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11.10.2011

Europaseminar der JUNGE GRUPPE (GdP) 2011.

Wohin der Glaube führen kann…

JUNGE GRUPPE (GdP) zu Besuch in Nord-Irland.

Die Stadt Belfast haben die Schreckenszeiten des europäischen bzw. irischen Terrorismus so stark geprägt, wie kaum eine andere Stadt in Europa. Hier sind die Konflikte zwischen Protestanten und Katholiken, zwischen Engländern und Iren, noch heute stark zu spüren. Die Stadt Belfast sah sich seit ihrer Anbindung an das Vereinigte Britische Königreich 1921 immer wieder und selbst noch in der jüngsten Vergangenheit bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen ausgesetzt, die vereinzelt immer wieder aufflammen und dann die ungeheure Brutalität des Konflikts widerspiegeln. Einen ersten Eindruck wie stark dieser Konflikt in der Bevölkerung und vor allem in den Köpfen eines jeden einzelnen „Nordiren“ verwurzelt ist, konnten wir im Rahmen einer sog. „Black Taxi Tour“ erfahren, die uns durch die protestantischen und katholischen Viertel lotste.

Daher verwundert uns es auch nicht, dass in den Städten Nordirlands, Protestanten und Katholiken meist in eigenen Stadtvierteln leben, die zudem durch hohe Mauern getrennt sind. Diese Trennung der Stadtteile mittels einer sieben bis acht Meter hohen Mauer aus Beton und Drahtzaun empfanden wir als besonders erdrückend. Die Bezeichnung „Friedensmauer“ (sog. „Peace Line“) erscheint hierbei beinahe zynisch. Unser Guide meinte: "Die Mauer gibt uns Stabilität, es wäre verfrüht, sie zu demontieren." Einige der Stahltore in der Mauer werden jede Nacht verschlossen, um gegenseitige Übergriffe zu verhindern.

Gepanzerte Fahrzeuge gehören zum polizeilichen Alltag in Belfast. (Foto: JG)


Von Frieden ist man in Nordirland weit entfernt. Noch in jüngster Vergangenheit gehörte es zum Alltag in Nordirland, dass Bomben explodieren und Menschen getötet oder verletzt werden. In den vergangenen 10 Jahren kamen in Nordirland unzählige Menschen ums Leben, weil sich zwei Religionsgruppen letzlich bis auf den Tod bekämpften.

Dabei geht es letztlich wohl viel weniger um Religion als häufig in den Gazetten verbreitet. Waren früher die Fragen nach Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Freiheit ursächlich für den Konflikt, scheint es heute so, als wenn überwiegend Politik und Macht den Konflikt am Leben lassen. Insgesamt leben in Nordirland 1,75 Mio Einwohner, die beinahe paritätisch in Protestanten und Katholiken aufgeteilt sind. Dies zeigt, wie schwer die Frage zu beantworten ist, zu welcher Nation Nordirland gehört bzw. gehören sollte.

Fakt ist, dass Nordirland gegenwärtig nicht Teil der Republik Irland, sondern des „Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland“ ist. Die katholischen Republikaner kämpfen seit Jahrzehnten darum, dass Nordirland wieder zu Irland gehört. Diese Geschichte begann schon vor sehr vielen Jahrhunderten. Die Antwort auf die Frage, was eine Verschiebung der Nationenzugehörigkeit letztlich verändern würde, sei an dieser Stelle einmal bewusst offen gelassen. Die unter den katholischen Bewohnern stärkste Partei, die irisch-republikanische Partei Sinn Féin („wir selbst“) setzt sich jedoch weiterhin verstärkt für die Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irlands ein. Bei den Protestanten hingegen kämpfen die beiden pro-britischen Parteien nach wie vor an dem Festhalten an der Union mit Großbritannien. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Mauern zwischen Protestanten und Katholiken fest sitzen und eine Einigung schwer zu erreichen ist.

