
07.05.2025
2. Stellungnahme der GdP Thüringen zu den polizeilichen Duchsuchungsmaßnahmen in der Geschäftsstelle
„Wenn Ermittlungsbehörden ohne rechtsstaatlich legitimierte Grundlage in Persönlichkeitsrechte und gewerkschaftliche Strukturen eingreifen, dürfen wir nicht schweigen. Es geht hier längst nicht mehr nur um ein Verfahren – es geht um den Schutz demokratischer Prinzipien. Wir erwarten Aufklärung und politische Verantwortung.“
Mandy Koch, Landesvorsitzende der GdP Thüringen
Diese Stellungnahme aktualisiert unsere bereits veröffentlichte Erklärung vom 31.03.2025 anlässlich der aus unserer Sicht eklatant rechtswidrigen Durchsuchung unserer Gewerkschaftsräume und Beschlagnahme des Hauptservers der GdP Thüringen:
Am 27.03.2025 wurden im Rahmen aus unserer Sicht rechtsstaatswidriger polizeilicher Durchsuchungsmaßnahmen in den Räumen unserer Geschäftsstelle u. a. der Hauptserver der GdP Thüringen beschlagnahmt. In der weiteren Folge wurden die auf dem Hauptserver gespeicherten Daten vollständig gespiegelt. Hintergrund der Maßnahme ist ein gegen eine Einzelperson gerichtetes Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs des Geheimnisverrats.
Für die Durchführung der Maßnahmen wurden Beamte der Internen Ermittlung (IE) Hamburg sowie der Bereitschaftspolizei Bayern angefordert, welche die Durchsuchung verantwortlich durchführten. Zu diesem eingesetzten Team gehörte u. a. auch ein Beamter der IE Hamburg, welcher sich als Objektverantwortlicher für die Maßnahmen in unserer Geschäftsstelle vorstellte.
Am Tag der Maßnahme wurde unserer anwaltlichen Vertretung nach mehrfacher Intervention gegen die beabsichtigte Durchsuchung der Gewerkschaftsräume durch den benannten Beamten der IE Hamburg versichert, dass nunmehr ein fernmündlich erlassener Beschluss nach §103 StPO vorliege. Die Durchsuchung und Beschlagnahme fanden sodann statt. Noch am selben Tag hat unsere anwaltliche Vertretung Rechtsmittel gegen die Maßnahmen beim zuständigen Amtsgericht Gera eingelegt und die Maßnahmen u. a. mit dem Schutz der Gewerkschaften nach Art 9 GG ausdrücklich beanstandet.
Das Amtsgericht Gera hat sodann mit Beschluss vom 07.04.2025, der unserer anwaltlichen Vertretung erst am 22.04.2025 zugestellt wurde, die Beschlagnahme mit knapper und denkwürdiger Begründung bestätigt. Die Beschlussgründe haben unseren Verdacht allerdings bestätigt: Es gab zu keiner Zeit einen richterlichen Beschluss nach § 103 StPO gegen uns als Gewerkschaft, der das Vorgehen legitimiert hätte.
Der Durchsuchungsbeschluss gegen den Beschuldigten als Einzelperson deckte jedoch die Durchsuchung unserer Gewerkschaftsräume nicht ab. Denn der Beschuldigte unterhält in unseren Räumen kein eigenes und ausschließlich ihm zuzuordnendes Büro.
Soweit das Amtsgericht Gera versucht war, die Durchsuchung mit einer angeblichen Äußerung des Beschuldigten gegenüber einem anwesenden Beamten der IE Hamburg zu retten, wonach der Beschuldigte Zugriff auf den Gewerkschaftsserver habe und dort Daten speichere, war bereits im Zeitpunkt der Durchsuchung das Gegenteil bewiesen.
Der beschuldigte Kollege hatte zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf den Hauptserver. Dies wurde bereits am Tag der Durchsuchung durch die IT-Abteilung der Organisations- und Servicegesellschaft der GdP (OSG) per E-Mail bestätigt. Die entsprechende Mitteilung wurde am 27.03.2025 um 13:53 Uhr an das Postfach der IE Thüringen sowie um 14:00 Uhr an das persönliche Postfach des Objektverantwortlichen der IE Hamburg weitergeleitet. Zusätzlich wurden von der Landesvorsitzenden Mandy Koch und einem weiteren Mitglied des geschäftsführenden Landesvorstands schriftliche eidesstattliche Versicherungen vor Ort abgegeben, die den fehlenden Zugriff des Kollegen unmissverständlich belegen. Trotz dieser Fakten wurde durchsucht und beschlagnahmt und dabei die Schutzrechte einer Gewerkschaft und ihrer Mitglieder, wie im Übrigen auch jedes Maß an Verhältnismäßigkeit, ausgeblendet.
