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27. Ordentlicher Bundeskongress der Gewerkschaft der Polizei (GdP)

Kopelke: Wir streiten für morgen

Foto: Kay Herschelmann
Berlin.

Der neue Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Jochen Kopelke hielt auf dem 27. Ordentlichen Bundeskongress der GdP seine Festaktrede am 14. September 2022 in Berlin. In Zeiten des Umbruchs betonte er die Wichtigkeit der Arbeit von Polizeibeschäftigten für das komplexe Sicherheitssystem hierzulande. Dienstherrn müssten künftig stärker in die Fürsorge ihrer Beschäftigten investieren, betonte der GdP-Chef. Neben weiteren Punkten ist besonders die Wiedereinführung der Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage für den Gewerkschafter in diesem Zusammenhang ein wichtiges Zeichen.

Die Rede des Bundesvorsitzenden der GdP im Wortlaut

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz, schön, dass Sie da sind. Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Pau, sehr geehrte Frau Regierende Bürgermeisterin Giffey, schön, dass Sie da sind. Sehr geehrter Herr Staatsminister Herrmann, vielen Dank für Ihr Erscheinen. Sehr geehrter Herr Senator Mäurer, sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages, liebe Yasmin und liebe Kolleginnen und Kollegen unserer Schwestergewerkschaften aus dem Deutschen Gewerkschaftsbund! Liebe Maike, lieber Guido, lieber Robert, lieber Michael und lieber Frank! Sehr geehrter Herr Präsident des Bundeskriminalamtes Holger Münch, schön, dass Sie da sind. Vielen Dank für die Glückwünsche zu meiner Wahl am Montag. Sehr geehrte Frau Polizeipräsidentin Slowik, vielen Dank für die Gastfreundschaft und den Schutz in dieser Stadt. Sehr geehrter Herr Landespolizeipräsident Brockmann aus Niedersachsen, herzlichen Dank für Ihr Erscheinen. Sehr geehrter Herr Oberst Wüstner vom Bundeswehrverband, sehr geehrter Herr Amtsleiter Kramer vom Verfassungsschutz und sehr geehrter Herr Peglow, schön, dass Sie da sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Delegierte, meine Damen und Herren!

Ich habe die Ehre, den Festakt dieses 27. Ordentlichen Bundeskongresses unserer Gewerkschaft der Polizei mit einer Festrede eröffnen zu dürfen. Das obliegt mir, weil ich der neue Bundesvorsitzende dieser großen Organisation bin.

(Beifall)

Wenn ich hier oben stehe, dann stehe ich stellvertretend für über 200.000 Polizeibeschäftigte, die in der Gewerkschaft der Polizei eine Heimat, eine Idee und eine Gemeinschaft gefunden haben. Deshalb bin ich ein bisschen stolz darauf, für uns sprechen zu dürfen.

Die Welt befindet sich im Umbruch. Es herrscht leider wieder Krieg in Europa. Das Klima verändert sich. Unser Lohn ist weniger wert, und gleichzeitig wird unser aller Leben teurer. Menschen werden extremistisch und verhalten sich auf widerlichste Art und Weise. Was der Herbst, dieser Herbst, der in wenigen Tagen beginnt, mit sich bringt, ist ungewiss. Die schweren Etappen der Coronapandemie scheinen überwunden, aber alles, was Einfluss auf unsere Arbeit und unsere Gesundheit als Polizistinnen und Polizisten, als Polizeibeschäftigte hat, hat Einwirkungen auf das Sicherheitsgefühl und das Sicherheitsempfinden der Menschen.

