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Gedanken zur Corona-Pandemie

Eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft und kein politischer Ideenwettbewerb um die Gunst der Wähler

Kommentar von Jörg Radek, Vorsitzender des GdP-Bezirks Bundespolizei

Foto: GdP-Bezirk Bundespolizei

Der Gegner ist unsichtbar und schwer zu greifen. Er macht vor keinem Staat, keiner Grenze und keiner gesellschaftlichen Gruppe halt. Einige sprechen sogar von „Krieg“. Doch diese Wortwahl ist falsch! Es ist „nur“ eine weltumfassende Pandemie. Wer in einen Krieg zieht, braucht eine Strategie, um das Kriegsziel zu erreichen. Wird diese Strategie verraten, geht der Krieg verloren. Bei einer Seuche ist es anders. Fest steht jedoch bereits, dass es sich bei COVID-19 für die Politik, Gesellschaft und Wirtschaft in Deutschland und Europa um die größte Herausforderung seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges handelt.

Die Dynamik dieses Virus lässt sich nicht in einer Übung abbilden

Das jetzt überlebensnotwendige, länderübergreifende Krisenmanagement wurde bereits trainiert - im November 2007. Damals ging es um das Zusammenwirken von öffentlichem und privatem Gesundheitswesen, von polizeilichen und nichtpolizeilichen Einsatzkräften zur Gefahrenabwehr und zivil-militärischem Agieren zum Zwecke des effektiven Schutzes der Bevölkerung im Fall einer Pandemie.

Welche tatsächliche Wirkung jedoch das Infektionsschutzgesetz für den Alltag der Menschen in einer Ausnahmesituation hat, zeigt erst der gegenwärtige Ernstfall, auch für die Polizei. Die Dynamik dieses Virus lässt sich nicht in einer Übung abbilden. Für die Risiken und Nebenwirkungen können nicht nur die Ärzte oder Apotheker befragt werden.

Seit im Dezember 2019 in der chinesischen Millionenstadt Wuhan das neuartige Corona-Virus ausbrach, steht nicht nur Deutschland, nicht nur Europa; sondern die ganze Welt in einem existenziellen Kampf. Erinnern wir uns: während von offizieller Seite hierzulande erste Warnhinweise gegeben wurden, sorgten sich andere noch um die Wettbewerbsgerechtigkeit im Profifußball. Erkennbar wird nunmehr, nur wenige Wochen später, in welch besonderem gesellschaftlichem Reizklima unser Land sich befindet.

Den Drang nach Profilierungen gilt es zu unterdrücken

Jede kleinste mögliche Einschränkung im Verhältnis zum vermeidbaren Risiko wird vielstimmig bewertet. Doch das Virus folgt nicht den üblichen Mechanismen des Politikbetriebes. Der Dynamik der Verbreitung des Erregers kann nicht mit den reflexhaften Reaktionen des politischen Alltagbetriebs beigekommen werden. Es dauerte, bis sich die Einsicht entwickelte, dass die körperliche Unversehrtheit als Grundrecht nur über die Bewahrung und das Abwägen gegenüber anderen Grundrechten wie der Bewegungsfreiheit zu erhalten ist, beziehungsweise wieder hergestellt werden kann.

Im Wechsel der Modellrechnungen, naturwissenschaftlichen Meinungen, Abschätzung der wirtschaftlichen, und gesellschaftlichen Folgen sowie einer endlos erscheinenden Serie an Sondersendungen wird deutlich: Jetzt ist kein politischer Ideenwettbewerb um die Wählergunst angesagt. Das Gebot der Stunde muss lauten: Es ist wichtig, dass vor dem Hintergrund der massiven Beschränkungen der Freiheitsrechte eines jeden Einzelnen die rechtlichen Anordnungen in den Ländern, Landkreisen und Städten gleichlautend sind. Den Drang nach Profilierungen gilt es zu unterdrücken. Das Handeln muss widerspruchsfrei sein. Die Verwaltung und ihre Spitze ist im Krisenmanagement. Es bedarf einer souveränen Regierungskunst.

Aus der Beschreibung des Ansteckungsrisikos für jeden Einzelnen oder der Bewertung von Beschaffungsprozessen von medizinischem Gerät oder Schutzmasken muss nach der Pandemie eine Auswertung erfolgen. Welche Schlussfolgerungen aus diesem realen Stresstest für das Gesundheitswesen, pharmazeutische Zulieferungen und Lieferketten, der Polizei, für Handel und Wirtschaft werden gezogen? Selbst wer diesen Staat durch Privatisierung reduzieren wollte, kommt nun um die Feststellung nicht herum, nur der Staat schützt privat! Doch nur in der Freiheit ist das Private möglich. Deshalb ist das gesprochene Wort für die Transparenz so wichtig.

Für die Polizei bleibt das erste Einsatzmittel die Sprache

Es ist keineswegs gesichert und gewiss, wie künftig auf Krisen zu reagieren ist und welche Maßnahmen geeignet, angemessen und verhältnismäßig sind, um sie zu bestehen. Die Grundsätze unserer Verfassung formulieren ein Schutzversprechen für jeden von uns. Dazu passen keine „Holzhammer-Methoden“. Der Weg wird gefunden im solidarischen Handeln. Also leben wir weiter danach. Nicht nur Tatkraft zur Behebung der allgemeinen Verunsicherung ist gefordert. Für die Polizei bleibt das erste Einsatzmittel die Sprache.

So gilt: Rhetorik ist nicht nur was und wie etwas gesagt wird. Es ist auch wichtig, wer etwas zu sagen hat. Wer Geschlossenheit und Nachvollziehbarkeit einfordert, braucht mehr als die Stufen eines Pandemieplans. Wer, anders als im Krieg, nicht umkehrbare Schäden vermeiden muss, erkennt das aktive Handeln des Staates, die mit der Erklärung beginnt. Ob Einschränkungen als Belohnungen oder Schikane verstanden werden - beides wäre falsch -, hängt von der Wortwahl ab.

Wer wie wir glücklicherweise in einer freiheitlichen, zivilen, demokratischen Gesellschaft lebt, dem sollte diese Freiheit jedes Wort der Erklärung wert sein.
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