Sie sind mehr als ein Spiegelbild des Konflikts in Nord-Irland. Murals kennzeichnen etliche Häuserfassaden. (Foto: JG)


Neben dem Nordirlandkonflikt widmeten wir uns überwiegend auch dem großen Themenblock „internationaler Terrorismus“, seinen Facetten, Ausprägungen und Hintergründen. In diesem Zusammenhang standen u.a. die „Begriffs- und Religionskunde“, „Afghanistan und die Taliban“, Al-Quaida, „Israel und Palästina“, „Homegrown Terrorism“ und der „Arabische Frühling“ im Vordergrund.

Als Referent stand uns hierfür Dr. Marwan Abou Taam zur Verfügung. Dr. Marwan Abou Taam, 1975 in Beirut geboren, ist Politologe, Volkswirt und Islamwissenschaftler. Er arbeitet seit 2006 beim Landeskriminalamt in Rheinland-Pfalz im Bereich „politisch motivierte/r Kriminalität/Islamismus“. Außerdem ist er Mitglied des Düsseldorfer Instituts für Außen- und Sicherheitspolitik und hat für die Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) gearbeitet.

Dr. Abou-Taam erklärte uns unter anderem die Geschichte des Islams, geopolitische Zusammenhänge und auch die Mechanismen von Rekrutierungsarbeit in muslimischen Milieus. Anhand zahlreicher Beispiele führte dies schließlich zu weltpolitischen Einblicken und jeder von uns wurde angeregt, über den berühmten Tellerrand zu schauen und sich auch im Nachgang des Seminars mit diesen Themen zu beschäftigen.

Ebenso unternahmen wir im Laufe der Woche diverse Exkursionen und besuchten kulturelle und staatliche Einrichtungen. Besonders hervorzuheben ist der Besuch der nordirischen Polizei „Police Service of Northern Ireland (PSNI)“. Dieser verschaffte uns einen praktischen Einblick in den beruflichen Alltag nordirischer Polizisten.

Weiterhin fand ein äußerst interessanter länderübergreifender Erfahrungsaustausch mit der nordirischen Polizeigewerkschaft „Police Federation of Northern Ireland (PFNI)“ statt. Diese organisierte auch den Besuch des „Royal Ulster Constabulary George Cross Garden“, der im September 2003 durch Prinz Charles eingeweiht wurde. Dieser liebevoll angelegte Memorial Garden wurde zum Gedenken der in Ausübung des Dienstes oder durch Terrorismus getöteten Polizeimitarbeiter geschaffen.

Der stellv. Vorsitzende Mark Lindsay der PFNI satnd den Teilnehmer/innen rede und Antwort. (Foto: JG)


Anzumerken ist, dass der nordirische Polizeiapparat noch bis vor 10 Jahren zu 90 Prozent aus Protestanten bestand. Mittlerweile sind nach Aussagen von führenden Gewerkschaftern „nur“ noch 70 % der Polizeibeschäftigten Protestanten, da in den letzten Jahren ein besonderes Augenmerk darauf gelegt wurde, dass Neubewerber für die Polizei zu gleichen Teilen beiden Bevölkerungsgruppen entstammen. Selbst erklärtes Ziel soll es nunmehr sein, eine Polizei zu schaffen, die von allen Teilen der Bevölkerung Nordirlands als unvoreingenommen und unparteiisch angesehen wird. Dies war anscheinend nicht immer gewährleistet und wurde je nachdem wer gefragt wurde auch unterschiedlich beantwortet.

Im Ergebnis verschaffte uns das Seminar einen guten Einblick in die Entstehungsgeschichte und die Auswirkungen des zurückliegenden aber auch gegenwärtigen Terrorismus. Dass ein gewaltgeprägter sog. Religionskonflikt in dieser Ausprägung mitten in Europa vorzufinden ist, hat uns jedoch sehr nachdenklich gemacht.

Eine Garantie für dauerhafte Sicherheit wird es wohl auch zukünftig nicht geben, aber die Teilhabe und Beteiligung aller in einem Staat lebenden Menschen an (politischen) Prozessen, unabhängig von Herkunft und Religion, können dazu beitragen, gegenseitige Vorurteile abzubauen und Fundamente zu legen, um zukünftig wieder in Frieden und Freiheit leben zu können

Nicole Meyhöfer/Daniel Käbisch.

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