Die Auswirkungen dürfen niemals zu groß sein. Sind wir krank, müssen wenige aushelfen. Plötzlich leisten weniger viel mehr. Sind wir überarbeitet, muss wieder ausgeholfen werden, und wenige leisten mehr. Werden wir im Dienst verletzt, muss unverzüglich Verstärkung her. Wenn nur noch wenige Beschäftigte in diesen Sicherheitsbehörden arbeiten, laufen wir Gefahr, das komplexe Sicherheitssystem, das komplexe Zusammenwirken von Bund und Land zu gefährden.
Wie das also verhindern? Die Gewerkschaft der Polizei hat darauf gestern unglaublich viele Antworten gefunden.
Mit der ersten Antwort will ich beginnen: Die Dienstherren, die teilweise hier vertreten sind, müssen anfangen, Fürsorge für die Menschen wieder ernst zu nehmen und in diese Fürsorge zu investieren.

(Beifall)

Was bedeutet das konkret? Wir haben gestern Anträge dazu besprochen. Konkret bedeutet das, dass die Wiedereinführung der flächendeckenden freien Heilfürsorge auf höchstem Versorgungsstand dazu beitragen kann, dass die Erhöhung von Aus- und Fortbildungszeiten, von Kurangeboten für uns Beschäftigte ausgeweitet werden müssen, dass ein konsequentes Verhindern von unnötigen Überstunden und krankmachender Überlastung herbeigeführt werden muss, die schnelle psychologische Hilfe nach belastenden Einsatzsituationen ermöglichst werden muss, aber auch – ein klassisches Gewerkschaftsthema – der Personalkörper langfristig weitsichtig geplant und geformt sein muss. Nicht zuletzt – ein Blick auf den Montag – gehört auch die Wiedereinführung der Ruhegehaltsfähigkeit unserer Polizeizulage dazu.

(Beifall)

Was kann uns noch helfen? Wir haben gestern debattiert. Es könnte ein Technikschub sein: Funktionierende, modernste Gerätschaften, die wir benutzen können, die wir in Mann- und Frau-Ausstattung jedem zur Verfügung stellen, um den Arbeitsalltag zu verbessern. Mehr Homeoffice-Möglichkeiten und flexible Arbeitszeiten, die dem Wort Flexibilität gerecht werden. Modernste Schutzausrüstung, die allen Witterungen standhält und am Ende auch geschlechterspezifisch individualisiert dienstgerecht nutzbar ist. An alle Kolleginnen hier im Raum: Natürlich brauchen wir auch mehr erfolgreiche Frauenförderprogramme in unseren Sicherheitsbehörden.

(Beifall)

Es stellt sich die Frage: Was hemmt diese klar formulierten und nachvollziehbaren Verbesserungen? Das Geld? Der Wille? Der Föderalismus? Ich lasse das absichtlich unbeantwortet, weil das für heute keine Rolle spielt, und weil ich einem anderen Themenkomplex mehr Aufmerksamkeit geben möchte. Was kann das anderes sein?
Unsere GdP ist die stärkste Gewerkschaft für Polizeibeschäftigte in dieser Bundesrepublik. Unsere GdP ist die modernste Gewerkschaft für Polizeibeschäftigte. Wir stehen unseren verletzten Kolleginnen und Kollegen in jeder Situation bei. Wir liefern also. Wir haben Anträge beschlossen und menschlich zum Ausdruck gebracht, dass die GdP-Mitglieder, dass die Polizistinnen und Polizisten, dass die Polizeibeschäftigten Rassismus ablehnen, Fremdenfeindlichkeit ablehnen, Queerfeindlichkeit ablehnen und Antisemitismus bekämpfen. Bei uns gibt es keinen Sexismus. Diese GdP steht gegen all diese Ausgrenzungsformen. Mit uns gibt es Zusammenhalt.

(Starker Beifall)

Deshalb wurden wir unserem Motto und werden unserem Motto „Für uns. Für morgen“ gerecht.