Für uns stellt dieses Vorgehen einen gravierenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung unserer Mitglieder dar. Auf dem Hauptserver befinden sich hochsensible personenbezogene Daten, darunter Mitgliedsnummern, Namen, Adressen, Geburtsdaten, Bankverbindungen und Eintrittsdaten von rund 4.500 Mitgliedern sowie Daten aus Rechtsschutzverfahren, darunter auch medizinische Unterlagen wie beispielsweise Arztberichte. Diese Daten unterliegen dem besonderen Schutz nach Art. 9 DSGVO und hätten niemals ohne klare, belastbare rechtliche Grundlage in staatliche Zugriffnahme geraten dürfen.
Mit Schreiben unserer anwaltlichen Vertretung vom heutigen Tag haben wir Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Gera eingelegt und noch einmal umfassend auf die Sach- und Rechtslage, insbesondere die tatsächliche Geschehensabfolge am Tag der Durchsuchung hingewiesen.
In diesem Zusammenhang erscheint für uns eine telefonische Anfrage des Leiters der IE Thüringen vom Juli 2023 an die Landesvorsitzende der GdP Thüringen mit der Forderung Metadaten einer E-Mail vom Server der GdP sichern zu wollen, als noch irritierender. Diese E-Mail war u. a. auch an den Thüringer Innenminister, den Thüringer Ministerpräsidenten und mehrere Medienvertreter adressiert. Die Anfrage wurde von uns mit äußerstem Befremden zur Kenntnis genommen und unter Berufung auf datenschutzrechtliche Bestimmungen entschieden abgelehnt. Bereits damals ließen wir den Vorgang anwaltlich prüfen und haben die Leitung der Abteilung IE unter Ablehnung ihres Gesuchs auf Art. 9 GG und § 103 StPO hingewiesen.
In Reaktion auf die aktuelle Maßnahme erfolgte bereits am 02.04.2025 durch uns eine vorsorgliche Meldung an den Thüringer Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (TLfDI) über eine mögliche Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten gemäß § 55 ThürDSG. Laut unserer Kenntnis muss diese Meldung vom Verantwortlichen der Verletzung – hier von der Staatsanwaltschaft Gera – unverzüglich und möglichst innerhalb von 72 h dem TLfDI gemeldet werden. Ob und wie diese Meldung durch die Staatsanwaltschaft Gera erfolgte, ist uns nicht bekannt. Zur Stellungnahme uns gegenüber ist sie wie nunmehr auch das Amtsgericht Gera explizit aufgefordert.
Wir betonen erneut mit allem Nachdruck: Nach endgültiger gerichtlicher Klärung über die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen werden wir unsere Mitglieder umfassend informieren und alle notwendigen Schritte zur Wiederherstellung von Vertrauen, Integrität und Datenschutz aktiv begleiten. Dies umfasst insbesondere auch die Bewertung möglicher Meldepflichten und rechtlicher Schritte im Zusammenhang mit der Datenverarbeitung und dem Schutz der uns anvertrauten Informationen.
Zudem betonen wir ausdrücklich, dass die am 02.05.2025 im Führungskreis der Thüringer Polizei verbreitete Information, wonach es für die GdP Thüringen einen nachträglichen schriftlichen Beschluss gegeben habe, nicht den Tatsachen entspricht. Diese Behauptung ist objektiv falsch und erscheint mehr als geeignet, zusätzlich Unsicherheit und Verwirrung zu stiften.
Die Beschlagnahme und Spiegelung des Hauptservers, trotz fehlender Beschlusslage sowie vor Ort vorgetragener und belegbarer Gegenargumente, ist aus unserer Sicht kein Verwaltungsfehler, sondern ein gezielter und rechtsstaatlich hochproblematischer Eingriff in ein grundrechtlich geschütztes Interessensgut – nämlich das Recht auf freie, ungestörte gewerkschaftliche Organisation!
Das bisherige Vorgehen stellt für uns einen Angriff auf die organisatorische Selbstbestimmung und Unabhängigkeit der GdP Thüringen, deren Mitglieder und Netzwerkpartner dar. In Konsequenz befürchten wir einen schwerwiegenden Schaden für unsere gewerkschaftliche Arbeit, da interne Kommunikationswege gestört, Schutzräume unserer Mitglieder verletzt, und das Vertrauensverhältnis zur Organisation massiv beschädigt werden sollen. Diesem Ansinnen treten wir entschieden, geeint und mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen und politischen Mitteln entgegen.