch oder menschlich einfach nicht klappt. Jetzt sieht es nach „Augen zu und durch“ aus – das haben unsere Kolleginnen und Kollegen nicht verdient, die zusätzlichen Zeitaufwände können besser genutzt werden. Wir fordern dringend dazu auf, durch die kommenden Umstellungsprozesse nicht die Innere Sicherheit zu gefährden und notfalls den Prozess vorübergehend abzubrechen!“  

Die GdP hat heute ihre Bedenken mit der politischen Hausspitze des Innenministeriums ausgetauscht. Der Innenstaatssekretär Dr. Frederik Hogrefe versicherte, dass die berechtigten Erwartungen und Ansprüche von Landespolizei und Verfassungsschutz vor einer Migration der neuen Software gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Erfahrungen intensiv betrachtet und mit der Staatskanzlei besprochen wurden und werden.


Kiel, 14. August 2025 – Nr. 17/2025