Ich blicke auf die Länderebene: 1954 haben die Chefs der Innenressorts die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder, kurz: die IMK, geschaffen. Die zuvor im Wesentlichen auf Beamtenebene geführten Gespräche sollten durch das Schaffen dieser Austauschplattform dazu beitragen, dass auch politisch Einfluss genommen werden durfte.
Die GdP hat in den 50ern – das sind auch die Momente, in denen man an historische Ereignisse erinnern darf – in Koblenz auf dem allerersten Kongress bereits darauf hingewiesen, dass die GdP sehr kritisch mit verschlossenen Türen von Arbeitskreisen und Innenministerkonferenzen umgeht. Sie hat festgestellt, dass wir frühzeitig, rechtzeitig gehört werden müssen, um vor den Abläufen dieser traditionellen Veranstaltung Einfluss nehmen zu können.

Wir haben als GdP ja die richtigen, die realistischen, die echten Ideen, Perspektiven und Antworten. Was läge also näher, als Sie, Herr Staatsminister Herrmann, auf etwas hinzuweisen und anzusprechen: Die GdP ist älter als die IMK,

(Beifall)

und uns stünde ein Platz am Kamin unglaublich gut zu.

(Heiterkeit und Beifall)

Als derzeitiger Vorsitzender der Innenministerkonferenz haben Sie in Ihrem Abschlussstatement auf der Pressekonferenz deutlich gemacht, dass die Innenministerkonferenz sehr geschlossen ein sehr starkes Signal für Gemeinsamkeit, für einen Kampf gegen extremistische Strömungen ausgesprochen hat. Sie haben ausgesprochen, dass es ein gemeinsamer Kampf Ihrer Länderkolleginnen und -kollegen ist, für unsere freiheitliche Demokratie zu kämpfen, für die Sicherheit der Menschen in unserem Land. Das haben Sie in einem kraftvollen Statement zum Ausdruck gebracht.
Ich möchte Ihr Statement um eine Nuance ergänzen: Die GdP ist fester Bestandteil dieses Kampfes, und wir sind an Ihrer Seite. Denn auch wir – alle, die wir hier sitzen, alle, die zusehen – kämpfen jeden Tag für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung.

(Beifall)

Von den Ländern springe ich nach Europa. Kriminalität kennt keine Landesgrenzen. Innere Sicherheit und Kriminalitätsbekämpfung sind kein nationalstaatliches Problem mehr. Unsere rechtlichen Instrumente sind mancherorts sehr umstritten. Wir Sicherheitsbehörden, wir Menschen in den Sicherheitsbehörden sehen uns teilweise machtlos, und der Instrumentenkasten scheint spärlich gefüllt und unterschiedlich. Das muss sich ändern. Einen guten Vorschlag hätten wir: Wie wäre es mit einem Musterpolizeigesetz für uns Länder?

(Beifall)

Polizeiarbeit und insbesondere digitale Polizeiarbeit ist mehr europäisches Thema als staatliches. Wir sind eine europäische Blaulichtfamilie und leben europäische Werte. Dennoch müssen wir als Gewerkschaft der Polizei und wir Polizistinnen und Polizisten den europäischen Gedanken stärker verankern, mehr anpacken und auf mehr Engagement auf der Welt und vor allen Dingen in Europa zusammen mit unseren Nachbarinnen und Nachbarn setzen.
Auf unsere Polizei in Bund und Land kann man nämlich sehr stolz sein. Wir helfen, und wir sind kritikfähig. Also lassen Sie uns helfen, von uns abzugucken. Lassen Sie andere europäische Länder, andere Polizeien bei uns abgucken, und wir nehmen das Gegenangebot wahr, stellen uns auf den Tellerrand und gucken weiter, zum Beispiel nach Italien zur Finanzpolizei.

(Beifall)

Unterschiedliche komplexe nationale Vorschriften, aber auch gänzlich neue Kriminalitätsfelder machen unsere Polizeiarbeit nicht leichter, sondern viel schwerer. Die Zusammenarbeit muss deshalb gestärkt werden. Konkret könnten wir über einen simplifizierten Informations- und Datenaustausch auf europäischer Ebene sprechen. Aber wir müssen unsere Sicherheitsbehörden wesentlich krisenfester machen.

