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04.10.2010

Europa-Seminar der JUNGE GRUPPE (GdP)

Riga: Ein Land ohne sicherheitspolitische Richtung

JUNGE GRUPPE (GdP) zu Gast in der lettischen Hauptstadt

Die Zielsetzung des Seminars war vielfältig und sehr anspruchsvoll. Über allem stand jedoch die Frage: „Welchen Platz nimmt Lettland und ihre Polizei in der Europäischen Gemeinschaft ein?“. Eine Frage, die gar nicht leicht zu beantworten war und auch die vielen Exkursionen der Teilnehmer und die Vorträge der geladenen Referenten nur schrittweise klären konnten.

Es steht fest, dass Riga eine der schönsten Altstädte Europas besitzt, in der sehr zuvorkommende und hilfsbereite europäische Mitbürger leben. Auf den ersten Blick ist kein Unterschied zu heimischen Lebensgewohnheiten erkennbar. Leider hält dieser Eindruck einem zweiten Blick, insbesondere einem hinter die Kulissen lettischer Sicherheitsbestrebungen, nicht stand. Und so wurde jedem Teilnehmer bereits nach kürzester Zeit deutlich, dass der anfänglich schöne Schein nicht über die vielen Missstände in Lettland hinweghelfen kann und darf.

Spätestens der erste Besuch einer lettischen Polizeidienststelle zeigte den jungen Teilnehmern, dass die vorher getätigten Aussagen der Referenten keine leeren Worthülsen waren. So unschön es auch klingen mag, aber die Spuren eines ehemals sozialistisch geführten Systems sind immer noch unverkennbar. Noch drastischer als 40-jährige sozialistische Misswirtschaft hat jedoch die Wirtschaftskrise der letzten 12 Monate gewirkt. Die Halbierung der Löhne zur Abwendung des Staatsbankrotts und die Minimierung staatlicher Ausgaben haben Schneisen in die lettische Gesellschaft geschlagen. Es verwunderte letztlich niemanden, dass in diesem Land, trotz seiner Schönheit und Gastfreundschaft, vieles im Argen liegt.

Nichts außergewöhnliches: Ein ganz normaler Arbeitsplatz in einer Polizeidienststelle in Riga.
Foto: Rohde


Wurde den Teilnehmern am Vormittag noch die Konkurrenzfähigkeit der lettischen Polizei mit anderen Polizeien Europas durch das lettische Innenministerium bescheinigt, ließ der nachmittägliche Besuch einer lettischen Dienststelle diese Aussagen doch erheblich bezweifeln. Sofort fiel den Besuchern der Schimmel an den zumeist stark vergilbten Wänden auf, die Feuchtigkeit in den Räumen war permanent spürbar und allgegenwärtig und die beengten Räumlichkeiten, die den Polizeibeamten zum Arbeiten zur Verfügung standen, wiesen ebenfalls verstärkt auf erhebliche Schwierigkeiten bei der alltäglichen Dienstverrichtung hin. Auch bei der Anwendung kriminaltechnischer Standardmaßnahmen scheint es noch manches zu verbessern zu geben. So stellen DNA-Spurensuche und andere forensische Notwendigkeiten wohl eher die Ausnahme dar. Dazu kommt noch ein Gehaltsniveau, das sich nicht den Kosten der Lebenshaltung anpasst und außerdienstliche Nebenverdienste zwingend notwendig macht.

Bereits anhand dieser Erkenntnisse erwiesen sich die Aussagen des Vorsitzenden der lettischen Polizeigewerkschaft als sehr glaubhaft. „Polizeientwicklung in Lettland bedeutet erst einmal, die Grundlagen dafür zu schaffen, dass meine motivierten Kollegen qualitativ hochwertig arbeiten können. Wir wollen den europäischen Vorstellungen von Sicherheit gerecht werden und unser Ziel ist es, den kriminellen Einflüssen an der Grenze zu Russland und im Schengen Raum Einhalt gebieten zu können“, betont Agris Suna.

Es sollte und muss daher das Ziel einer europäischen Einheitspolitik sein, der lettischen Polizei einen ganz besonderen Platz im europäischen Sicherheitsgefüge zu ermöglichen, der sowohl die lettischen als auch die kriminellen Probleme Europas in ihrer Entstehung verhindert. Ein Ziel, das nur mit großem Engagement und mit der Bereitschaft hinzuschauen langfristig durchzusetzen ist und das die JUNGE GRUPPE (GdP) in Zukunft verstärkt unterstützen wird.

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