Wir können Erfolgsmodelle wie die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und Europol nur als Vorbild nehmen und mit voller Aufmerksamkeit weiterentwickeln. Warum müssen wir das tun? Weil wir, die im Saal sitzen, Kriminelle fangen wollen und Menschen beschützen wollen. Das geht nur im gesunden, starken Team ohne rechtliche Hürden und andere Hürden. Insofern wünsche ich mir für unsere Gemeinschaft ein stärkeres Europa in diesem Raum und in unserer Republik.

(Beifall)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz, das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sieht für Sie und Ihr Amt als Bundeskanzler eine unglaublich starke Rolle vor. Der Bundeskanzler, Sie, bestimmen die Richtlinien der Regierungspolitik, und Sie tragen die Verantwortung dafür. Die Richtlinienkompetenz gibt dem Handeln einen Rahmen vor, aber die einzelnen Ministerien – Ihre Amtskollegin Frau Faeser haben wir am Montag begrüßen dürfen – füllen diese Richtlinienkompetenz mit Leben.

Vor wenigen Monaten sprachen Sie als Bundeskanzler von einer sogenannten zweiten industriellen Revolution. Das greife ich gerne auf, weil ich als junger Mensch natürlich auch wissen will, wie es früher, sehr weit früher war.
Mit der Industrialisierung kam Folgendes: Unternehmen brauchten Geld. Sie generierten Geld, um Fabriken zu bauen, Maschinen zu kaufen, um größer, schneller, immer besser zu werden. Nicht unproblematisch, sondern beschämend wurde das auf dem Rücken von Menschen ausgetragen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, arbeitende Menschen wurden ausgebeutet. Ihnen wurde wenig Lohn gezahlt. Ihnen wurde keine Freizeit gewährt. Sie wurden ausgebeutet, damit es anderen, insbesondere Konzernen und machtvollen und hungrigen Menschen, besser ging.
Das hat die Gesellschaft stark geprägt und Unruhen erzeugt. Diese brutale Ausbeutung hat natürlich dazu beigetragen, dass sich Gewerkschaften, Arbeiterverbände gegründet haben. Ich finde, an einem Geburtstag darf man auch gucken, wie man früher gefeiert hat. Insofern gebe ich bei der zweiten industriellen Revolution, einer digitalen Revolution, Folgendes zu bedenken, nämlich, dass wir als geformte, kraftvolle Gewerkschaft der Polizei dasselbe erkämpfen wie manche vor uns schon, und zwar egal, ob unser Chef der Staat ist.

Das bedeutet: Wir streiten für eine bundeseinheitliche Besoldung für Polizistinnen und Polizisten.

(Beifall)

Wir streiten für eine Mitbestimmung unserer Personalräte in den Ländern, die bundeseinheitlich hohe Standards setzt. Wir streiten für eine eigene Arbeitszeitverordnung. Wir streiten für die Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtdienstleistende.

(Beifall)

Wir streiten für eine Eins-zu-eins-Abrechnung unserer Bereitschaftszeit.

(Beifall)

Weil wir so bunt gemischt sind, streiten wir auch für hohe Ausbildungslöhne, und wir streiten dafür, dass wir im Alter gut versorgt werden und sind und nicht vergessen werden.

(Beifall)

Das bedeutet, dass wir auf diesem Kongress unter dem Motto „Für uns. Für morgen“ einen klaren Auftrag formuliert haben, den ich als Bundesvorsitzender sehr gerne mitnehme. Aber eines bleibt in diesem Raum: Wir streiten für morgen, und ich bin sehr zuversichtlich. Denn wie bereits erwähnt, hat die Geschichte gezeigt, wer gewinnt,

(Heiterkeit)

und wir sind eine von acht im Deutschen Gewerkschaftsbund. Ich bin sehr zuversichtlich. – Vielen Dank.

(Langanhaltender Beifall – Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)
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